Datum des Eingangs: 30.09.2016 / Ausgegeben: 05.10.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5194 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2083 des Abgeordneten Benjamin Raschke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/5020 Cannabis-Politik in Brandenburg – Maßnahmen der Strafverfolgung Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Die Debatte über den Umgang mit Cannabis wird bundesweit inzwischen wieder sehr kontrovers geführt. Im Vordergrund stehen dabei neben der Entkriminalisierung von Konsumenten sowie den Themen Aufklärung und Suchtprävention auch medizinische und gesellschaftspolitische Aspekte. In Bremen wurde ein Antrag (Drucksache 19/340: http://www.bremischebuergerschaft .de/dokumente/wp19/land/drucksache/D19L0340.pdf) von Rot-Grün für eine liberale Cannabispolitik im April angenommen. Auch in weiteren Bundesländern gibt es ähnliche Initiativen. Die Drogenpolitik in Deutschland wird zwar hauptsächlich durch den Bundesgesetzgeber bestimmt, Spielräume für eine zeitgemäße Drogenpolitik bestehen allerdings auch in den Bundesländern. Frage 1: Wie viele Ermittlungsverfahren wurden in den vergangenen 5 Jahren in Brandenburg aufgrund des Verdachts einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit Cannabis eingeleitet und durchgeführt? Bitte nach Jahren und Staatsanwaltschaften aufschlüsseln. zu Frage 1: Nachfolgend sind die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Fälle zu Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis im Land Brandenburg für den Zeitraum der vergangenen fünf Jahre aufgelistet: Berichtsjahr erfasste Fälle aufgeklärte Fälle Aufklärungsquote in % 2011 2.479 2.353 94,9 2012 2.529 2.399 94,9 2013 2.801 2.628 93,8 2014 4.055 3.808 93,9 2015 4.614 4.321 93,6 Eine Auswertung nach staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeitsbereichen ist weder auf Basis der PKS noch anhand des staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters MESTA möglich, da Letzteres nicht nach der Art der Betäubungsmittel differenziert. Frage 2: Wie hoch ist der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden unter den von den Staatsanwaltschaften in Brandenburg geführten Ermittlungsverfahren wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit Cannabis? zu Frage 2: Der Anteil der jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen an Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis im Land Brandenburg stellt sich anhand der PKS wie folgt dar: Berichtsjahr Anzahl der Tatverdächtigen gesamt 14 bis unter 18 Jahre Anteil in % 18 bis unter 21 Jahre Anteil in % 2011 2.249 386 17,2 388 17,3 2012 2.206 408 18,5 335 15,2 2013 2.547 551 21,6 403 15,8 2014 3.423 910 26,6 532 15,5 2015 3.809 901 23,7 699 18,4 Frage 3: In welcher Weise wurden die in der Antwort auf die Frage 1 genannten Ermittlungsverfahren von den Staatsanwaltschaften abgeschlossen? Bitte für die vergangenen 5 Jahre aufschlüsseln nach: Einstellung des Verfahrens (bitte nach Rechtsgrundlage für Einstellung aufschlüsseln ), Antrag Strafbefehl, Anklage. Frage 4: Zu wie vielen Verurteilungen ist es in Verfahren aufgrund des Verdachts einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit Cannabis gekommen und in wie vielen dieser Fälle wurde eine Geld-, in wie vielen eine Haftstrafe verhängt? Wie viele Freisprüche hat es gegeben? In wie vielen Fällen ist es zu einer Verfahrenseinstellung durch das Gericht gekommen? Bitte für die vergangenen 5 Jahre aufschlüsseln. Bitte zusätzlich zwischen Straftaten wegen Drogenhandels und Straftaten wegen Eigenbedarfs differenzieren. zu Fragen 3 und 4: Die erbetenen Daten lassen sich weder aus der PKS, in der die Arten der staatsanwaltschaftlichen Abschlussentscheidungen bzw. gerichtlichen Sanktionen nicht erfasst werden, noch aus dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister , das keine gesonderte Erfassung von Cannabisdelikten enthält, ermitteln. Frage 5: Welche Vorgaben, Dienstvorschriften, Richtlinien, Anweisungen etc. gibt es in Brandenburg speziell hinsichtlich der Verfolgung von Cannabisdelikten, die für die Polizei und/oder Staatsanwaltschaften verbindlich sind? Welchen Inhalt haben diese ? zu Frage 5: In Brandenburg stellt die „Richtlinie zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten vom 15. August 2006“ (JMBl. S. 122 - Anlage) eine möglichst gleichmäßige Handhabung der Absehensvorschrift nach § 31a des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren , die im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten stehen, sicher. Darüber hinaus bestehen weder im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz noch im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern und für Kommunales abstrakt-generelle Regelungen hinsichtlich der Verfolgung von Cannabisdelikten. Frage 6: Plant die Landesregierung, die unter 5. genannten Vorgaben, Richtlinien etc. anzupassen? Wenn ja, inwiefern? zu Frage 6: Eine Änderung der vorgenannten Richtlinie ist nicht geplant. Frage 7: Welche Gesamtmenge von Cannabisprodukten wurde in wie vielen Einzelfällen von der Polizei oder anderen Landesbehörden in Brandenburg sichergestellt? Bitte für die vergangenen 5 Jahre sowie nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln. zu Frage 7: In polizeilichen Systemen wurden in Brandenburg folgende Sicherstellungsmengen von Cannabisprodukten erfasst: Eine Differenzierung nach Landkreisen ist nicht möglich. Frage 8: Welche Haltung nimmt die Landesregierung zur Frage der Legalisierung bzw. legalen Regulierung von Cannabis ein? zu Frage 8: Nach Ansicht der Landesregierung ist – nicht zuletzt aus Gründen des Gesundheitsschutzes – an der grundsätzlichen Strafbarkeit von Handel und Besitz dieses Betäubungsmittels festzuhalten. Bislang sind der öffentlich zugänglichen Diskussion keine durchgreifenden Vorteile einer Legalisierung zu entnehmen. Hingegen kann starker und regelmäßiger Cannabiskonsum nachteilige gesundheitliche Folgen haben. Frage 9: Sieht die Landesregierung in den im oben genannten Antrag aus der Bremischen Bürgerschaft (Drucksache 19/340) unter Nr. 1 - 5 aufgeführten Maßnahmen geeignete Schritte für landespolitische Initiativen in Brandenburg? Bitte für die im Antrag genannten Maßnahmen Nr. 1 - 5 gesondert beantworten. Wenn nein, warum nicht? Frage 10: Unterstützt die Landesregierung insbesondere die in Ziffer 4 des oben genannten Antrages (Drucksache 19/340) angekündigte Bundesratsinitiative mit dem Ziel, eine gesetzliche Grundlage für Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu schaffen, im Grundsatz? Wenn nein, warum nicht? zu Fragen 9 und 10: Nr. 1 des Antrags aus der Bremischen Bürgerschaft lautet: 2011 2012 2013 2014 2015 Fälle Menge in kg Fälle Menge in kg Fälle Menge in kg Fälle Menge in kg Fälle Menge in kg Marihuana 647 113,952 559 46,319 773 66,821 1.185 67,186 1.468 98,875 Haschisch 86 17,784 97 3,501 108 15,693 114 6,397 175 177,449 Cannabispflanzen 84 8.575 Stück 77 3.886 Stück 117 3.289 Stück 83 15.716 Stück 91 3.381 Stück „Der Senat wird aufgefordert, die Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote im Bereich Drogenprävention, etwa beim Gesundheitsamt oder bei den freien Trägern der Drogenhilfe, auf diese Zielrichtung hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Hierbei soll auch geklärt werden, inwieweit Jugendliche von bestehenden Angeboten, z. B. der Aufklärung in Schulen über die Risiken von Drogenkonsum, erreicht werden und welche Veränderungen es geben sollte. Wichtig ist dabei, dass Cannabis nicht als harmlose Droge bagatellisiert wird. Berücksichtigt werden soll auch, dass Cannabiskonsum bereits bei Kindern stattfindet – die Aufklärung und Prävention sollte spätestens im frühen Teenageralter beginnen und muss zudem die Eltern mit einbeziehen.