Datum des Eingangs: 18.10.2016 / Ausgegeben: 24.10.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5280 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2126 der Abgeordneten Birgit Bessin und Thomas Jung der AfD-Fraktion Drucksache 6/5105 Altersfeststellung bei minderjährigen Flüchtlingen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Minderjährige Flüchtlinge können in Schweden als Erwachsene eingestuft werden, wenn sie ihr Alter nicht belegen können und entsprechende Verfahren zur Altersbestimmung verweigern. http://deutschewirtschafts -nachrichten.de/2016/09/11/schweden-schickt-minderjaehrige-fluechtlingezur -alterskontrolle/ Frage 1: Wie viele minderjährige Flüchtlinge ohne gültige Dokumente sind in den letzten zwei Jahren im Land Brandenburg eingereist, bei denen die Altersangabe zumindest fraglich war? Bitte setzen Sie diese Zahl auch in Relation zu den gesamt eingereisten minderjährigen Flüchtlingen in Brandenburg. zu Frage 1: Die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg hat in den Jahren 2014 bis 2016 (Stand 31. August 2016) insgesamt folgende begleitete und unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer statistisch erfasst: Registrierung im Jahr 2014 im Jahr 2015 im Jahr 2016 Anzahl minderjähriger Ausländer 1.741 8.152 2.996 Davon sind ohne Dokumente eingereist: Registrierung im Jahr 2014 im Jahr 2015 im Jahr 2016 Anzahl minderjähriger Ausländer 1.080 (62,0 %) 6.342 (77,8 %) 2.325 (77,6 %) Zweifel an der Altersangabe werden in der Zentralen Ausländerbehörde statistisch nicht erfasst. Dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg liegen für die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer ebenfalls keine entsprechenden statistischen Daten vor. Frage 2: Wie wird in diesen Fällen das wirkliche Alter festgestellt, welche Verfahren werden dazu genutzt, wie ausgereift sind diese und welche Fehlertoleranz wird als gegeben hingenommen? zu Frage 2: Das behördliche Verfahren zur Altersfeststellung bei unbegleiteten ausländischen Minderjährigen ist für die Fälle, in denen durch die Ausweispapiere die Minderjährigkeit nicht nachgewiesen werden kann, in § 42f SGB VIII geregelt (Inaugenscheinnahme, ärztliche Untersuchung). Hinsichtlich begleiteter ausländischer Minderjähriger, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, bestimmt § 49 Abs. 6 AufenthG, dass auch zur Feststellung des Lebensalters ärztliche Untersuchungen durchgeführt werden können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Frage 3: Welchen Verfahren zur Altersfeststellung müssen sich davon betroffene Personen unterziehen, welche sind freiwillig? zu Frage 3: Da Leistungen nach dem SGB VIII für unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer nur in Betracht kommen, wenn die Minderjährigkeit gegeben ist, muss dies verlässlich festgestellt werden. Im Rahmen des behördlichen Verfahrens gemäß § 42f SGB VIII hat das Jugendamt für unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer eine Alterseinschätzung in den Fällen vorzunehmen, in denen keine gültigen Dokumente vorgelegt werden können. Sie erfolgt nach § 42f Absatz 1 SGB VIII im Rahmen einer qualifizierten Inaugenscheinnahme. Die Altersfeststellung ist nicht freiwillig. In Zweifelsfällen kann das zuständige Jugendamt nach § 42f Absatz 2 SGB VIII, auf Antrag der/des Betroffenen oder ihres/seines Vertreters oder von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung veranlassen. Ist die ärztliche Untersuchung von Amts wegen durchzuführen, ist die betroffene Person zusätzlich über die Folgen einer Weigerung aufzuklären; die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres Vertreters durchgeführt werden. Maßnahmen nach § 49 Abs. 6 AufenthG hat der Ausländer dagegen zu dulden. Frage 4: Wie oft wurde in den letzten beiden Jahren durch minderjährige Flüchtlinge ohne Papiere die Feststellung des Alters durch ein geeignetes Verfahren verweigert und welche Konsequenzen hat eine derartige Verweigerung? zu Frage 4: Der Landesregierung liegen hierzu keine statistischen Angaben vor. Als Folgen einer Weigerung kommen die in § 66 SGB I genannten Maßnahmen in Betracht. Aufenthaltsrechtlich kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verweigert werden, wenn die Identität nicht geklärt ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG). Frage 5: Wer ist mit der Feststellung des Alters beauftragt und welche Standards gibt es in diesem Bereich? zu Frage 5: Für die Feststellung des Alters unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher im Rahmen des behördlichen Verfahrens gemäß § 42f SGB VIII ist das Jugendamt verantwortlich, in dessen Zuständigkeit die vorläufige Inobhutnahme erfolgt. Maßnahmen nach $ 49 Abs. 6 AufenthG werden durch die Ausländerbehörden, die Grenzkontrollbehörden sowie die Landespolizei veranlasst, die bei ärztlichen Untersuchungen auf den öffentlichen Gesundheitsdienst zurückgreifen können. In der Bundesrepublik gibt es keine einheitlichen Standards für die Alterseinschätzung bzw. -feststellung. In den als Handreichung des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport veröffentlichten Hinweisen „Zur Unterbringung, Versorgung und Betreuung unbegleiteter, minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer im Land Brandenburg“ wurde darauf hingewiesen, dass nach heutigem Erkenntnisstand keine Methode existiert, mit der das Alter exakt bestimmt werden kann. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport empfiehlt deshalb, sozialpädagogische Verfahren der Alterseinschätzung zu nutzen, wie sie z. B. in den Handlungsempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter von Mai 2014 zum Umgang mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen dargestellt werden. Frage 6: Wie beurteilt die Landesregierung die Verfahrensweise in Schweden und welche Schlüsse werden für ähnlich gelagerte Verfahren in Brandenburg gezogen? zu Frage 6: Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, Verfahrensweisen anderer Länder oder Staaten zu bewerten. Frage 7: Wie viele minderjährige Flüchtlinge mit dem Geburtsdatum 01.01.xxxx wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 registriert? zu Frage 7: Die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg hat in den Jahren 2014 bis 2016 (Stand 31. August 2016) folgende begleitete und unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer mit dem Geburtsdatum 01.01.xxxx registriert: Registrierung im Jahr 2014 im Jahr 2015 im Jahr 2016 Anzahl minderjährige Ausländer 74 1.930 530 Im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben nach dem SGB VIII ist das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport für die Zuweisungsentscheidungen für unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer an die örtlichen Jugendämter verantwortlich. Im Zeitraum vom 1. November 2015 bis 21. Juli 2016 erfolgten insgesamt 1.008 Fallzuweisungen unbegleiteter ausländischer Minderjähriger gemäß § 42b SGB VIII an die örtlichen Jugendämter. Davon haben 277 junge Menschen in den Geburtsjahren 1999 bis 2007 das Geburtsdatum 01.01.xxxx (27,5 %).