Datum des Eingangs: 07.10.2016 / Ausgegeben: 12.10.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5215 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2113 des Abgeordneten Thomas Jung AfD-Fraktion Drucksache 6/5065 Einsatz von Staatsanwälten und Richtern in Bereitschaft in Welzow in der Zeit vom 9. bis 16. Mai 2016 Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers Umweltaktivisten hatten für den Zeitraum vom 9. Mai bis 16. Mai 2016 in Proschim bei Welzow das „6. Lausitzer Klima- und Energiecamp 2016“ organisiert. Im Rahmen dieses Klimacamps wurde auch die aus einzelnen Personen und Gruppen bestehende Aktion „Ende Gelände“ aktiv. Die Organisatoren dieser Aktion hatten bereits vorab angekündigt, dass sie zivilen Ungehorsam leisten wollen. Diese Aktion „Ende Gelände “ besetzte dann auch der Braunkohletagebau Welzow-Süd, das Kraftwerk Schwarze Pumpe und die Verbindungsgleise zwischen Tagebau und Kraftwerken. Im Zusammenhang mit dieser Aktion kam es dann tatsächlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen . In deren Folge sind gegen eine Vielzahl von Teilnehmern der Aktion „Ende Gelände“ Ermittlungsverfahren u.a. wegen Sachbeschädigung, Land- und Hausfriedensbruchs, Körperverletzung u.a. eingeleitet worden. Um zu gewährleisten, dass an 365 Tagen im Jahr auch außerhalb der regulären Dienstzeiten eine effektive Strafverfolgung stattfinden kann, unterhalten die Gerichte und die Staatsanwaltschaften Bereitschaftsdienste. Hierdurch soll sichergestellt werden , dass strafprozessuale Maßnahmen (z.B. Erlass von Haftbefehlen, Durchsuchungsbeschlüssen , TKÜ-Maßnahmen, die Anordnung körperlicher Untersuchungen pp.) auch nach Dienstschluss eines Amtsgerichts und der Staatsanwaltschaft erlassen und vollstreckt werden können. Frage 1: Wie ist der richterliche Bereitschaftsdienst am Amts- und Landgericht Cottbus geregelt ? 2 zu Frage 1: Der Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts Cottbus ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Cottbus wie folgt geregelt: Montag bis Donnerstag: 06:00 Uhr bis 08:00 Uhr 15:30 Uhr bis 21:00 Uhr Freitag: 06:00 Uhr bis 08:00 Uhr 14:00 Uhr bis 21:00 Uhr Wochenende und Feiertage: 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr Während des Bereitschaftsdienstes wird die Erreichbarkeit der diensthabenden Richterin oder des diensthabenden Richters und der Protokollkraft durch überlassene dienstliche Mobilfunktelefone gewährleistet. Bei besonderen Lagen ist der Bereitschaftsdienst auch nach 21:00 Uhr erreichbar; dies gilt insbesondere dann, wenn vor 21:00 Uhr die Bereitschaftsrichterin oder der -richter von einem noch zu bearbeitenden Vorgang in Kenntnis gesetzt wird, sich die Bearbeitung jedoch bis nach 21:00 Uhr hinauszögert. An Wochenenden und Feiertagen besteht ein Präsenzdienst im Gebäude Thiemstraße 130 in der Zeit von zumindest 10:00 Uhr bis 11:00 Uhr bzw. bis zur Beendigung der konkret anfallenden und durch den Eildienst zu regelnden Angelegenheiten. Soweit dem Amtsgericht eine besondere Gefahrenlage von Polizei, Staatsanwaltschaft oder anderen Behörden angezeigt wird, kann zusätzlich ein Hintergrundeildienst eingerichtet werden. Dass ein Hintergrundeildienstfall gegeben ist, wird von dem Direktor des Amtsgerichts festgestellt. Die Richterin oder der Richter, der den Hintergrundeildienst übernimmt, hält sich für den Fall bereit, dass die Eildienstrichterin oder der -richter Unterstützung anfordert, um die anstehenden Arbeiten gemeinsam zu erledigen. Der Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts Cottbus ist gemäß § 162 StPO für allgemeine strafrechtliche Angelegenheiten des Ermittlungsrichters für den gesamten Landgerichtsbezirk Cottbus zuständig. Des Weiteren sind vom Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts Cottbus Maßnahmen nach dem Polizeirecht, zivilrechtliche Angelegenheiten sowie Unterbringungs- und Betreuungsmaßnahmen im Bezirk des Amtsgerichts Cottbus zu bearbeiten. Diese Regelung entspricht den gesetzlichen Vorgaben und hat sich seit Jahren bewährt. Beim Landgericht Cottbus besteht kein richterlicher Eildienst, weil es dafür aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen keinen Bedarf gibt. Frage 2: Wie ist der Bereitschaftsdienst der Staatsanwaltschaft Cottbus geregelt? zu Frage 2: Der im wöchentlichen Wechsel jeweils von einer Staatsanwältin oder einem Staatsanwalt wahrgenommeine Bereitschaftsdienst bei der Staatsanwaltschaft Cottbus findet rund um die Uhr statt. 