Datum des Eingangs: 12.08.2016 / Ausgegeben: 17.08.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4875 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1931 der Abgeordneten Dr. Jan Redmann und Gordon Hoffmann der CDU-Fraktion Drucksache 6/4658 Prüfungen am Ende der 10. Klasse: “Auch wer keine Ahnung hat, konnte durchkommen“ Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Die diesjährigen Mathematik-Prüfungen am Ende der 10. Klasse stehen aus verschiedenen Gründen in der Kritik. Pädagogen kritisieren zunächst das Niveau der Prüfungsaufgaben. Ein Schulleiter wird in der Presse zum Beispiel mit der Aussage zitiert: „Auch wer keine Ahnung hat, konnte durchkommen .“ (Potsdamer Neueste Nachrichten, „‘Pillepalle‘ auch in Brandenburg“, 23.06.2016, S. 14.) Verstärkt wird diese Kritik auch dadurch, dass sich Oberschüler der A-Kurse Zusatzpunkte erwerben durften, indem sie optional die Pflicht-Aufgaben der B-Kurs-Schüler lösten (Sternchenaufgaben). Die so erworbenen Zusatzpunkte haben A-Kurs-Schülern offenbar einen weithin als unfair empfundenen Vorteil gegenüber B-Kurs-Schülern verschafft. Im erwähnten Presseartikel wird in diesem Zusammenhang eine Schulleiterin mit der Aussage zitiert: „Das ist sehr ungerecht.“ Schließlich enthält offenbar auch der Bewertungsmaßstab ein Ungleichgewicht zwischen beiden Kursarten. Ein Beispiel anhand des Erwartungshorizonts der Mathematikprüfung verdeutlicht dies: Mit einer Punktzahl von 37 Punkten würde ein A-Kurs- Schüler in die Notenstufe 1 eingestuft, während ein B-Kurs-Schüler in der Notenstufe 4 eingestuft würde. Ein solcher Unterschied von bis zu drei Notenstufen scheint der Systematik der Sekundarstufe-I-Verordnung zu widersprechen, die in anderen Zusammenhängen einen Bewertungsunterschied von einer Notenstufe nahelegt. § 36 der Sekundarstufe-I-Verordnung regelt etwa: „Eine mangelhafte Leistung in einem Erweiterungskurs entspricht einer ausreichenden Leistung in einem Grundkurs, eine ungenügende Leistung in einem Erweiterungskurs entspricht einer mangelhaften Leistung in einem Grundkurs.“ Auch die Anlage 2 der genannten Verordnung legt einen Unterschied von nur einer Notenstufe zwischen A- und B-Kursen nahe. Tatsächlich berichten Schulleiter davon, dass der Notendurchschnitt der Prüfungen der A-Kurs-Schüler unverhältnismäßig über dem der B-Kurs-Schüler liege. Frage 1: Wie ist der Notendurchschnitt der Prüfungen nach der 10. Klasse für A- Kurse sowie für B-Kurse im Schuljahr 2015/16? zu Frage 1: Für das Schuljahr 2015/2016 liegt noch keine landesweite Auswertung der Prüfungsergebnisse zu der schriftlichen Prüfung im Fach Mathematik am Ende der Jahrgangsstufe 10 vor, sodass die Landesregierung hierzu derzeit keine Aussagen treffen kann. Die Prüfungsergebnisse aller Prüfungsfächer werden zum Stichtag 20.07.2016 zentral erfasst und bis zum 29.07.2016 von den Schulen in ZENSOS eingegeben. Anschließend erfolgt bis zum 05.08.2016 eine Plausibilitätsprüfung und Freigabe dieser Daten durch die zuständigen staatlichen Schulämter. Erst wenn die Eingabe aller Schulen und die Freigabe durch die staatlichen Schulämter abgeschlossen sind, können verlässliche Aussagen zu den Prüfungsnoten getroffen werden. Die Prüfungsaufgaben sowie der Erwartungshorizont werden vom Landesinstitut für Schule und Medienbildung Berlin- Brandenburg (LISUM) erstellt. Frage 2: Wie bestimmt sich die Zusammensetzung des Gremiums im LISUM, das die Prüfungsaufgaben erstellt? zu Frage 2: Die Prüfungsaufgaben werden von einer Entwicklergruppe beim LISUM erstellt. In der Entwicklergruppe arbeiten qualifizierte und erfahrene Fachlehrkräfte aus Berlin und Brandenburg zusammen, die an verschiedenen Schulen tätig sind. Frage 3: Nach welchen rechtlichen Maßgaben und auf welcher fachlichen Grundlage entwickeln die Experten die Prüfungsaufgaben und den Erwartungshorizont? zu Frage 3: Die Prüfungen am Ende der Jahrgangsstufe 10 werden auf der Grundlage des § 23 des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) und § 22 ff der Verordnung über die Bildungsgänge in der Sekundarstufe I (Sekundarstufe I- Verordnung – Sek I-V) durchgeführt. Danach legen alle Schülerinnen und Schüler an Oberschulen, Gesamtschulen und Gymnasien, die nach den Rahmenlehrplänen für die Sekundarstufe I unterrichtet werden, am Ende der Jahrgangsstufe 10 eine schriftliche Prüfung im Fach Mathematik ab. Die Aufgaben für die zentralen schriftlichen Prüfungen werden gemäß § 27 Absatz 1 Sek I-V durch das für Schule zuständige Ministerium gestellt. Die Anforderungen in der schriftlichen Prüfung entsprechen gemäß Nr. 10 der Verwaltungsvorschriften zur Sekundarstufe I- Verordnung (VV-Sek I-V) den Rahmenlehrplänen und dem vorangegangenen Unterricht in der Klasse oder dem Kurs. Für die zentralen schriftlichen Prüfungen legt das für Schule zuständige Ministerium Korrektur- und Bewertungshinweise fest. Diese berücksichtigen die grundlegende, erweiterte oder vertiefte Bildung der Schülerinnen und Schüler entsprechend dem gewählten Bildungsgang und beinhalten entsprechende unterschiedliche Erwartungsbilder. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat das LISUM mit der Entwicklung der Prüfungsaufgaben und der organisatorischen Umsetzung der zentralen schriftlichen Prüfungen beauftragt. Die Aufgaben orientieren sich an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) für den mittleren Schulabschluss und zeichnen sich durch vielfältige Bezüge zu Sachkontexten und Anwendungen aus. Innerhalb einer Aufgabe steigen die fachlichen Anforderungen. Die Fragestellungen beschreiben klar die geforderte Bearbeitung; die Formulierungen der Aufgabentexte dürfen keine zusätzlichen sprachlichen Hürden schaffen. Durch Abbildungen wird das Erfassen der Problemstellungen unterstützt. Jede Teilaufgabe wird den im Rahmenlehrplan genannten Standards zugeordnet, aufgeschlüsselt nach Leitidee, Kompetenzbereich und Anforderungsbereich. Diese Angaben werden im Lehrerheft neben Lösungen dargestellt. Frage 4: Inwieweit unterliegt die Entwicklung der Prüfungsaufgaben unabhängiger auswärtiger Kontrolle? zu Frage 4: Seit 2008 werden die Aufgaben pilotiert. Da es sich um Prüfungsaufgaben handelt, findet die Pilotierung außerhalb von Berlin und Brandenburg statt. Die Aufgaben werden nach empirisch-statistischen Gesichtspunkten zu Testheften zusammengestellt , die in den teilnehmenden Klassen den Schülerinnen und Schülern vorgegeben werden. Nach Datenerfassung, -aufbereitung und -auswertung durch das Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e.V. werden den Aufgabenentwicklerteams die Ergebnisse zur Verfügung gestellt, anhand derer die Aufgaben ggf. überarbeitet werden, bevor sie dann endgültig Eingang in die Prüfungsarbeiten finden. Frage 5: Wie bewertet die Landesregierung die Eignung der Prüfungsaufgaben des Jahres 2016 zur Leistungsbewertung im Rahmen der Prüfung nach der 10. Klasse und wie verhält sie sich zur ebenfalls im genannten Artikel geäußerten Kritik von Schulleitern, „die Orientierungsarbeit in Klasse 8 (sei) viel schwerer“ gewesen? zu Frage 5: Trotz Schwankungen bei den Lösungsanteilen einzelner Aufgaben haben sich bei den vergangenen Prüfungsdurchgängen sehr konstante Werte für die durchschnittlichen Lösungsanteile ergeben. Die Eignung der Aufgaben von 2016 ist genauso gegeben wie in den Vorjahren. Die Orientierungsarbeit in der Jahrgangsstufe 8 stellt eine Klassenarbeit zu einem Themenschwerpunkt in der Jahrgangsstufe dar. Ein direkter Vergleich zu den Prüfungsaufgaben, die sich im Ansatz, Umfang und Format unterscheiden, mit der gefühlten Aussage zum Schwierigkeitsgrad ist nicht zulässig. Frage 6: Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit für A-Kurs-Schüler Zusatzpunkte durch sogenannte Sternchenaufgaben zu erwerben? Wie bewertet sie die Kritik von Schulpraktikern, auf diese Weise würde A-Kurs-Schülern ein ungerechtfertigter Vorteil verschafft? zu Frage 6: Die Länder Berlin und Brandenburg haben gemeinsame Prüfungsaufgaben am Ende der