Datum des Eingangs: 08.09.2016 / Ausgegeben: 13.09.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5044 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1914 der Abgeordneten Marie Luise von Halem der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/4615 Nachfragen zur Kleinen Anfrage „Kinderschutz in Kinderbetreuungseinrichtungen “ (Drs. 6/4407) Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: In der Antwort auf Frage 1 ist der Anstieg von 8 Meldungen im Jahr 2012 auf 56 Meldungen im Jahr 2015 thematisiert worden. In welchem Maße haben sich die Personalressourcen in der obersten Landesjugendbehörde in diesem Zeitraum entwickelt bzw. werden sich zukünftig entwickeln? Wie gestaltet sich die Reaktionszeit? zu Frage 1: In dem vorgenannten Zeitraum sind die Personalressourcen, abgesehen von einer temporär zur Verfügung stehenden sog. Nachwuchsstelle, grundsätzlich unverändert geblieben (sieben Stellen). Mit dem Wirksamwerden eines kw-Vermerks zum 31.12.2017 im Zuge der Umsetzung der Personalbedarfsplanung fällt im Bereich der Kita-Aufsicht zum Ende des Jahres 2017 eine Stelle weg. Der Wegfall dieser Stelle wird sich zukünftig auf die Möglichkeiten der Bearbeitung der Vorgänge bezogen auf die Bearbeitungszeiten und die Intensität der Bearbeitung auswirken. Seit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes 2012, mit dem gleich mehrere Regelungen im SGB VIII geändert wurden, haben sich die Arbeitsaufgaben der Einrichtungsaufsicht mit weiteren Anforderungen an Aufsicht und Beratung zu Fragen des Kinderschutzes und der Kindeswohlsicherung weiterentwickelt. Dabei bilden die Vorfälle, die meldepflichtige Sachverhalte umfassen, nur einen Teil der Aufgaben der Kita-Aufsicht und betten sich in den Gesamtrahmen der Aufgabenwahrnehmung ein. Hierzu zählen u.a. die Erfassung von Personalveränderungsmeldungen, die Erteilung von Betriebserlaubnissen für neue bzw. veränderte Einrichtungen, die Überprüfung von anlass- und einrichtungsbezogenen Genehmigungsauflagen, Stellungnahmen für Baumaßnahmen bei Um- und Neubauten von Kindertageseinrichtungen sowie die Prüfung und Bescheidung für Quer- und Seiteneinsteiger auf der Basis der seit 2010 erweiterten Zugänge im Rahmen der Kita-Personalverordnung. Seit dem Inkrafttreten der Veränderungen wurden bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ca. 3.300 Bescheide erstellt, die sich auf etwa 3.000 Personen beziehen, die über den Quereinstieg in das Feld der Kindertagesbetreuung einsteigen konnten und damit den gegenwärtigen Fachkräftebedarf ergänzend abdecken. Reaktionszeiten und Bearbeitungsumfang hängen vorwiegend von der Art des Vorgangs ab. Eine statistische Erfassung der Bearbeitungsdauer erfolgt allerdings nicht. Selbstverständlich werden die Vorgänge, bei denen es um mögliche Gefährdungen des Wohls der Kinder geht, mit Vorrang behandelt und zeitnah bearbeitet. Bei Anträgen zur Erteilung einer Betriebserlaubnis oder einer Beantragung zur Kapazitätsveränderung einer Einrichtung kann es demzufolge punktuell zu zeitlichen Verzögerungen kommen. Frage 2: Wie aufwändig (zeitlich und personell) sind solche Prüfungen der Meldungen, wie sie in der Antwort auf Frage 2 skizziert werden? zu Frage 2: Wie in der Antwort zu Frage 1 dargestellt, ist der Bearbeitungsaufwand höchst unterschiedlich. Er hängt wesentlich vom Sachverhalt, vom Beschwerdeführer und von der Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der beteiligten Personen ab. Zunehmend – vermutlich auch im Zusammenhang mit der öffentlichen Berichterstattung über Vorfälle – wenden sich Eltern mit Beschwerden über einzelne Pädagoginnen/Pädagogen, ganze Teams oder über Träger an die oberste Landesjugendbehörde. Die Eltern nutzen diese verstärkt als allgemeine Beschwerdeinstitution für Probleme mit der Betreuung ihrer Kinder in den Einrichtungen. Dabei werden Vorwürfe einer eventuellen Kindeswohlgefährdung verbunden mit Beschwerden über die Qualität von Einrichtungen oder Anfragen und Beschwerden über Träger von Einrichtungen zu konkreten räumlichen Betreuungsbedingungen, zum Personaleinsatz und -wechsel, wegen vermeintlicher gesundheitlicher Gefährdungen, Aufsichtspflichtvernachlässigungen u.a.m. angezeigt. Im Vergleich zu standardisierten Verwaltungsvorgängen, wie sie bspw. die