3 Frage 3: Wie viele Bereitschaftsstaatsanwälte und wie viele Bereitschaftsrichter waren in dem Zeitraum vom 09. bis 16.05.2016 direkt vor Ort in Welzow (Tagebau Welzow-Süd) und am Kraftwerk Schwarze Pumpe im Einsatz? zu Frage 3: Im Zeitraum vom 9. bis 16. Mai 2016 war der Bereitschaftsdienst sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch beim Amtsgericht Cottbus besonders geregelt: Bei der Staatsanwaltschaft Cottbus war durchweg ein Dezernent der politischen Abteilung , der mit der Bearbeitung der im Zusammenhang mit der Aktion „Ende Gelände “ zu erwartenden Straftaten in besonderem Maße vertraut ist, als Bereitschaftsstaatsanwalt eingesetzt. Am Pfingstwochenende, für das im Vorfeld bereits Aktivitäten des „zivilen Ungehorsams“ angekündigt worden waren, ist zusätzlich ein zweiter Dezernent der politischen Abteilung in Form einer Rufbereitschaft hinzugezogen worden. Fernmündlich konnte und ist durch die beiden eingesetzten Staatsanwälte auch der Leiter der politischen Abteilung über die aktuellen Sachstände informiert und die Durchführung vereinzelter Maßnahmen erörtert und abgestimmt worden. Auch der Leitendende Oberstaatsanwalt in Cottbus konnte jederzeit fernmündlich kontaktiert werden und hat sich im Verlauf des Pfingstwochenendes zur Polizei begeben , um sich über die jeweiligen Entwicklungen zu informieren und eilbedürftige Maßnahmen abzustimmen bzw. anzuordnen. Ein unmittelbarer Aufenthalt der beiden eingesetzten Bereitschaftsstaatsanwälte direkt vor Ort in Welzow und am Kraftwerk Schwarze Pumpe war weder vorgesehen noch bestand hierzu Anlass. Aufgabe der Staatsanwälte war es, anhand der aufgenommenen Strafanzeigen und der durch die Polizei aufgeführten Beweismittel zu entscheiden, ob im Einzelfall eilbedürftige strafprozessuale Entscheidungen zu treffen bzw. diesbezügliche Maßnahmen anzuordnen waren. Am Amtsgericht Cottbus war über das gesamte Pfingstwochenende vom 13. bis 16. Mai 2016 zur Unterstützung des originären Bereitschaftsrichters ein weiterer Richter als Hintergrundeildienstrichter eingeteilt, so dass auch das Amtsgericht auf die Aktion „Ende Gelände“ personell besonders vorbereitet war. Bereitschafts- und Hintergrundeildienstrichter waren nicht unmittelbar vor Ort in Welzow und am Kraftwerk Schwarze Pumpe im Einsatz, weil dazu weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen Veranlassung bestand. Frage 4: Sind in dem o.b. Zusammenhang über die bereits bekannten Ermittlungsverfahren (Stand 07.07.2016) hinaus weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet worden? zu Frage 4: Über die bereits in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1801 (LT-Drs. 6/4608) mitgeteilten 24 Verfahren hinaus sind zwischenzeitlich weitere 17 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. 4 Sieben dieser Ermittlungsverfahren stehen im Zusammenhang mit der Besetzung des Kraftwerkes Schwarze Pumpe und des Tagebaus Welzow-Süd im Zeitraum vom 12. bis 14. Mai 2016; die Tatvorwürfe lauten auf Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung , Körperverletzung bzw. Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Darüber hinaus wird in einem weiteren Verfahren gegen unbekannte Täter ermittelt, die bereits am 4. April 2016 zu Straftaten gegen Mitarbeiter von Vattenfall im Internet aufgerufen haben. Neun der Verfahren betreffen Straftaten zum Nachteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Aktion „Ende Gelände“, wobei fünf den Vorwurf der Körperverletzung, zwei den Vorwurf der Nötigung und eines den Diebstahl eines Fahrrades beinhalten; Gegenstand eines weiteren Verfahrens ist, dass ein Profilbesucher ein auf der Facebook -Seite „Ende Gelände“ abgespieltes Video mit den Worten „Alle erschießen!“ kommentierte. Frage 5: Wie viele beschleunigte Verfahren wurden im Zusammenhang mit den gewalttätigen Protesten eingeleitet und abgeschlossen? (Bitte aufgliedern nach Straftatbestand und Strafmaß) zu Frage 5: Im unmittelbaren Zusammenhang mit den gewalttätigen Protesten im Zeitraum vom 9. bis 16. Mai 2016 ist eine Aktivistin im Wege des beschleunigten Verfahrens wegen Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden; das Urteil vom 9. Juni 2016 ist noch nicht rechtskräftig. Weitere beschleunigte Verfahren sind nicht durchgeführt worden, weil die nach § 417 StPO erforderlichen Voraussetzungen – einfacher Sachverhalt oder klare Beweislage – aufgrund der Vielzahl der beteiligten Aktivisten und der dadurch bedingten unübersichtlichen Gesamtsituation nicht vorlagen. Frage 6: Wie viele besonders beschleunigte Verfahren wurden im Zusammenhang mit den gewalttätigen Protesten eingeleitet und abgeschlossen? (Bitte aufgliedern nach Straftatbestand und Strafmaß) zu Frage 6: Das sog. „besonders“ beschleunigte Verfahren ist keine eigenständige Verfahrensart, sondern allgemeinen die Bezeichnung dafür, dass die Hauptverhandlung in einem beschleunigten Verfahren gemäß § 418 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StPO „sofort“, d.h. am Tag der vorläufigen Festnahme oder jedenfalls noch innerhalb der Wochenfrist bei angeordneter Hauptverhandlungshaft nach § 127b StPO, durchgeführt wird. Besonders beschleunigte Verfahren wurden im Zusammenhang mit der Aktion „Ende Gelände“ nicht durchgeführt.