Datum des Eingangs: 22.08.2016 / Ausgegeben: 29.08.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/4946 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1970 des Abgeordneten Gordon Hoffmann CDU-Fraktion Drucksache 6/4734 Gewalt an Brandenburger Schulen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: In Brandenburg hat es in der Vergangenheit immer wieder Fälle von Gewalt an Schulen gegeben. Vorbemerkung: Die Schule hat den Bildungsauftrag, jeglicher Form von Gewalt aktiv entgegenzuwirken. Gewalt an Schulen – psychische wie physische – wird als völlig inakzeptabel betrachtet. Neben den vorgeschriebenen Notfallinterventionen müssen Schulen immer wieder geeignete Präventionsstrategien entwickeln, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Besteht gegen Schülerinnen oder Schüler der Verdacht einer strafbaren Handlung, hat die Schulleitung zu prüfen, ob die pädagogischen Maßnahmen ausreichen oder ob wegen der Schwere der Tat eine Anzeige an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgen muss. Grundlage der nachfolgenden quantitativen Analyse bildet die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Landes Brandenburg . Bei der PKS handelt es sich um eine sogenannte Ausgangsstatistik, welche bundeseinheitlich durch die PKS-Richtlinien geregelt wird. Für die Berichterstattung zur Gewalt an Schulen im Land Brandenburg werden die der Polizei bekannt gewordenen Straftaten als Grundlage genommen. Als Recherchekriterien für die vorliegende Berichterstattung wurden das Land Brandenburg als Territorialstruktur sowie die folgenden Tatörtlichkeiten festgelegt: Schule, Schulhof, Öffentliche Schule, Private Schule, Turnhalle, Sport-/Turnhalle. Unter dem Begriff Gewaltstraftaten wurden für die Berichterstattung Straftaten gegen das Leben; Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung; Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer ; Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie gefährliche, schwere und vorsätzliche einfache Körperverletzung ausgewählt. Eine unterjährige Darstellung der PKS- Daten für das Jahr 2016 wurde nicht vorgenommen. Gemäß einer Vereinbarung der Ständigen Konferenz der Innenministerinnen und -minister und Innensenatorinnen und -senatoren von Bund und Ländern (IMK) soll eine unterjährige Veröffentlichung von PKS-Daten unterbleiben. Das liegt insbesondere darin begründet, dass die PKS- Zahlen eines Berichtsjahres erst im darauffolgenden Jahr (Jahresanfang) endgültig feststehen und unterjährig erhobene Daten nicht valide sind. Insofern werden ausschließlich die Fallzahlen für die Kalenderjahre 2014 und 2015 dargestellt. Frage1: Wie viele Gewaltvorfälle an Brandenburger Schulen und in welchen Deliktbereichen sind der Landesregierung in den Schuljahren 2014/2015 sowie 2015/2016 bekannt? (wenn nicht anders möglich, bitte nach Kalenderjahren inkl. ggf. vorläufiger Daten für 2016 angeben) zu Frage 1: Die Landesregierung konzentriert sich bei der Zusammenstellung der Gewaltvorfälle ausschließlich auf polizeilich bekannt gewordene Straftaten. Die Erfassung dieser Vorfälle ist in ihrer Quantität und Qualität vom jeweiligen Anzeigeverhalten abhängig. Für Berichterstattungen zum Bereich „Gewalt an Schulen“ werden folgende „Gewaltstraftaten“ aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ausgewählt: Straftaten gegen das Leben, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Raubstraftaten, Misshandlung von Kindern und Schutzbefohlenen sowie gefährliche, schwere und vorsätzliche (leichte) Körperverletzungen. Tabelle 1: Gewaltstraftaten nach Deliktsbereichen Quelle: PKS Land Brandenburg Frage 2: Wie viele Fälle von Gewalt gegen Lehrer sind der Landesregierung in diesem Zeitraum in Brandenburg bekannt? zu Frage 2: Tabelle 2: Gewaltstraftaten gegen Lehrerinnen und Lehrer Deliktsbereich 2015 2014 Straftaten gegen das Leben 0 0 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 0 0 Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer 0 0 Misshandlung von Schutzbefohlenen 0 0 Gefährliche und schwere Körperverletzung 5 5 Vorsätzliche einfache Körperverletzung 38 33 Gewaltstraftaten insgesamt 43 38 Quelle: PKS Land Brandenburg Frage3: Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der Gewalt an Brandenburger Schulen? Deliktsbereich 