“ Der Antrag geht insoweit davon aus, dass Information und Beratung über Cannabis zu einer Prävention des Konsums insbesondere bei jungen Menschen führen. Dies soll besonders wirksam sein, wenn das Schadenspotential der Droge betont wird und die Informationen schon im Kindesalter gegeben werden. Eltern sollen einbezogen sein. In der Suchtforschung wurde hingegen in den letzten Jahrzehnten wiederholt und eindeutig festgestellt, dass Information und Aufklärung nur einen sehr begrenzten Wert in der Prävention von Substanzkonsum haben. Dies gilt in besonderem Maß, wenn die fragliche Substanz in der Bevölkerung bzw. Zielgruppe wenig verbreitet ist. Cannabis ist eine Droge, die verglichen mit Tabak und Alkohol wenig verbreitet ist. Detaillierte Informationen über Cannabis können eine kontraproduktive Wirkung haben und Neugier wecken. Demgegenüber ist wissenschaftlich gesichert, dass Suchtprävention erfolgreich ist, wenn sie langfristig, systematisch sowie auf die Verhaltens- und Verhältnisebene orientiert ist. Für Kinder und Jugendliche heißt Suchtprävention vor allem, sie psychisch stark zu machen. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl müssen gestärkt, die Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit gefördert werden. In Familie, Schule und Freizeit ist auf eine Lebenswelt hinzuwirken, in der Kinder sicher aufwachsen können, insbesondere ohne körperliche und psychische Gewalt und ohne Vernachlässigung. Im Sinne dieses ganzheitlichen Ansatzes bedeutet Suchtprävention die Förderung der Lebenskompetenz und wirkt gegen soziale Isolation, Stressanfälligkeit, ein schwaches Selbstwertgefühl oder eine gering wahrgenommene soziale Unterstützung – z. B. durch Freunde oder Eltern . Nr. 2 des Antrags aus der Bremischen Bürgerschaft lautet: „Die Bürgerschaft (Landtag ) fordert den Senat auf, alle Möglichkeiten für eine liberalere Handhabung des Cannabiskonsums von Erwachsenen auf Landesebene auszuschöpfen. Konsequenter Jugendschutz und Prävention sind für eine verantwortungsbewusste Drogenpolitik unverzichtbar.“ Aus Sicht der Landesregierung sind konsequenter Jugendschutz und Prävention mit einer liberaleren Handhabung des Cannabiskonsums von Erwachsenen schwer vereinbar: Erwachsene sind die Vorbilder der Kinder und Jugendlichen . In der Praxis sind konsumierende Bezugspersonen (Eltern, Erzieher, Lehrer) regelmäßig auch eine Ursache für einen Konsumeinstieg der Kinder und Jugendlichen . Dass „konsequenter Jugendschutz und Prävention“ quasi wie eine Immunisierung bei jungen Menschen wirken, ist – wie oben dargelegt – wissenschaftlich nicht gesichert. Nr. 3 des Antrags aus der Bremischen Bürgerschaft lautet: „Insbesondere ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass a) bei erwachsenen Beschuldigten, die mit Cannabis in geringen Mengen und zum Eigengebrauch umgehen, ohne dass Anhaltspunkte für Handeltreiben bestehen, in der Regel von der Strafverfolgung abgesehen wird, sofern nicht eine Fremdgefährdung besonders schutzwürdiger Personen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen , gegeben ist; b) eine geringe Menge von Cannabis entsprechend der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und an der Handhabung der anderen Bundesländer orientiert definiert wird; c) der Entzug der Fahrerlaubnis entsprechend der Regelungen zum Alkoholkonsum in der Regel auf Personen beschränkt bleibt, die unter Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug geführt haben, um zu verhindern, dass die Fahrerlaubnis und damit verbunden unter Umständen der Arbeitsplatz verloren geht, ohne dass eine Gefährdung des Straßenverkehrs gegeben war; d) beim Eigenanbau von Cannabis allein für den Eigenbedarf unter Berücksichtigung der Unterschiede von lebenden Pflanzen zu getrocknetem Cannabis die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Zugang von Kindern und Jugendlichen zu diesem Cannabis ausgeschlossen ist.