Datum des Eingangs: 28.01.2015 / Ausgegeben: 02.02.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/518 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 143 des Abgeordneten Péter Vida fraktionslos Drucksache 6/260 Wortlaut der Kleinen Anfrage 143 vom 29.12.2014: Schweinezuchtanlage im Dorfkern von Mehrow Es mehren sich Beschwerden von Anwohnern des Ortsteils Mehrow (Ahrensfelde) aufgrund einer im Ort betrieben Schweinezuchtanlage. Im Zentrum des Ortes befand sich bis kurz nach der Wende eine Rinderzucht, die jedoch stillgelegt wurde. In amtlichen Unterlagen wurde das Gebiet mehrmals als Brache erwähnt, 2006 wurde ein Bebauungsplan mit Wohnbebauung öffentlich ausgelegt, der jedoch nicht beschlossen wurde. Seinerzeit wie auch die Jahre zuvor wurde die Fläche zutreffender Weise als dem Innenbereich zugehörig ausgewiesen. Ab 2012 übernahm ein neuer Pächter das Gelände samt der alten Hallen und begann diese mit einer nicht genehmigten Schweinemast zu reaktivieren. Zusätzlich begann er eine Schweinefreilandhaltung mit 100 Schweinen auf 1500 qm, die noch immer existiert. Im Jahr 2012 wurde diese Nutzung durch die Untere Bauaufsichtsbehörde vorerst untersagt. Die Nutzungsuntersagung wurde jedoch nie vollzogen. Stattdessen wurde am 02.01.2014 nach zweijähriger, dennoch erfolgter Bewirtschaftung des Areals durch das Bauordnungsamt des Landkreises Barnim im Einvernehmen mit dem LUGV und der Gemeinde Ahrensfelde die Haltung von über 200 Schweinen genehmigt. Der Ortsbeirat von Mehrow wurde hierzu nicht angehört, da die Fläche entgegen vorherigen Flächenplänen und trotz nahezu vollständiger Umschließung durch Wohnbebauung nunmehr als Außenbereich deklariert wurde. Widersprüche von Anwohnern gegen die Genehmigung wurden vom Bauordnungsamt abgelehnt. Hiernach richteten sich die Beschwerdeführer u. a. mit Fachaufsichtsbeschwerden betreffend die Gesundheitsgefährdung, Umweltgefährdung und baurechtliche Genehmigungsfähigkeit an das MUGV, MIL und MLUL, die bis jetzt nicht vollständig oder gar nicht beantwortet worden sind. Auch ein Eingriff im Rahmen der Fachaufsicht sei bisher nicht erfolgt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung den Umgang der Behörden mit den Beschwerdeführern ? Was wird sie tun, um den Beschwerdeführern eine fachlich korrekte Antwort auf die Fachaufsichtsbeschwerden zeitnah zukommen zu lassen? 2. Es existiert kein Bestandschutz für gewerbliche Tierhaltung. Warum wurde ohne Prüfung des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebots diese genehmigt ? 3. Handelt es sich bei einer Fläche, die fast vollständig von Wohnbebauung umgeben ist, um einen Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB? 4. Die bewirtschaftete Fläche wurde als Außenbereich eingestuft und es wurde angegeben, dass sich keine Gewässer in Mehrow befänden, obwohl es den angrenzenden „Lake See“ und den „Dorfteich“ gibt. Auch die 3 angrenzenden Biotope wurden verschwiegen. Der Ortsbeirat wurde nicht angehört. Wurde hiernach das gemeindliche Einvernehmen rechtmäßig erteilt? 5. Warum wurde trotz fehlenden Bestandsschutzes eine Schweinezuchtanlage genehmigt? 6. Warum wird Mehrow als Dorfgebiet klassifiziert, obwohl es im Innenbereich keine weiteren Landwirtschafts-/Tierhaltungsbetriebe außer einer Pensionstierhaltung mit 10 Pferden gibt, die aber nicht die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebes erfüllt (VG Arnsberg, Urteil vom 28.02.2005, Az. 4 K 616/04). 7. Warum wurden keine Mindestabstände zur Wohnbebauung und zu vorhandenen Biotopen beachtet? 8. Warum wird die ganzjährige und seit 2012 noch immer andauernde Freilandhaltung von 100 Schweinen auf 1500 qm geduldet? 9. Warum wurde eine ganzjährige Freilandhaltung von 100 Schweinen zzgl. 30 Auslaufschweine auf 7500 qm genehmigt, obwohl nach den Bestimmungen der Düngeverordnung für eine derart große Fläche nur maximal 13 Schweine zulässig wären. 10. Warum wurde ein von den Anwohnern erfolgter Widerspruch am 25.09.2014 abgelehnt, obwohl der Unteren Bauaufsichtsbehörde bereits am 02.09.2014 durch die Wasserrechtliche Stellungnahme der Unteren Wasserbehörde bekannt war, dass der Tatbestand einer unzulässigen Gewässernutzung gege- ben und die genehmigte Freilandhaltung geeignet ist, Grundwasser und angrenzende Gewässer zu verschmutzen. Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung den Umgang der Behörden mit den Beschwerdeführern ? Was wird sie tun, um den Beschwerdeführern eine fachlich korrekte Antwort auf die Fachaufsichtsbeschwerden zeitnah zukommen zu lassen? Zu Frage 1: Die Landesregierung hält den Umgang der Behörden mit den Beschwerdeführern für korrekt. Alle Beschwerden werden sorgfältig geprüft und möglichst zeitnah beantwortet . Im konkreten Fall der Schweinehaltungsanlage in Mehrow wandten sich einige der Beschwerdeführer mehrmals auch an die oberste Bauaufsichtsbehörde im Ministeri- um für Infrastruktur und Landesplanung als Sonderaufsichtsbehörde für die untere Bauaufsichtsbehörde. In dem Zeitraum von Juni 2013 bis Oktober 2014 sind mehrere Beschwerdeschreiben der o. g. Beschwerdeführer im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung eingegangen. Das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung hat diesen Beschwerdeführern mit Schreiben vom 28. August 2013 und 29. Januar 2014 geantwortet. Darüber hinaus haben die für die Bearbeitung der Beschwerden zuständigen Beschäftigten der obersten Bauaufsichtsbehörde mehrere Telefonate mit den Eingebern geführt. Es ist beabsichtigt, den Beschwerdeführern im Januar dieses Jahres ein weiteres Antwortschreiben zu übersenden. Frage 2: Es existiert kein Bestandschutz für gewerbliche Tierhaltung. Warum wurde ohne Prüfung des nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebots diese genehmigt? Zu Frage 2: Die für das Baugenehmigungsverfahren zuständige untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Barnim teilte der Landesregierung mit, dass es sich bei dem Betrieb der Schweinehaltung um einen landwirtschaftlichen Betrieb nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) handelt, der in einem Dorfgebiet im Sinne der BauNVO grundsätzlich zulässig ist. Die untere Bauaufsichtsbehörde teilte zudem mit, dass die beiden Schweineställe, für die eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung erteilt worden ist, im unbeplanten Innenbereich nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB) belegen seien und dieser Bereich bauplanungsrechtlich ein faktisches Dorfgebiet nach § 5 BauNVO sei. Zur Frage der Prüfung des Rücksichtnahmegebots im Baugenehmigungsverfahren führte die untere Bauaufsichtsbehörde Folgendes aus: Die Bauantragstellerin hätte durch ein Staub- und ein Geruchsstoffimmissionsgutachten nachgewiesen, dass gegenüber den nächstgelegenen schutzbedürftigen Vorhaben aufgrund der vorhandenen relativ großen Abstände nicht mit unzumutbaren Staub- und Geruchsimmissionen zu rechnen sei. Nach Auffassung der unteren Bauaufsichtsbehörde sei daher das Rücksichtnahmegebot im Sinne von § 15 Abs. 1 BauNVO beachtet worden. Frage 3: Handelt es sich bei einer Fläche, die fast vollständig von Wohnbebauung umgeben ist, um einen Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB? Zu Frage 3: Nein. Hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Bewertung ist die Schweinzuchtanlage differenziert zu betrachten. Die für die Erteilung der Baugenehmigung zuständige untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Barnim teilte der Landesregierung mit, dass sich das Betriebsgrundstück nur teilweise, und zwar mit dem Schweinefreigehege im Außenbereich befinden würde. Frage 4: Die bewirtschaftete Fläche wurde als Außenbereich eingestuft und es wurde ange- geben, dass sich keine Gewässer in Mehrow befänden, obwohl es den angrenzenden „Lake See“ und den „Dorfteich“ gibt. Auch die 3 angrenzenden Biotope wurden verschwiegen. Der Ortsbeirat wurde nicht angehört. Wurde hiernach das gemeindliche Einvernehmen rechtmäßig erteilt? Zu Frage 4: Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das gemeindliche Einvernehmen unrechtmäßig erteilt worden ist. Die untere Bauaufsichtsbehörde teilte der Landesregierung in Bezug auf das gemeindliche Einvernehmen mit, sie teile zwar nicht die Rechtsauffassung der Gemeinde , dass sich das Vorhaben insgesamt im Außenbereich nach § 35 BauGB befinden soll, weil die als Schweineställe genehmigten