Datum des Eingangs: 23.09.2016 / Ausgegeben: 28.09.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5156 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2066 der Abgeordneten Steeven Bretz, Henryk Wichmann und Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/4987 Bleileitungen im Trinkwassernetz der Stadt Potsdam Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Bereits im Jahr 2001 wurde der Grenzwert für Blei von 0,025 mg/l auf 0,01 mg/l abgesenkt. Nur bis zum 30.11.2013 ermöglichte eine Übergangsfrist weiterhin einen Grenzwert von 0,025 mg/l, um den Wasserversorgern die Möglichkeit zu geben, einen Austausch der Bleirohrleitungen vorzunehmen . Vorbemerkung der Landesregierung: Zum Sachverhalt wird nachfolgende Information zur Grenzwertsetzung für den Parameter Blei gemäß Trinkwasserverordnung gegeben : Vom 1. Januar 1991 bis zum 30. November 2003 betrug der Grenzwert 0,04 mg/l. Vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. November 2013 war ein Grenzwert in Höhe von 0,025 mg/l festgelegt. Ab 1. Dezember 2013 beträgt der Grenzwert 0,010 mg/l. In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1909 war auf eine Abfrage bei den Gesundheitsämtern mit Terminstellung 31. August 2016 hingewiesen worden. Zur Beantwortung der vorliegenden Kleinen Anfrage werden die Informationen des Gesundheitsamtes der Stadt Potsdam verwendet. Frage 1: Welche Gesundheitsgefahren gehen von Blei aus? zu Frage 1: Dieselbe Fragestellung war bereits mit der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1790, hier Frage 2, beantwortet worden (siehe LT Drs. 6/4435). Die akute Toxizität von Blei ist gering. Bei einer chronischen Exposition stehen neurotoxische Effekte im Vordergrund. Frühe Entwicklungsstadien des Nervensystems und deshalb Säuglinge und Kleinkinder gelten gegenüber Blei als besonders empfindlich. Eine Bleibelastung über Trinkwasserrohrleitungen aus Blei ist vermeidbar . Vor diesem Hintergrund ist der Austausch von Trinkwasserhausanschlüssen , bei denen Blei verwendet wird, zwingend. Frage 2: Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zur Lage des Trinkwassernetzes in der Stadt Potsdam hinsichtlich des Einsatzes von Bleirohren vor? Frage 3: Wie viele Leitungen und Trinkwasserhausanschlüsse aus Blei hat es in Potsdam jeweils in den Jahren 2013 bis 2016 sowohl im öffentlichen Bereich des Trinkwassernetzes als auch auf den privaten Grundstücken gegeben? Auf welche Stadtteile waren bzw. sind diese verteilt? zu Fragen 2 und 3: In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1909 (LT Drs. 6/4823) war auf eine Abfrage bei den Gesundheitsämtern des Landes Brandenburg zum Vorkommen von Blei in der Trinkwasserverteilung mit Terminstellung 31. August 2016 hingewiesen worden. Im Hinblick auf das Ergebnis dieser Abfrage mit Bezug zur Stadt Potsdam und wegen der detaillierten Fragestellung werden die Fragen 2 und 3 gemeinsam beantwortet. In Bereichen, in denen Trinkwasser an die Öffentlichkeit abgegeben wird (Krankenhäuser, Altenheime, Schulen, Kindertagesstätten , Gemeinschaftsunterkünfte u. a.), sind keine Bleirohre vorhanden. Auf privaten Grundstücken sind aktuell noch ca. 200 Hausanschlüsse im Wasserversorgungsgebiet der Stadt Potsdam vorhanden, bei denen die Anschlussleitung entweder komplett oder noch in Teilen aus Bleirohr besteht. Davon befinden sich ca. 100 Anschlüsse als Bauaufträge bei der bauausführenden Abteilung des Wasserversorgers. Ziel ist es, die restlichen ca. 100 Anschlüsse bis zum Ende des Jahres 2016 auszuwechseln . Diese Zeitangabe steht unter Vorbehalt, da nicht alle Grundstückseigentümer sofort eine Betretungserlaubnis erteilen oder die Anhörung bestätigen. Von den ursprünglich 800 Grundstücksanschlüssen aus Bleirohr wurden bis jetzt ca. 600 Anschlüsse erneuert. Frage 4: Warum unterblieb der fristgerechte Austausch der Leitungen und Trinkwasserhausanschlüsse aus Blei in der zehnjährigen Übergangsfrist (bitte abfragen)? zu Frage 4: Nach der Satzung über die öffentliche Wasserversorgung der Landeshauptstadt Potsdam vom 18. April 2013 stellt der Grundstücksanschluss die Verbindung zwischen der Versorgungsleitung und der privaten Hausinstallationsanlage dar. Der Grundstücksanschluss stellt eine Betriebsanlage der Landeshauptstadt Potsdam dar, ohne Bestandteil der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu sein. Der Aufwand für die Erneuerung des Grundstücksanschlusses an die zentrale Wasserversorgungsanlage ist der Landeshauptstadt Potsdam zu ersetzen. Für den Grundstückseigentümer kann von einer Kostenbelastung in Höhe von ca. 2.000,- € ausgegangen werden. Da eine Vielzahl von Grundstückseigentümern diesem Kostenersatzanspruch widersprochen hat, wurde in vielen Fällen der Austausch der Hausanschlussleitungen verzögert. Weiterhin führte die Verweigerung zum Betreten des Grundstückes oder zur Anhörung dazu, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten wurde. Frage 5: Bis wann sollen die noch vorhandenen Leitungen und Trinkwasserhausanschlüsse aus Blei ausgetauscht werden (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtteilen)? zu Frage 5: Die letzten 100 Trinkwasserhausanschlüsse sollen noch bis zum Ende des Jahres 2016 ausgetauscht werden, wenn der Vorbehalt (siehe Antwort Frage 3) dem nicht entgegensteht. Frage 6: Ist der Wasserversorger in Potsdam seinen Informationspflichten aus § 21 Absatz 1 der Trinkwasserverordnung vollumfänglich nachgekommen? Falls ja, in welcher Form? Falls nein, warum nicht? zu Frage 6: Im Ergebnis der o. g. Abfrage wurde vom Gesundheitsamt der Stadt Potsdam dazu ausgeführt, dass die betroffenen Grundstückseigentümer mit Schreiben aus den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2015 über den Sachverhalt informiert und auf eine gegebenenfalls bestehende Informationspflicht gemäß Trinkwasserverordnung hingewiesen wurden. Durch den Wasserversorger (Energie und Wasser Potsdam GmbH – EWP) erfolgte ein wiederholtes Anschreiben der Eigentümer im Vorfeld der jeweiligen Grundstücksbegehungen zur Bestandsaufnahme. Frage 7: Welche rechtlichen Folgen schließen sich für den Wasserversorger und die Stadt Potsdam bei einem Verstreichenlassen der Übergangsfrist bis zum 30.11.2013 an? a) Welche rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen gelten für die Informationspflicht aus § 21 Absatz 1 der Trinkwasserverordnung bei Leitungen und Trinkwasserhausanschlüssen aus Blei sowohl im öffentlichen Bereich des Trinkwassernetzes als auch auf den privaten Grundstücken? b) Welche rechtlichen Folgen schließen sich bei einem Verstoß gegen die Informationspflicht an? c) Welche strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Voraussetzungen und Folgen knüpfen sich an eine Überschreitung der Grenzwerte für Blei von 0,025 mg/l und 0,01 mg/l bis zum und nach dem 30.11.2013 an (für Bleiwerte unter und über 0,050 mg/l)? d) Kann die Staatsanwaltschaft ab einer bestimmten Höhe des Überschreitens des Grenzwertes für Blei von einem Anfangsverdacht ausgehen? e) Welche zivilrechtlichen Ansprüche bzw. öffentlichen Rechte können Grundstückseigentümer und Mieter bei Überschreitungen der Grenzwerte für Blei und bei einem Informationspflichtenverstoß gegen den Wasserversorger oder der Stadt geltend machen? f) Welche zivilrechtlichen Ansprüche kann ein Mieter gegen einen Vermieter bzw. den Grundstückseigentümer geltend machen, wenn dieser die Bleileitungen nicht ausgetauscht hat? zu Frage 7: Sollte der Wasserversorger in seinem Verantwortungsbereich Trinkwasser an Verbraucher abgeben oder zur Verfügung stellen, das den vorgegebenen Grenzwert ab dem 1. Dezember 2013 für Blei in Höhe von 0,010 mg/l überschreitet und dies vorsätzlich oder fahrlässig geschehen, so stellt dies eine Straftat dar. Mit dem Nachkommen der Informationspflicht gegenüber den betroffenen Verbrauchern kann allerdings ein Vorsatz oder Fahrlässigkeit nicht mehr unterstellt werden. Durch die betroffenen