2015 2014 Straftaten gegen das Leben 0 0 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 24 18 Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer 13 11 Misshandlung von Schutzbefohlenen 11 6 Gefährliche und schwere Körperverletzung 116 148 Vorsätzliche einfache Körperverletzung 490 476 Gewaltstraftaten insgesamt 654 659 zu Frage 3: Während die Fallzahlen für Gewaltstraftaten an Schulen in den Jahren 2014 und 2015 annähernd auf gleichem Niveau lagen (Rückgang von 5 Fällen), ist für Gewaltstraftaten gegen Lehrerinnen und Lehrer im Vergleich 2014 zu 2015 ein Anstieg (um 5 Fälle) zu verzeichnen. Den Schwerpunkt bei den festgestellten Gewaltstraftaten bilden weiterhin einfache Körperverletzungsdelikte. Unabhängig von den aus der Statistik abzulesenden Tendenzen bleibt das Thema Gewaltprävention ein Schwerpunkt pädagogischer Schulentwicklung und tangiert verschiedene Bereiche des Schulprogramms. Vielfältige Maßnahmen, die einem wertschätzenden und beziehungsreichen Klima an der Schule, der stärkeren Beteiligung und Verantwortungsübernahme von Kindern und Jugendlichen, der Entwicklung von schulischen Konfliktlösungsstrategien, einem hohen Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler sowie der Verbesserung der Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte dienen, leisten auch einen Beitrag zur Gewaltprävention. Frage 4: Wie viele Partnerschaften zwischen Schulen und der Polizei gibt es derzeit an Brandenburger Schulen, und wie haben sie sich im erfragten Zeitraum entwickelt? zu Frage 4: Zum Ende des Schuljahres 2015/2016 bestanden insgesamt 843 Schulpartnerschaften im Sinne des Gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport „Partnerschaften Polizei und Schule – Kooperation bei Kriminal- und Verkehrsunfallprävention und Notfallplanung“ vom 10. Mai 20131. Gegenüber dem Schuljahr 2014/2015 gab es somit eine Schulpartnerschaft weniger. Frage 5: Wie viele Veranstaltungen hat a) die Polizei, b) das LISUM und c) die RAA mit welchen jeweiligen Schwerpunkten an Brandenburger Schulen durchgeführt, und wie haben sich diese Zahlen im erfragten Zeitraum entwickelt? zu Frage 5: Nachfolgend wird u. a. zu den polizeilichen Maßnahmen in 2015 und 2016 berichtet. Im Zusammenhang mit den Präventionsveranstaltungen im Jahr 2014 wird auf die Antwort der Landesregierung zur Frage 9a der Kleinen Anfrage 183 vom 10.02.2015 (Drucksache 6/596) verwiesen. a) Die im Rahmen der Kriminalprävention durchgeführten polizeilichen Maßnahmen an Schulen umfassen insbesondere Gewaltprävention, Drogenprävention, Schutz gegen Kriminalität rund um das Internet und bei digitalen Medien und Verhalten gegenüber Fremden. Die polizeilichen Maßnahmen innerhalb der Verkehrsunfallprävention an Schulen bleiben im Rahmen dieser Antwort ausgeklammert. Jahr 2015 Primarbereich: 561 Gewaltpräventionsveranstaltungen 315 Veranstaltungen zum Thema „Neue Medien/Jugendmedienschutz 555 Veranstaltungen zu den Themen „Drogenprävention“ und „Verhalten gegenüber Fremden“. Sekundarbereich I: 169 Gewaltpräventionsveranstaltungen 141 Veranstaltungen zum Thema „Neue Medien/Jugendmedienschutz“ 326 Veranstaltungen zum Thema „Drogenprävention“. 1 http://www.mik.brandenburg.de/media_fast/4055/Erlass_Schulpartnerschaft.pdf Sekundarbereich II: 23 Gewaltpräventionsveranstaltungen 11 Veranstaltungen zum Thema „Neue Medien/Jugendmedienschutz“ 40 Veranstaltungen zum Thema „Drogenprävention“. Zeitraum 01.01. – 30.06.2016 Primarbereich: 372 Gewaltpräventionsveranstaltungen 211 Veranstaltungen zum Thema „Neue Medien/Jugendmedienschutz“ 374 Veranstaltungen zu den Themen „Drogenprävention“ und „Verhalten gegenüber Fremden“. Sekundarbereich I: 119 Gewaltpräventionsveranstaltungen 58 Veranstaltungen zum Thema „Neue Medien/Jugendmedienschutz“ 219 Veranstaltungen zum Thema „Drogenprävention“. Sekundarbereich II: 8 Gewaltpräventionsveranstaltungen 4 Veranstaltungen zum Thema „Neue Medien/Jugendmedienschutz“ 13 Veranstaltungen zum Thema „Drogenprävention“. b) Die Aufgabe des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) ist es, Konzepte für Schulberaterinnen und -berater sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu entwickeln und diese Lehrkräfte entsprechend zu qualifizieren. Gewaltprävention bildet sich thematisch in einer