Jahrgangsstufe 10 für die Schülerinnen und Schüler vereinbart, die in Brandenburg den Bildungsgang zum Erwerb der erweiterten Berufsbildungsreife (EBR) und der Fachoberschulreife (FOR) besuchen und die in Berlin den Abschluss der erweiterten Berufsbildungsreife oder den mittleren Schulabschluss anstreben. Daher wurde eine integrierte Prüfungsarbeit verabredet, die sowohl das grundlegende Niveau (EBR-Niveau) als auch das erweiterte Niveau (FOR-Niveau) abbildet. Die anspruchsvolleren Aufgaben auf erweitertem Niveau sind mit einem Stern gekennzeichnet. Die Schülerinnen und Schüler, die auf grundlegendem Niveau unterrichtet werden (A-Kurs-Schüler), müssen keine Aufgaben mit einem Stern lösen. Wenn sie jedoch auch anspruchsvollere Aufgaben auf erweitertem Niveau richtig lösen können und dafür zusätzlich Punkte erwerben, zählen auch diese für die Berechnung der Prüfungsnote. Von diesem Grundprinzip, alle erreichten Punkte bei der Notenbildung zu berücksichtigen, kann aus Sicht der Landesregierung nicht abgewichen werden. Eine Abweichung von diesem Prinzip würde die A-Kurs-Schüler benachteiligen und wäre nicht zu rechtfertigen, da grundsätzlich auch einem A-Kurs-Schüler nicht die Fähigkeit abgesprochen werden kann, auch anspruchsvollere Aufgaben lösen zu können. Frage 7: Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass der Erwartungshorizont der Mathematikprüfung bei identischer Punktzahl einen Unterschied von bis zu drei Notenstufen zwischen A- und B-Kursen zuließ? zu Frage 7: Der direkte Vergleich der erreichten Punktzahl in A- und B-Kursen ist nicht zulässig, da die erreichte Leistung immer im Verhältnis zu 100 % der gestellten Anforderungen zu bewerten ist. Ein Schüler bzw. eine Schülerin im Bildungsgang FOR (B-Kurs) musste 60 Punkte erreichen, um 100 % der geforderten Leistung in der Mathematik-Prüfung zu erbringen. Ein Schüler bzw. eine Schülerin im Bildungsgang EBR (A-Kurs) musste dagegen für eine 100-prozentige Erfüllung der geforderten Leistung 40 Punkte erreichen. Daraus ergab sich folgende Bewertung in den jeweiligen Kursen: EBR-Niveau /A-Kurs FOR-Niveau / B-Kurs Gesamtpunktzahl (100 % ) 40 Punkte 60 Punkte Note 1 ab 37 Punkte = 92,5 % ab 56 Punkte = 93,3 % Note 2 ab 30 Punkte = 75 % ab 45 Punkte = 75 % Note 3 ab 24 Punkte = 60 % ab 38 Punkte = 63 % Note 4 ab 18 Punkte = 45 % ab 30 Punkte = 50 % Note 5 ab 6 Punkte = 15 % ab 9 Punkte = 15 % Die Übersicht zeigt, dass die Leistungsanforderungen zum Erreichen einer Notenstufe durchaus vergleichbar sind. Die erkennbaren Abweichungen erklären sich vor dem Hintergrund der Setzung für die Note 4. Die Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang FOR müssen mindestens 50 % der Anforderungen für eine ausreichende Leistung erfüllen. Die Schülerinnen und Schüler im darunter liegenden Bildungsgang EBR müssen dagegen nur 45 % der Anforderungen für eine ausreichende Leistung erfüllen. Frage 8: Erkennt die Landesregierung mit Blick auf künftige Prüfungen Änderungsbedarf? Wie bewertet sie insbesondere die (nicht zuletzt von Schülern) an uns herangetragene Forderung, für A- und B-Kurse getrennte Prüfungsaufgaben zu erstellen? zu Frage 8: In der Antwort zu Frage 6 wurde bereits darauf verwiesen, dass das kritisierte Format der Prüfungsaufgaben als integrierte Prüfungsarbeit mit Aufgaben auf grundlegendem Niveau und Sternchen-Aufgaben auf erweitertem Niveau ein Ergebnis der Abstimmungen zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg zur Durchführung gemeinsamer Prüfungen ist. Die Wiedereinführung getrennter Prüfungsaufgaben für die jeweils unterrichteten Kursniveaus (A- und B-Kurse bzw. EBR- und FOR-Klassen an Oberschulen und Grund- und Erweiterungskurse an Gesamtschulen) in Brandenburg würde den Vereinbarungen mit dem Land Berlin widersprechen, eine gemeinsame Bildungsregion mit gemeinsamen Prüfungen am Ende der Jahrgangsstufe 10 zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Landesregierung nicht, das Format der Prüfungsaufgaben zu ändern.