Verbraucher können Maßnahmen zum individuellen Selbstschutz ergriffen werden. Für solche Fälle wird eine Verwendungseinschränkung ausgesprochen . Dieses Wasser sollte nicht für den menschlichen Verzehr genutzt werden. Zwar muss beim Vorhandensein eines Hausanschlusses oder bei anderen Teilen der Trinkwasser-Installation aus Blei unterstellt werden, dass die Einhaltung des Grenzwertes nicht mehr sichergestellt werden kann, allerdings lässt sich eine Grenzwertüberschreitung nur durch eine Analyse des Trinkwassers feststellen, der eine Probennahme mit entsprechender Strategie und in Verbindung mit dem Beurteilungszweck vorausgeht. zu Frage 7a): Sobald ein Unternehmer und sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage darüber Kenntnis erlangen, dass in der von ihnen betriebenen Trinkwasserversorgungsanlage Leitungen aus dem Werkstoff Blei vorhanden sind, müssen die betroffenen Verbraucher von ihnen darüber informiert werden. Da der Grundstücksanschluss (Hausanschluss) vom Wasserversorger der Stadt Potsdam betrieben wird, ergibt sich eine Informationspflicht für die EWP. Für den Bereich der privaten Grundstücke kann sich eine Informationspflicht für den Eigentümer ergeben, wenn er Vermieter von Wohnraum ist und damit anderen Verbrauchern Trinkwasser zur Verfügung stellt. zu Frage 7b): Wenn ein Verbraucher vom Betreiber der Wasserversorgungsanlage nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig über das Vorhandensein von Bleileitungen ab dem 1. Dezember 2013 informiert wird und der Betreiber in diesem Zusammenhang seiner Informationspflicht vorsätzlich oder fahrlässig nicht nachkommt, so handelt der Betreiber ordnungswidrig. Dies kann mit einer Geldbuße bis in Höhe von 25.000,- € geahndet werden. zu Frage 7c) und 7d): Grenzwertüberschreitungen im Sinne des § 4 Abs. 2 Trinkwasserverordnung können als vorsätzliche oder fahrlässige Straftat nach § 24 Abs. 1 Trinkwasserverordnung geahndet werden. Verletzungen der Informationspflichten nach § 21 Abs. 1 Satz 3 Trinkwasserverordnung können gemäß § 25 Nr. 16 Trinkwasserverordnung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Ein Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung erfordert zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat. Dies bedarf – auch bei möglichen Straftaten nach § 24 Abs. 1 Trinkwasserverordnung – jeweils einer Einzelfallprüfung. Der pauschalen Bejahung eines Anfangsverdachts bei Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich des Parameters Blei steht entgegen, dass einzelfallbezogene Umstände, wie beispielsweise eine mögliche Mitursächlichkeit etwaiger bleierner Hausinstallationsleitungen , für die Hauseigentümer verantwortlich wären, und die Voraussetzungen für den subjektiven Tatbestand (Vorsatz/ Fahrlässigkeit) zu berücksichtigen sind. Auch die in § 21 Abs. 1 Satz 3 Trinkwasserverordnung statuierte Informationspflicht des Versorgers im Falle der Kenntnisnahme von Leitungen aus Blei innerhalb seines Verantwortungsbereichs ist für die strafrechtliche Beurteilung relevant; kommt ein Versorger seiner Informationspflicht nach, liegt im Regelfall keine Abgabe bzw. kein Zur-Verfügung-Stellen von Wasser „als Trinkwasser“ im Sinne des § 24 Abs. 1 Trinkwasserverordnung mehr vor. zu Frage 7e) und f): Die Ansprüche und Rechte von Grundstückseigentümern, Vermietern und Mietern sind vom konkreten Einzelfall abhängig. Für den Grundstückseigentümer können sich bei Vorliegen der Voraussetzungen mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Wasserversorger aus § 4 Abs. 2 Trinkwasserverordnung ergeben. Für den Mieter kommen je nach Fallgestaltung vertragliche Ansprüche (z. B. Abhilfeansprüche gerichtet auf den Austausch der Bleirohre, Mietminderungsansprüche , Kündigung etc.) und gesetzliche Ansprüche (z. B. Deliktshaftung bei nachgewiesenen Gesundheitsschäden) in Betracht. Im Hinblick auf die Vielfalt denkbarer Fallgestaltungen ist eine abschließende Auflistung nicht möglich.