Reihe von fachlichen Bezügen im Rahmenlehrplan ab und ist im Wesentlichen auf die Entwicklung sozialer und personeller Kompetenzen ausgerichtet. Lerngelegenheiten für einen gewaltfreien Umgang miteinander, geeignete Konfliktlösungsstrategien und die Entwicklung von Empathieund Reflexionsfähigkeit finden sich in allen Unterrichtsfächern. Der Rahmenlehrplan beschreibt sowohl den (über-)fachlichen Kontext als auch die Anknüpfungspunkte der einzelnen Fächer an das Thema genauer. Zur Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer in ihrer praktischen Arbeit werden über das LISUM Handreichungen und Materialien empfohlen und ggf. erarbeitet. Das LISUM stellt den Schulen in der Bildungsregion Berlin-Brandenburg beispielsweise eine Anti-Gewalt Fibel zur Verfügung (Arbeitshilfe bei schulischen Gewaltsituationen)2. Die Berlin-Brandenburger Anti -Gewalt-Fibel ist ein kommentiertes Nachschlagewerk, das Schulleitungen und Lehrkräfte unterstützt, präventiv oder auch aus aktuellem Anlass konstruktiv gegen psychische und physische Gewalt vorgehen zu können. c) Die Unterstützung von Schulen bei der Gewaltprävention und der Förderung sozialer Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler gehört seit vielen Jahren zu den Schwerpunkten der schulbegleitenden Arbeit der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung , Integration und Demokratie (RAA) im Land Brandenburg. In Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport stellen die Schulberaterinnen und - berater der RAA Brandenburg Unterstützungsleistungen im Bereich der Gewaltprävention für ganz Brandenburg zur Verfügung. Die Angebote der RAA bestehen aus Fortbildungen und Fachtagen, Beratung von Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern, Begleitung von Schulentwicklungsprozessen und der Unterstützung von Lehrkräften 2 http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/antigewaltfibel.html bei der Umsetzung von schulischen Projekten mit Schülerinnen und Schülern (Projektbegleitung ). Für die erfragten Zeiträume liegen nachfolgend dargestellte Zahlen für 2014/2015 vor. Für den Zeitraum 2015/2016 sind aktuell die Zahlen des 1. Schulhalbjahres bekannt. 2014/2015 Beratung: 118 kurz- und langfristige Beratungen Fortbildung: 41 Stunden mit 80 Teilnehmenden Projektbegleitung: 105 Stunden mit 265 Teilnehmenden. Ein zusätzlicher Schwerpunkt im Schuljahr 2014/2015 war der mit dem Landespräventionsrat und der Polizeidirektion Süd vorbereitete und durchgeführte Fachtag: „Wissen schützt – Handlungssicherheit im Umgang mit akuten Krisensituationen in der Schule“ am 05.11.2014 im OSZ II des Landkreises Spree-Neiße in Cottbus, an dem mehr als 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Schulen und der Polizei teilgenommen haben. 2015/2016 (1. Schulhalbjahr) Beratung: 149 kurz- und langfristige Beratungen Fortbildung: 60 Stunden mit 174 Teilnehmenden Projektbegleitung: 74 Stunden 358 Teilnehmenden. Die RAA Brandenburg bietet zudem Fortbildung und Beratung, Prozessbegleitung und Umsetzung von schulischen Projekten mit Schülerinnen und Schülern für den Bereich der Entwicklung einer demokratischen Schulkultur an. Auch diese Fortbildungen und die Gestaltung einer demokratischen Schulkultur haben in weiten Teilen gewaltpräventive Funktionen: 2014/2015 Beratung: 89 kurz- und langfristige Beratungen Fortbildung: 43 Stunden mit 120 Teilnehmenden Projektbegleitung: 56 Stunden mit 154 Teilnehmenden. 2015/2016 (1. Schulhalbjahr) Beratung: 214 kurz- und langfristige Beratungen Fortbildung: 75 Stunden mit 402 Teilnehmenden Projektbegleitung: 45 Stunden mit 272 Teilnehmenden. Wie die Datenlage erkennen lässt, haben sich die Beratungs- und Fortbildungsanfragen verändert, was jedoch keine unmittelbaren Rückschlüsse auf ab- oder zunehmende Gewaltproblematiken an brandenburgischen Schulen erlaubt. Der absolute Anstieg der Beratungsanfragen von 89 auf 214 erklärt sich durch die Änderung der statistischen Erfassung, mit dem stetig wachsenden Bekanntheitsgrad der Unterstützungsangebote der RAA und mit der stetig zunehmenden Sensibilität der Lehrkräfte im Umgang mit (möglichen) Gewaltproblematiken. Resümieren lässt sich eine Zunahme kürzerer Beratungen, während die Inanspruchnahme langfristiger prozesshafter Beratungen zurückgegangen ist.