Einrichtungsträger über einen (Änderungs-)Antrag zur Betriebserlaubnis stellen, ist der Zeitaufwand bei Elternbeschwerden zumeist größer, weil im Rahmen der Beratung auch über die Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und konkreten Ansprechpartner der jeweiligen Kindertageseinrichtung informiert und vermittelt werden muss. Handelt es sich dabei um konfliktbeladene Vorfälle, können sich diese über mehrere Wochen und in Einzelfällen sogar Monate hinziehen und dabei anfänglich regelmäßig und später punktuell eine Begleitung durch die Kita-Aufsicht erforderlich machen. Die Aufsichtsführung lässt sich in Präventivaufsicht und Interventionsaufsicht unterscheiden. Maßnahmen der Eingriffsverwaltung erfolgen erst dann, wenn der Träger selbst nicht in der Lage oder bereit ist, die entsprechenden Maßnahmen zur Kindeswohlsicherung zu ergreifen. Die Selbstständigkeit und Verantwortung des Trägers in Zielsetzung und Durchführung seiner Aufgaben bleiben soweit möglich unberührt, sofern das Wohl von Kindern nicht gefährdet und direktes Handeln des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport erforderlich ist. Mängel zeigen sich vor allem im Zuge einer örtlichen Prüfung gemäß § 46 SGB VIII oder im Rahmen der Meldungen gemäß § 47 SGB VIII. Zeigt sich dabei, dass ein Träger seiner Verantwortung nicht gerecht wird, hat die Aufsichtsbehörde die Möglichkeit und die Verpflichtung, im Rahmen der Eingriffsverwaltung tätig zu werden. Bei der Feststellung von eingetretenen oder drohenden Beeinträchtigungen oder Gefährdungen des Wohls der Kinder oder Jugendlichen in einer Einrichtung wird ein abgestuftes Verfahren eingeleitet. Dieses Verfahren kann folgende Maßnahmen umfassen: Beratung, nachträgliche Auflagen (Sonderauflage Tätigkeitsuntersagung nach § 48 SGB VIII) und Entzug der Betriebserlaubnis mittels Widerruf oder Rücknahme. Der grobe Ablauf ist nach einer eingegangenen Meldung wie folgt und wird durch Kommunikationsprozesse begleitet: - Kontaktaufnahme zum Träger der Einrichtung, - Aufforderung zur Darstellung des Sachverhaltes und ggf. Stellungnahme, - optional: örtliche Prüfung, - Beratung/Begleitung des Trägers zur Sachverhaltsklärung und ggf. Einleitung geeigneter Maßnahmen, - Prüfung zur Notwendigkeit der Auflagenerteilung. Frage 3: In der Antwort auf Frage 4 wird von Unterstützungen nach dem anfallenden Bedarf durch das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport geschrieben. Wie hoch ist der Bedarf, der a) von den Jugendämtern, b) durch die Träger, c) durch die Kinderbetreuungseinrichtungen und d) durch die Eltern formuliert wird? zu Frage 3: Eine statistische Erhebung oder ein Monitoring der Bearbeitung einzelner Vorgänge und damit der zielgruppenspezifische Beratungsbedarf bzw. -aufwand erfolgen nicht. Eine nachträgliche Sichtung der Akten legt den Schluss nahe, dass im Rahmen des Kinderschutzes vorrangig Einrichtungsträger zu Kinderschutzkonzepten im Rahmen von § 85 Abs. 2 Nr. 7 i. V. mit § 45 SGB VIII beraten werden. Die Zielgruppe der pädagogischen Fachkräfte wird durch die Organisation bzw. Koordination von Fortbildungen (bspw. über das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg) oder mittelbar über die Information der Fachgruppe der Praxisberater/-innen erreicht. Daneben existieren weitere Gremien, z. B. der Unterausschuss Kindertagesbetreuung des Landes-Kinder- und Jugendausschusses. Frage 4: Weiterhin wird in der Antwort auf die Frage 4 von einem Empfehlungspapier der BAGLJÄ (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter) über „Kinderschutzkonzepte für das Handeln der Fachkräfte in der Kita“ geschrieben. Wird dieses Empfehlungspapier an die Kinderbetreuungseinrichtungen in Brandenburg verschickt und wird es dazu Fortbildungen geben? zu Frage 4: Die „Handlungsleitlinien für Kinderschutzkonzepte zur Prävention und Intervention in Kindertageseinrichtungen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter (BAGLJÄ) wurden über die bewährten Wege an die Praxis weitergeleitet, d. h. in Form der Information der verschiedenen Akteursgruppen, u.a. auch der Praxisberater/-innen, die im regelmäßigen Austausch mit den Kindertageseinrichtungen stehen. Zudem erfolgt die Bereitstellung des Papiers über die Internetseite1, die sich insbesondere für die Fachpraxis als langjährige Informationsquelle bewährt hat. