Datum des Eingangs: 19.08.2016 / Ausgegeben: 24.08.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4935 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2000 der Abgeordneten Axel Vogel und Benjamin Raschke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/4819 Dublin-Verfahren an den Verwaltungsgerichten des Landes Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Die Dublin III Verordnung regelt die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten für Asylverfahren. Danach müssen Flüchtlinge ihren Asylantrag in der Regel in dem Mitgliedstaat stellen, in dem sie zum ersten Mal europäischen Boden betreten haben. Dies sind meist die Staaten an den Außengrenzen der EU wie Ungarn, Bulgarien, Griechenland oder Italien. Im Sommer 2015 hat die Bundesregierung von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 der Dublin III Verordnung Gebrauch gemacht und eine Leitlinie erlassen, die dazu führte, dass in der Regel bei Menschen, die aus Syrien nach Deutschland kommen, keine Dublin-Verfahren mehr durchgeführt werden. Begründet wurde die Maßnahme mit der drastischen humanitären Lage in Syrien einerseits und dem unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei Dublin-Verfahren andererseits , vgl. Regierungspressekonferenz vom 26. August 2015: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/ Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-26-regpk.html. Wenige Monate später wurde Presseberichten zufolge die Leitlinie wieder aufgehoben, vgl. https://www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge-syrien-dublin-verfahren-101.html. Das Asylsystem in Ungarn leidet unter erheblichen Mängeln. Den Asylsuchenden drohen dort Inhaftierung, Obdachlosigkeit und rassistische Übergriffe. Zuletzt entschied daher der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass ein syrischer Asylsuchender nicht nach Ungarn überstellt werden dürfe (VGH Baden-Württemberg vom 5. Juli 2016, AZ.: A 11 S 974/16). Bereits im Juli vergangenen Jahres hatte auch das Verwaltungsgericht Potsdam eine nahezu flächendeckende Inhaftierung von Dublin- Rückkehrerinnen und Rückkehrern in Ungarn festgestellt und in einem Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage eines syrischen Antragstellers angeordnet (VG Potsdam vom 3. Juli 2015 AZ.: VG 4 L 795/15.A). Auch in Bulgarien droht Rückkehrerinnen und Rückkehrern eine unmenschliche Behandlung, sodass Verwaltungsgerichte Abschiebeverbote feststellen (so zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016, AZ.: 2a K 2174/15.A). Das Dublin-Verfahren bindet damit nicht nur unnötig die Kapazitäten des BAMF, sondern auch die der Verwaltungsgerichte. Frage 1: Wie viele sogenannte Dublin-Verfahren waren in den vergangenen fünf Jahren an den Verwaltungsgerichten des Landes Brandenburg anhängig? Bitte für die Jahre 2012 bis 2016 und nach Verfahrensart (Eilverfahren/Klageverfahren) aufschlüsseln . zu Frage 1: Für die Verwaltungsgerichte Cottbus und Frankfurt (Oder) können die Fragen der Kleinen Anfrage nicht beantwortet werden, weil die bei diesen Gerichten anhängigen Dublin-Verfahren nicht gesondert statistisch erfasst wurden. Die bei dem Verwaltungsgericht Potsdam eingegangenen Dublin-Verfahren wurden dagegen seit 2014 erfasst, weil dies für die dort gewählte Geschäftsverteilung relevant ist. Für den Zeitraum bis Ende 2014 ist eine vollständige Erfassung dieser Verfahren auch für Potsdam nicht gewährleistet. Die folgenden Antworten betreffen demnach ausschließlich den Gerichtsstandort Potsdam. In dem Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 2. August 2016 sind mindestens 1.170 Klagen und 1.011 Eilverfahren betreffend „Dublin“-Verfahren eingegangen. Im Einzelnen: Jahre Klagen Eilverfahren 2012 / / 2013 8 / 2014 289 213 2015 628 576 2016 245 222 Frage 2: In wie vielen der in der Antwort auf die Frage 1 genannten Verfahren ging es um eine bevorstehende Dublin-Überstellung nach a) Ungarn? b) Bulgarien? Bitte jeweils für die Jahre 2012 bis 2016 und nach Verfahrensart (Eilverfahren /Klageverfahren) aufschlüsseln. Zu Frage 2: Die folgenden Angaben zu Frage Nr. 2 und 3 betreffend Überstellungen nach Ungarn bzw. Bulgarien sind – auch in Bezug auf das Verwaltungsgericht Potsdam - nicht vollständig, denn eine diesbezügliche Registrierung ist nicht verbindlich angewiesen worden. Für folgende Zahl von Dublin-Verfahren bei dem Verwaltungsgericht Potsdam ist vermerkt, dass sie eine Überstellung nach Ungarn oder Bulgarien betrafen: Jahre Klagen Klagen Eilverfahren Eilverfahren Ungarn Bulgarien Ungarn Bulgarien 2012 / / / / 2013 / / / / 2014 16 9 15 11 2015 146 24 119 24 2016 12 26 11 22 Frage 3: Wie viele der in der Antwort auf die Frage 2 genannten Dublin-Verfahren betrafen syrische Staatsangehörige? Bitte für die Jahre 2012 bis 2016 und nach Verfahrensart (Eilverfahren/Klageverfahren) aufschlüsseln. Zu Frage 3: Folgende Zahl von Dublin-Verfahren bei dem Verwaltungsgericht Potsdam mit Überstellung nach Ungarn oder Bulgarien betrafen syrische Staatsangehörige : Jahre Klagen Syrien Klagen Syrien Eilverfahren Syrien Eilverfahren Syrien Ungarn Bulgarien Ungarn Bulgarien 2012 / / / / 2013 / / / / 2014 7 4 8 5 2015 75 10 55 6 2016 4 11 4 12 Im Übrigen wird auf Satz 1 der Antwort auf Frage 2 Bezug genommen. Frage 4: In wie vielen der in der Antwort auf die Frage 2 genannten Eilverfahren wurde eine aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet? Bitte für die Jahre 2012 bis 2016 und nach Gerichtsstandort aufschlüsseln. Zu Frage 4: In folgender Zahl von Fällen der in Frage 2 genannten Eilverfahren wurde durch das Verwaltungsgericht Potsdam die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet : Jahre Eilverfahren Ungarn Eilverfahren Bulgarien 2012 / / 2013 / / 2014 4 2 2015 75 2 2016 8 6 Frage 5: In wie vielen der in der Antwort auf die Frage 2 genannten Klageverfahren wurde die Klage abgewiesen? Bitte für die Jahre 2012 bis 2016 und nach Gerichtsstandort aufschlüsseln. Zu Frage 5: In folgender Zahl von Fällen der in Frage 2 genannten Klageverfahren wurde durch das Verwaltungsgericht Potsdam die Klage abgewiesen: Jahre Klagen Ungarn Klagen Bulgarien 2012 / / 2013 / / 2014 2 2 2015 7 6 2016 / / Frage 6: Wie lang ist die durchschnittliche Verfahrensdauer von Dublin-Verfahren an den Verwaltungsgerichten des Landes Brandenburg? Bitte für die Jahre 2012 bis 2016 und nach Verfahrensart (Eilverfahren/Klageverfahren) aufschlüsseln. Zu Frage 6: Beim Verwaltungsgericht Potsdam besteht folgende durchschnittliche Verfahrensdauer der Dublin-Verfahren: Jahre Klagen Eilverfahren 2012 / / 2013 / / 2014 8,6 1,5 2015 5,2 1,7 2016 1,6 1,0