Datum des Eingangs: 29.09.2016 / Ausgegeben: 04.10.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5180 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2074 der Abgeordneten Brigit Bessin und Thomas Jung der AfD-Fraktion Drucksache 6/4996 Überblick über Versorgung in Not- bzw. Katastrophenfällen III Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Neben der bereits gestellten Anfrage zu den im Land Brandenburg vorhandenen Notwasserbrunnen ergeben sich aufgrund der aktuellen politisch forcierten Zivilschutzbemühungen weitere Fragen zur Versorgung in Not- bzw. Katastrophenfällen. Frage 1: Wie sind die Energie- und Versorgungsunternehmen im Land Brandenburg auf mögliche Ausfälle der Versorgung vorbereitet? Welche Reserven gibt es und wie lange halten diese jeweils vor? Bitte schlüsseln Sie detailliert auf für die jeweiligen Versorger mit Wasser, Elektroenergie und Gas, bzw. Heizöl. Frage 5: Welche neuralgischen Punkte in Versorgungsunternehmen sind bekannt, welche Anfälligkeiten, speziell bei Angriffen von außen, bzw. im Überlastungsfall konnten ermittelt werden und welche Vorkehrungen wurden und werden getroffen, um Ausfälle dort auszuschließen, bzw. zu vermindern? zu den Fragen 1 und 5: Grundsätzlich sind Betreiber kritischer Infrastrukturen (KRI- TIS) verpflichtet, ihren Sektor/Bereich in Eigenverantwortung zu schützen, zu betreiben , zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen (vgl. z. B. §§ 11, 13, 15, 16 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung [Energiewirtschaftsgesetz – EnWG]). Maßnahmen zur Versorgungssicherheit, wie beispielsweise die Bildung von Reserven, stehen dabei im Vordergrund. Die notwendigen Anpassungen zur Vermeidung von, Vorbereitung auf, Erkennung und Bewältigung sowie Nachbereitung von Notfällen/Krisen werden im Krisenmanagement bzw. in Krisenstäben der Unternehmen geregelt. Bei einer Gefährdung/Störung müssen diese sofort die jeweiligen Aufsichtsbehörden und Katastrophenschutzbehörden darüber unterrichten. Konkrete Angaben zu einzelnen Versorgungsunternehmen liegen der Landesregierung nicht vor. Eine Erhebung aller neuralgischen Punkte in Versorgungsunternehmen ist seitens der Landesregierung nicht vorgenommen worden. Zu Wasser: Nach § 16 Abs. 5 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) sind die Wasserversorgungsunternehmen verpflichtet, für den Fall einer Unterbrechung der Wasserversorgung einen Maßnahmenplan aufzustellen, der die örtlichen Gegebenheiten der Wasserversorgung berücksichtigt. Dieser Maßnahmenplan bedarf der Zustimmung des örtlichen Gesundheitsamtes. Zur Beantwortung der Frage 1 in Bezug auf die Trinkwassernotversorgung wird auch auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage Nr. 148 vom 05.01.2015 (Landtagsdrucksache 6/517) verwiesen. Zu Elektroenergie: Für Elektroenergie wird die Regelleistung (auch Reserveleistung oder auch Regelreserve genannt) vorgehalten. Die Regelleistung gewährleistet die Versorgung der Stromkunden mit genau der benötigten elektrischen Leistung bei unvorhergesehenen Ereignissen im Stromnetz. Diese unterteilt sich in vier Reservearten und wird in nachfolgender geordneter Reihenfolge aktiviert. 1. Primärregelreserve (Stabilisierung der Netzfrequenz im gesamten europäischen Verbundnetz) 2. Sekundärregelreserve (wird automatisch aktiviert und löst die Primärregelreserve spätestens nach 5 Minuten ab; sie wird zudem in der Regelzone aktiviert, in der das Ungleichgewicht zwischen Elektroenergieerzeugung und Last aufgetreten ist) 3. Minutenreserve (löst im Bedarfsfall die Sekundärregelreserve nach 15 Minuten ab, sie dient der Sicherstellung der Verfügbarkeit der Sekundärregelleistung) 4. Stundenreserve (im Anschluss an die Minutenreserve tritt nach 60 Minuten die Stundenreserve in Kraft) Zu Gas u. Heizöl: Laut Angaben des BMWI lag der gesamte Gasverbrauch in Deutschland in 2015 bei rd. 88 Mrd. m³. In Deutschland befinden sich derzeit ca. 51 Erdgasspeicher im Betrieb (20 Porenspeicher, 31 Kavernen-speicher), mit einem nutzbaren maximalen Arbeitsgasvolumen von rd. 24,6 Mrd. m³. Die maximale Speicherkapazität reicht gegenwärtig statistisch gesehen im Durchschnitt