“ Insoweit ist zu bemerken: zu a) Die Forderung – keine Bestrafung von Erwachsenen bei Besitz geringer Mengen zum Eigenverbrauch – ist in Brandenburg bereits durch die genannte „Richtlinie zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten “ (Anlage) umgesetzt. zu b)Der im Antrag der Bremischen Bürgerschaft verwendete Begriff der „geringen Menge“ ist – ohne den Zusatz „zum Eigenverbrauch“ – im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „nicht geringen Menge“ in den §§ 30 und 30a BtMG missverständlich , weil sich die geringen Mengen einmal auf den Wirkstoffgehalt und das andere Mal auf ein Bruttogewicht beziehen. Soweit damit „zum Eigenverbrauch in geringer Menge“ im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 BtMG gemeint ist, hat Brandenburg die Obergrenze in der genannten Richtlinie auf 6 Gramm Bruttogewichtsmenge festgelegt . Dabei handelt es sich aus Sicht der Landesregierung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensverhältnisse und Sanktionstraditionen in den Bundesländern um einen für Brandenburg sachgerechten Kompromiss. Jedenfalls ist eine Grenze ohne Bezug zum Wirkstoffgehalt für die Praxis der Strafverfolgungsbehörden von großer Bedeutung, damit in diesen Fällen der Kleinkriminalität keine zeit- und kostenaufwendigen Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. zu c) Diese Forderung entspricht der derzeitigen strafrechtlichen Gesetzeslage, denn der Entzug der Fahrerlaubnis setzt nach § 69 Abs. 1 StGB voraus, dass eine rechtswidrige Tat bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen worden ist. Sofern die Forderung auf die verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Eignungsmängel gemäß § 46 in Verbindung mit § 14 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) und Anlage 4 Nr. 9 FeV abzielt, ist eine Änderung dieser differenzierten Regelungen für die Fälle des Cannabiskonsums unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit fachlich nicht zu befürworten – zumal die Verwaltungsbehörden auch bei Kenntniserlangung einer Alkoholproblematik ohne Anlassfahrt prüfen, ob die Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben ist. zu d) Soweit gefordert wird, dass die gleichen Grundsätze auch für den Eigenanbau von Cannabis gelten, ist dies nach der Brandenburger Richtlinie der Fall, da darin ausdrücklich auch der Anbau von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch erfasst wird. Allerdings ist anzumerken, dass die Richtlinie auf einen solchen Fall praktisch kaum anwendbar sein dürfte, da schon das aus einer einzigen Hanfpflanze zu gewinnende Cannabis regelmäßig den Wert für eine geringe Menge zum Eigenverbrauch in Höhe von 6 Gramm übersteigt. Nr. 4 des Antrags aus der Bremischen Bürgerschaft lautet: „Die Bürgerschaft (Landtag ) fordert den Senat auf, ein Konzept für die Durchführung eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu erarbeiten und eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, im Betäubungsmittelgesetz die gesetzlichen Grundlagen für derartige Modellprojekte zu schaffen. In dem Konzept soll u .a. dargelegt werden, welche Mehreinnahmen durch eine kontrollierte Abgabe zu erwarten sind, die dann u. a. in den Ausbau von Präventions- und Beratungskonzepten für die Suchtvermeidung und -bekämpfung investiert werden sollten.