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport veröffentlichte am 6. Juli 2016 eine Pressemitteilung zum Beschluss der Handlungsleitlinien der BAGLJÄ2. Regelmäßig wird in Gremien und mit Jugendämtern sowie gezielt in Fachveranstaltungen der verschiedenen Akteursgruppen auf die aktuellen Empfehlungen aufmerksam gemacht. Frage 5: Wie oft wenden sich Eltern direkt an die Landesregierung und wie zeitaufwändig sind diese Vorgänge, führen sie zu einer Lösung sind die Eltern mit der Bearbeitung zufrieden? 1 http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.449222.de 2 http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/media.php/5527/81_16_kita_praevention_baglj_160706.pdf zu Frage 5: Eine statistische Erhebung oder ein Monitoring zu Fallzahlen und zum Umfang erfolgt seitens der Landesregierung nicht. Wie in der Antwort zu Frage 2 bereits dargestellt, hat sich das Beschwerdeverhalten von Eltern deutlich verändert. Den Eltern, die sich an das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport wenden, wird einerseits vermittelt, dass ihre Sorgen und Bedenken ernst genommen werden. Gleichzeitig muss den Eltern auch vermittelt werden, dass Fragen und Konflikte zuerst in der Einrichtung und dann mit dem Träger zu besprechen und möglichst zu klären sind. Häufig ist es die vorrangige Aufgabe der aufsichtsführenden Behörde, solche Dialoge anzuregen und soweit nötig zu begleiten. Vor der direkten Wahrnehmung der Aufsicht durch Auflagen oder andere Verwaltungsakte steht das Hinwirken auf einvernehmliche Lösungen, auch bei der Bearbeitung von Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdung, an vorderster Stelle der obersten Landesjugendbehörde. Frage 6: Das 2012 überarbeitete Bundeskinderschutzgesetz bindet beispielsweise die Betriebserlaubnis einer Kindertagesstätte daran, dass die Kita ein eigenes Konzept für den Schutz von Kindern vor Gewalt festgeschrieben hat. Wie hoch ist der Anteil der Kindertagesstätten in Brandenburg die bei den aktuellen Prüfungen ein solches Konzept vorlegen? Wie beurteilt die Landesregierung die eingereichten Konzepte auf ihre Wirksamkeit? zu Frage 6: Die Anzahl der Kindertageseinrichtungen mit aktuellen Schutzkonzepten wächst seit 2012 kontinuierlich, da bei sämtlichen Verfahren, in denen die Konzeption vorgelegt werden muss, geprüft wird, dass die Beschwerdeverfahren und die Beteiligung von Kindern im Rahmen von Erlaubnisverfahren gemäß § 45 SGB VIII in der pädagogischen Konzeption verankert sind. Erfüllen die Träger die Anforderungen nicht in geeigneter Weise, so können diese gemäß den gesetzlichen Vorschriften eine Beratung zur Weiterentwicklung, u. a. zum Kinderschutzkonzept und zu Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung, in Anspruch nehmen. Den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe obliegen hierbei nach § 22a (Förderauftrag) und § 79a (Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe) SGB VIII die Weiterentwicklung, Anwendung und Überprüfung zur Sicherstellung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe; sie nehmen daher eine zentrale Rolle im Zusammenwirken mit der obersten Landesjugendbehörde ein. Zur Wirksamkeit der Schutzkonzepte in Kindertageseinrichtungen lassen sich folgende, positiv wirkende Aspekte und Merkmale, für die die Einrichtungsträger letztlich hoheitlich zuständig und verantwortlich sind, identifizieren: Implementation im Alltag der Einrichtung, eine positive Einrichtungskultur, regelmäßige Fortschreibung der pädagogischen Konzeption und diesbezügliche Fortbildungen der Mitarbeiter. Frage 7: Aus welchen Gründen wollten die Ministerpräsidenten sich auf ihrer Konferenz am 11. Dezember 2014 nicht auf einheitliche Standards für Kindertagesstätten einigen? zu Frage 7: Die Ministerpräsidentenkonferenz trifft ihre Beschlüsse grundsätzlich einstimmig. Soweit sie finanzwirksam sind, ist die Einstimmigkeit zwingend. Zur Herbeiführung eines Beschlusses über die Entwicklung bundesweit einheitlicher Standards hätte es der Zustimmung aller Länder bedurft. Diese war nicht gegeben. Da Details der Besprechungen der Regierungschefinnen und -chefs nicht protokolliert werden, kann zu den Gründen für die Ablehnung nichts gesagt werden.