für 80 Tage Vollversorgung. Allerdings ist anzumerken, dass eine statistische Verteilung der Vorräte auf das ganze Jahr nicht sinn-voll ist, da der Großteil der Gasmenge im Winter gebraucht wird. Von daher sollte man realistisch eher von 40 Tagen ausgehen. Gemäß Erdölbevorratungsgesetz (ErdölBevG) muss der Erdölbevorratungsverband (EBV) als alleiniger Träger der Pflichtbevorratung von Rohöl und Erdölerzeugnissen die Ölreserven für 90 Tage sicherstellen. Um diese Pflichtbevorratung erfüllen zu können, hält der EBV zurzeit etwa 15 Mio. Tonnen Rohöl und 9,5 Mio. Tonnen fertige Mineralölerzeugnisse (d. h. Otto- u. Dieselkraftstoff, Heizöl EL und Kerosin) vor. Aufgrund der Verantwortung der KRITIS-Betreiber, ihren Sektor/Bereich in Eigenverantwortung zu schützen, liegen der Landesregierung zuständigkeitshalber keine Angaben zu neuralgischen Punkten in Versorgungsunternehmen vor. Frage 2: Wie sind die Tankstellen im Land ausgerüstet? Wie lange reichen derzeit die Reserven an Treibstoff? zu Frage 2: Tankstellen sind gemäß der 20. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) „Einrichtungen zur Abgabe von Kraftstoffen aus ortsfesten Lagertanks an Kraftstofftanks von Fahrzeugen“ (vgl. § 2, Ziff. 21. der 20. BImSchV). Große Tankstellen können mehr als 400.000 Liter in ihren Tanks aufnehmen. Zu den klassischen Ausrüstungsbausteinen von öffentlichen Tankstellen für Benzin u. Dieselkraftstoffe gehören unterirdische Tanks, Zapfsäulen, Rückhalteeinrichtungen, Gaspendel- u. Gasrückführungssystem, Lecküberwachung für Tanks u. Rohrleitungen, Druckluftbe- hälteranlage sowie Altölsammelanlage. Die vorhandenen Treibstoffreserven bei Benzin - und Dieselkraftstoffen entsprechen den gesetzlichen Vorratspflichten gemäß dem Erdölbevorratungsgesetz (vgl. § 3 ErdölBevG). Danach bemisst sich die Vorratspflicht – vereinfacht dargestellt – nach der Menge an Rohöl und Erdölerzeugnissen , die in 90 Tagen durchschnittlich in Deutschland importiert werden, abzüglich der Exporte und ähnlicher Mengen. Ferner müssen die Vorräte so über Deutschland verteilt gelagert werden, dass in jeder der nach Raffinerie-Zentren definierten Versorgungsregionen mindestens Bestände von 15 Verbrauchstagen vorhanden sind, die sofort verfügbar sein müssen. Das heißt für Brandenburg, das zum Raffinerie- Zentrum Ost (Schwedt/Leuna) gehört: 1. für Ottokraftstoffe: 70.434 Tonnen sind sofort zugreifbar; das entspricht einer Reichdauer von rd. 45 Tagen, 2. für Dieselkraftstoffe: 133.427 Tonnen sind sofort zugreifbar; das entspricht einer Reichdauer von rd. 30,9 Tagen. Frage 3: Wie viele Tankstellen können ohne auf das öffentliche Stromnetz zurück zu greifen mit Eigenmitteln, z.B. Handpumpen oder Notstromgeneratoren, eine Belieferung der Bevölkerung mit Treibstoffen sicherstellen? zu Frage 3: Der Landesregierung ist gegenwärtig nicht bekannt, wie viele öffentliche und private Tankstellen im Land Brandenburg vorhanden sind, die autark betrieben werden könnten. Frage 4: Welche Szenarien für Hackerangriffe auf große Versorgungsunternehmen sind der Landesregierung bekannt, bzw. wurden durch diese selbst in Auftrag gegeben ? Welches Resümee kann aus den vorhandenen Untersuchungen gezogen werden ? zu Frage 4: Betreiber von kritischen Infrastrukturen (KRITIS) werden durch das im Sommer 2015 verabschiedete IT-Sicherheitsgesetz (ITSiG) verpflichtet, Mindeststandards bei der IT-Sicherheit zu erfüllen, indem sie gemäß dem IT- Sicherheitskatalog ein Informationssicherheits-Management-System (ISMS) einführen . Damit soll der Schutz vor Zugriffen und Manipulationen gewährleistet werden. Ferner sind KRITIS-Betreiber verpflichtet, IT-Sicherheitsvorfälle an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu melden, die wiederum zum einen die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder informieren, zum anderen die eingehenden Meldungen bewerten und dann diese schnellstmöglich allen KRITS- Betreibern mit einer entsprechenden Aufbereitung zur Verfügung stellen. Frage 6: Wie sind Krankenhäuser im Land Brandenburg auf obige Notfälle vorbereitet ? Wie lange können sich diese im Schnitt autark versorgen und nach welchen Notfallplänen wird dort