“ Mit Modellprojekten zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene könnte geprüft werden, welche erwünschten und unerwünschten Folgen entstehen. Vor der Entscheidung wären die Risiken und auch der Bedarf im Land bzw. die Bedürfnisse der Bevölkerung zu prüfen. Wie oben dargestellt, wird Suchtprävention in Brandenburg anders und weiter gefasst als im Bremer Antrag dargestellt. Von daher entfällt auch eine Legitimation des Vorhabens durch Finanzierung einer vermeintlichen Prävention/Aufklärung. Darüber hinaus wäre zu bedenken, dass die Steuereinnahmen im Zusammenhang mit dem Modellprojekt die gesamtgesellschaftlichen Aufwendungen, die eine Freigabe von Cannabis nach sich ziehen würde, bei Berücksichtigung steigender Aufwendungen im Gesundheitswesen, in der Rentenversicherung und bei der Grundsicherung möglicherweise nicht ausgleichen könnten. Ob der Zugang zu einer Droge und der Konsum gesellschaftlich toleriert und akzeptiert wird, ist eine Frage, die nur zu einem kleinen Teil mit gesundheitlichen Argumenten geklärt werden kann. Historie, gesellschaftliche Strukturen, kollektive Erfahrungen und Werte sind mit Drogen verknüpft. Hier gibt es Veränderungen über die Zeit, wie zuletzt bei Tabak beobachtet werden konnte. Die allgemeine Akzeptanz des Tabakkonsums hat beispielsweise stark abgenommen. Die Brandenburger Bevölkerung sieht in Cannabis möglicherweise mehrheitlich noch eine sehr gefährliche Droge, was die Eigenschaften der Substanz selbst angeht. Modellprojekte sollen gesichertes Wissen über Sachverhalte liefern und haben damit einen Versuchscharakter. Es erscheint per se nicht sinnvoll, Modellprojekte überall zeitgleich durchzuführen. Von daher wird für Brandenburg keine Dringlichkeit gesehen. Nr. 5 des Antrags aus der Bremischen Bürgerschaft lautet: „Die Bürgerschaft (Landtag ) fordert den Senat auf zu prüfen, inwieweit Möglichkeiten zu schaffen sind, dass Konsumentinnen und Konsumenten eine Substanzanalyse des von ihnen verwendeten Cannabis durchführen lassen, um sie vor besonders gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen und Verunreinigungen zu schützen und über die spezifischen Gefahren der verschiedenen Cannabinoide aufzuklären.“ Die Einrichtung von Stellen, bei denen die Konsumenten eine Substanzanalyse von Cannabis durchführen lassen können , ist nach bundesgesetzlicher Rechtslage mit dem strafrechtlichen Besitzverbot für Betäubungsmittel nicht vereinbar. Gegen die Konsumenten, die eine solche Möglichkeit in Anspruch nehmen würden, wären bei Kenntniserlangung durch die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungsverfahren einzuleiten, wobei in Fällen wiederholter Tatbegehung innerhalb kurzer Zeit die Schuld nicht mehr als gering anzusehen wäre, was einem Absehen von der Verfolgung nach § 31a BtMG entgegenstehen würde. Darüber hinaus sollen durch die in Fachkreisen diskutierte Qualitätsprüfung von Drogen (Drug Checking) gesundheitlich hochriskante Substanzen festgestellt werden, deren Konsum zu schweren Gesundheitsschäden oder Todesfällen führen kann. Da bei Cannabis lediglich der Wirkstoff THC (in unterschiedlichem Gehalt) enthalten ist und Gesundheitsschäden durch Verunreinigungen oder Todesfälle durch Konsum einer Überdosis nicht bekannt sind, wird bei Cannabis kein tatsächlicher Bedarf für Substanzanalysen gesehen. Frage 11: Wie häufig wurde Personen, die a) unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug geführt haben, b) unter Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug geführt haben, in Brandenburg die Fahrerlaubnis entzogen? Bitte für die vergangenen 5 Jahre aufschlüsseln . zu Frage 11: Der Landesregierung liegen hierzu keine originären Erkenntnisse vor, da eine statistische Erfassung auf Landesebene insoweit nicht erfolgt. Beim Kraftfahrtbundesamt sind über das Internet allgemeine Daten für den Zeitraum 2007 bis 2014 unter folgendem Link abrufbar, die allerdings keine Differenzierung der Gründe für den Fahrerlaubnisentzug enthalten: http://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftfahrer/Fahrerlaubnisse/Fahrerlaubnismassnahme n/2014/2014_fe_mdusl.html?nn=1389472. Frage 12: Wird in Brandenburg Personen, die von der Polizei im Besitz oder unter Einfluss von Cannabis angetroffen werden, dabei aber kein Fahrzeug geführt haben, die Fahrerlaubnis entzogen? Wenn ja, wie häufig? Bitte für die vergangenen 5 Jahre aufschlüsseln. zu Frage 12: Nach § 2 Abs. 12 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) hat die Polizei Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln , soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Eine entsprechende Mitteilungspflicht enthält Nummer 45 Abs. 2 der Anordnung über die Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) vom 12. November 2015 (BAnz AT 13. November 2015) für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie für Richterinnen und Richter. Über die weiteren Maßnahmen bis hin zu einer möglichen Entziehung der Fahrerlaubnis entscheiden die Fahrerlaubnisbehörden . Statistische Angaben dazu lassen sich daher weder aus der PKS noch aus dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister erheben. Frage 13: Wie bewertet die Landesregierung die von der zum Alkoholkonsum abweichenden Regelung der verkehrsunabhängigen Überprüfung der Fahreignung gegenüber Personen, die von der Polizei im Besitz von Cannabis angetroffen werden? zu Frage 13: Die polizeilichen Befugnisse zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit von Personen beziehen sich gleichermaßen auf Alkohol, Medikamente und andere berauschende Mittel. Grundsätzlich abweichende Regelungen sind nicht bekannt. Die Maßnahmen richten sich nach der jeweiligen Beurteilung des konkreten Einzelfalles. Richtlinie zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften bei Verstößen gegen das B... Seite 1 von 2 G t` C10 Richtlinie zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten vom 15. August 2006 (JMBI/06, [Nr. 9], S.122) Präambel: Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 9. März 1994 das geltende Betäubungsmittelstrafrecht für verfassungskonform erklärt und in diesem Zusammenhang auf die von Cannabisprodukten ausgehenden "nicht unbeträchtlichen Gefahren und Risiken" insbesondere für die Gesundheit hingewiesen. Ein Absehen von der Verfolgung gemäß § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) kommt ausschließlich bei geringen, dem gelegentlichen Eigenverbrauch dienenden Mengen in Betracht und ist nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig zu prüfen. Gleichwohl darf hierbei nicht der Eindruck entstehen, Cannabiskonsum sei im Grunde unproblematisch. Stattdessen muss im Interesse des Gesundheitsschutzes, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, dem gesundheits- und gemeinschädlichen Missbrauch von Drogen aller Art durch Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung sowie durch Hilfe beim Ausstieg nachhaltig entgegengewirkt werden. 1. Diese Richtlinien sollen eine möglichst gleichmäßige Handhabung der Absehensvorschrift nach § 31a BtMG bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, die im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten stehen, sicherstellen. In Verfahren, die nicht den Umgang mit Cannabisprodukten betreffen, entscheidet die Staatsanwaltschaft über das Absehen von der Verfolgung nach Einzelfallprüfung. Die Verfolgungspflicht der Polizeibehörden bleibt von diesen Richtlinien unberührt. 