Gebäude nach Auffassung der unteren Bauaufsichtsbehörde im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 2 BauGB liegen würden. Insofern würden zwar die Auffassungen auseinander gehen. Sie führten aber bei der Einschätzung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens zum gleichen Ergebnis. Die untere Bauaufsichtsbehörde hätte daher das nach § 36 BauGB erteilte Einvernehmen der Gemeinde akzeptiert. Frage 5: Warum wurde trotz fehlenden Bestandsschutzes eine Schweinezuchtanlage genehmigt ? Zu Frage 5: Die für das Baugenehmigungsverfahren zuständige untere Bauaufsichtsbehörde kam im Rahmen ihrer bauplanungsrechtlichen Prüfung zu dem Ergebnis, dass die nähere Umgebung der Schweinezuchtanlage nach der Art der Nutzung einem Dorfgebiet gemäß § 5 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB entsprechen würde. Landwirtschaftliche Betriebe, auch Vorhaben der Tierhaltung, sind in einem Dorfgebiet nach der Art der Nutzung grundsätzlich zulässig. Frage 6: Warum wird Mehrow als Dorfgebiet klassifiziert, obwohl es im Innenbereich keine weiteren Landwirtschafts-/Tierhaltungsbetriebe außer einer Pensionstierhaltung mit 10 Pferden gibt, die aber nicht die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebes erfüllt (VG Arnsberg, Urteil vom 28.02.2005, Az. 4 K 616/04). Zu Frage 6: Nach Auskunft der unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Barnim gibt es in Mehrow noch weitere landwirtschaftliche Betriebe - auch solche mit Tierhaltung - die die Einstufung als Dorfgebiet rechtfertigen. Frage 7: Warum wurden keine Mindestabstände zur Wohnbebauung und zu vorhandenen Biotopen beachtet? Zu Frage 7: Nach Auskunft der unteren Bauaufsichtsbehörde wurden die Mindestabstände zur Wohnbebauung eingehalten. Die Abstände zu möglichen Biotopen, gemeint sind wahrscheinlich der Dorfteich und der Lakesee, wurden nach Auskunft der unteren Bauaufsichtsbehörde von den im Verfahren beteiligten Fachbehörden als ausreichend angesehen. Frage 8: Warum wird die ganzjährige und seit 2012 noch immer andauernde Freilandhaltung von 100 Schweinen auf 1500 qm geduldet? Zu Frage 8: Die untere Bauaufsichtsbehörde teilte mit, die Baugenehmigung beziehe sich auf das Freigehege insgesamt. Der jeweilige Besatz von Teilflächen mit Schweinen falle nicht in die Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde. Frage 9: Warum wurde eine ganzjährige Freilandhaltung von 100 Schweinen zzgl. 30 Auslaufschweine auf 7500 qm genehmigt, obwohl nach den Bestimmungen der Düngeverordnung für eine derart große Fläche nur maximal 13 Schweine zulässig wären. Zu Frage 9: Die Freilandhaltung von Schweinen und die im vorliegenden Fall in Anspruch genommenen Flächen fallen nicht unter den Geltungsbereich der Düngeverordnung vom 27. Februar 2007 (BGBl. I S. 221) Diese kann im vorliegenden Fall nicht zur Ab- lehnung der Freilandhaltung als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Frage 10: Warum wurde ein von den Anwohnern erfolgter Widerspruch am 25.09.2014 abgelehnt , obwohl der Unteren Bauaufsichtsbehörde bereits am 02.09.2014 durch die Wasserrechtliche Stellungnahme der Unteren Wasserbehörde bekannt war, dass der Tatbestand einer unzulässigen Gewässernutzung gegeben und die genehmigte Frei- landhaltung geeignet ist, Grundwasser und angrenzende Gewässer zu verschmutzen . Zu Frage 10: Die untere Bauaufsichtsbehörde teilte zu Frage 10 Folgendes mit: Ob durch die konkrete Art der Tierhaltung eine unzulässige Gewässernutzung vorliegen könnte und für diesen Fall die untere Wasserbehörde selbst ordnungsbehördlich tätig werden könnte, prüfe die untere Wasserbehörde in eigener Zuständigkeit und nach Abstimmung mit dem zuständigen Ressort der Landesregierung, hier dem Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft. Ein abschließendes Prüfergebnis stehe noch aus. Die angesprochene Stellungnahme der unteren Wasserbehörde vom 2. September 2014 sei jedenfalls nur ein Entwurf bzw. ein internes Arbeitspapier, welches aufgrund der darin enthaltenen rechnerischen Ansätze gegenwärtig noch mit verschiedenen Fachbehörden diskutiert werde. Zudem sei von dieser Stellungnahme kein nachbarrechtlicher Abwehranspruch ableitbar.