gearbeitet? zu Frage 6: Nach § 20 Abs. 4 Satz 2 des Brandenburgischen Brand- u. Katastrophenschutzgesetzes (BbgBKG) sind die Träger der Krankenhäuser verpflichtet, bei Großschadensereignissen und Katastrophen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Aufnahme- und Behandlungskapazitäten bereitstellen zu können. Weiterhin sind sie nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BbgBKG verpflichtet, Alarm- und Einsatzpläne aufzustellen und fortzuschreiben. Krankenhäuser jeder Versorgungsstufe verfügen über Notstromaggregate , die Diesel-betrieben auf eine Versorgung für 24 Stunden ausgelegt sind. Frage 7: Wann fanden das letzte Mal größere Übungen statt, die genau diese Szenarien abbilden, unter wessen Federführung und mit welchen Ergebnissen? zu Frage 7: Das Land hat nach § 5, Nr. 8 BbgBKG zur Erfüllung seiner zentralen Aufgaben im Katastrophenschutz Übungen durchzuführen. Um diesem Anspruch nachzukommen nimmt das Land an den zweijährig stattfindenden länderübergreifenden Krisenmanagementübungen (LÜKEX) teil, die in Zusammenwirken des Bundes und der Länder durchgeführt werden. Die Federführung der Organisation auf Seiten des Bundes wird durch das Bundesministerium des Innern getragen, innerhalb der Landesverwaltung ist das Ministerium des Innern und für Kommunales für die Vorbereitung sowie die Durchführung derartiger Übungen zuständig. In den vergangenen Jahren wurden im Rahmen der LÜKEX nachfolgenden Szenarien trainiert: 2004: Winterliche Extremwetterlagen mit großflächigem Stromausfall; 2005: Terroristische Anschläge im Zusammenhang mit der Fußball WM 2006; 2007: Weltweite Influenza Pandemie; 2009/2010: Terroristische Bedrohung mit konventionellen Sprengstoffen, chemischen und radioaktiven Tatmitteln; 2011: IT-Sicherheit auf dem Prüfstand (Cyber-Terrorismus); 2013: Außergewöhnliche biologische Bedrohungslagen; 2015: Bewältigung der Auswirkungen einer Sturmflut in der Deutschen Bucht. Darüber hinaus hat das Land Brandenburg, in Zusammenwirken aller Landesressorts sowie zum Teil auch unter Mitwirkung der Bundeswehr, in den Jahren 2008, 2009 und 2010 Stabsrahmenübungen zur Untersuchung der Auswirkungen von Katastrophen und Großschadenslagen durchgeführt. Um die Auswirkungen eines langanhaltenden flächendeckenden Stromausfalles zu untersuchen, findet am 13. Oktober 2016 eine weitere Stabsrahmenübung statt. Im Ergebnis der durchgeführten Übungen hat sich herausgestellt, dass ein regelmäßiges Training von Stabsstrukturen, unabhängig von der Art der Übung, zu einer Stabilisierung etablierter Arbeitsabläufe führt. Frage 8: Wie sind die Feuerwehren, bzw. das THW auf Katastrophengroßereignisse vorbereitet? Welche Szenarien werden für die unterschiedlichen Gefahrenfälle angenommen und wie stellt sich die Vorbereitung konkret dar? zu Frage 8: Die unteren Katastrophenschutzbehörden des Landes Brandenburg haben auf Grundlage des BbgBKG sowie der Katastrophenschutzverordnung Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes aufgestellt, um die zur Abwehr von Großschadensereignissen und Katastrophen erforderlichen Maßnahmen treffen zu können. Die Funktionsfähigkeit dieser Strukturen wird durch regelmäßige Übungen erprobt. Allein im Jahr 2015 wurden in den Landkreisen und kreisfreien Städten rund 50 Übungen zu diversen Szenarien durchgeführt, bei denen auch die Feuerwehren sowie die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) eingebunden waren. Ergänzend wird hierzu auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 1510 (Landtagsdrucksache 6/3802) verwiesen. Frage 9: Wird die Landesregierung ihre Planungen auf dem Gebiet der Notfallvorsorge entsprechend anpassen, wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht? zu Frage 9: Die Landesregierung wird ihr bereits bestehendes Engagement fortführen . Eine Teilnahme an der LÜKEX Übungsreihe ist auch zukünftig vorgesehen; anlässlich der 18. Länderübergreifenden Krisenmanagementübungen (LÜKEX-18) wer- den dabei die Auswirkungen einer Gasmangellage untersucht. Die Stabsstrukturen die zur Bewältigung von Katastrophen und Großschadenslagen eingerichtet sind, werden ständig personell erweitert und überprüft.