2. Nach § 31a BtMG kann die Staatsanwaltschaft bei Vergehen nach § 29 Abs. 1, 2 oder 4 BtMG ohne Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Sind durch die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetztes (BtMG) Verhaltensweisen mit Strafe bedroht, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen der in Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 BtMG angeführten Cannabisprodukte vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 90, 145 ff.) grundsätzlich von der Verfolgung der in § 31a BtMG bezeichneten Straftaten abzusehen. Eine geringe Menge im Sinne des § 31a BtMG ist bei Cannabisprodukten bis zu einer Obergrenze von 6 g (Bruttogewichtsmenge) anzunehmen. Zum Eigenverbrauch ist ein Betäubungsmittel bestimmt, wenn der Täter es ausschließlich selbst konsumiert hat oder konsumieren will. Dabei ist im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten zu entscheiden. http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschrifien/rIbtmg 14.09.2016 Richtlinie zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften bei Verstößen gegen das B... Seite 2 von 2 Die Anwendung des § 31a BtMG setzt - ebenso wie bei § 153 StPO - nicht voraus, dass die geringe Schuld auf Grund der Ermittlungen mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen ist. Erforderlich ist nur eine hypothetische Schuldbeurteilung. Es genügt die Prognose, dass die Schuld als gering anzusehen wäre, selbst wenn der vorgeworfene Sachverhalt sich auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens bestätigen würde. Der Sachverhalt braucht daher auch nur so weit aufgeklärt zu werden, wie es für diese Prognoseentscheidung notwendig ist. Für die Frage, ob die Schuld als gering anzusehen wäre, ist insbesondere von Bedeutung, ob der Täter in strafrechtlicher Hinsicht in zeitnahen Abständen bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist oder ob ein in kurzen Abständen stattfindender Dauergebrauch nachzuweisen ist. Die Anwendung des § 31 a BtMG ist aber auch bei wiederholter Tatbegehung jedenfalls dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn die festgestellten Umstände nahe legen, dass es sich bei dem Täter gleichwohl um einen Gelegenheitskonsumenten handelt, der einer Drogentherapie nicht bedarf. Als Gelegenheitskonsumenten sind in der Regel solche Täter anzusehen, die im letzten Jahr vor der Feststellung der Tat strafrechtlich nicht auffällig geworden sind. Andernfalls ist zu prüfen, ob eine Verfahrensweise nach § 37 Abs. 1 BtMG (auch in Verbindung mit § 38 Abs. 2 BtMG) in Betracht kommt. Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gefahr besteht, dass Dritte erstmalig mit Betäubungsmitteln in Berührung kommen (z. B. Drogenkonsum in der Umgebung von Schulen oder in Gegenwart von Dritten, die bislang nicht Konsumenten sind). Allerdings kann das öffentliche Interesse an weiterer Strafverfolgung auch dann bestehen, wenn der Verdächtige sich nicht mit der außergerichtlichen Einziehung sichergestellter Drogen einverstanden erklärt. In diesen Fällen ist nach § 33 Abs. 2 BtMG, § 74 Abs. 4 StGB zu verfahren, das heißt das sichergestellte Rauschgift durch Urteil einzuziehen. 3. Die §§ 45, 47 JGG gehen als jugendstrafrechtliche Spezialregelung dem § 31 a BtMG vor. Die Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung nach anderen Vorschriften (§§ 153 ff. StPO, 37, 38 Abs. 2 BtMG) bleiben unberührt; bei Vorliegen einer lediglich geringen Eigenkonsummenge verdrängt jedoch § 31a BtMG als Spezialregelung die §§ 153, 153a StPO. 4. Diese Rundverfügung ergeht im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie, dem Ministerium des Innern und dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. 5. Diese Rundverfügung tritt mit Wirkung vom 10. August 2006 in Kraft. Gleichzeitig wird die Rundverfügung des Ministers der Justiz vom 17. September 1993, JMBI. S. 158 (Richtlinien für die Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften im Betäubungsmittelgesetz) aufgehoben. Potsdam, den 15. August 2006 Die Ministerin der Justiz Beate Blechinger http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriftenirlbtmg 14.09.2016 Page 1 Page 2