Datum des Eingangs: 30.01.2015 / Ausgegeben: 04.02.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/529 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 155 des Abgeordneten Christoph Schulze fraktionslos Drucksache 6/361 Wortlaut der Kleinen Anfrage 155 vom 06.01.2015 Umsetzung des Schallschutzprogramms des Flughafens BER durch die FBB Die Problematik der Umsetzung des Schallschutzprogramms, das nunmehr seit mehr als 7 Jahren läuft und immer wieder abgeändert werden musste, wurde vielfach im Landtag Brandenburg, im Plenum, in den Fachausschüssen und insbesondere im Sonderausschuss BER erörtert und besprochen. Die Flughafengesellschaft veröf- fentlicht monatlich den Bericht zum Stand der Umsetzung des Schallschutzpro- gramms. Seit vielen Jahren wurden den Bürgern sogenannte Kostenerstattungs- vereinbarungen (KEV) zugesandt, in denen der Flughafen auflistete, was aus Sicht des Flughafens und der von ihm beauftragten Ingenieure notwendig sei, um den Bürgerinnen und Bürgern einen angemessenen Schallschutz angedeihen zu lassen und was dies in Kosten ausgedrückt bedeutet, die der Flughafen sich bereit erklärt, zu bezahlen. Diese Kostenerstattungsvereinbarungen wurden vom Flughafen ausgefertigt, den Bürgern zugeschickt. Die Bürgerinnen und Bürger wurden aufgefordert, diese zu un- terschreiben und zurückzuschicken. Nur mit der entsprechenden Unterschrift ent- stand quasi ein zweiseitiger Vertrag. Noch im Bericht der Umsetzung des Schall- schutzprogramms vom Juli 2013 ist von Kostenerstattungsvereinbarung die Rede (siehe Schreiben der Flughafengesellschaft vom 14.08.2013 an das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg). In den späteren Berich- ten zum Stand der Umsetzung des Schallschutzprogramms ist dann plötzlich von Anspruchsberechtigungen (ASE) die Rede. Weder der Landtag Brandenburg, noch der Fachausschuss wurde über den Wechsel von Kostenerstattungsvereinbarung zu ASE informiert. Das Verfahren läuft jetzt auch anders. Die Flughafengesellschaft, und die durch sie beauftragten Ingenieure ermitteln, wie auch seinerzeit bei den Kos- tenerstattungsvereinbarungen, nach ihren eigenen Richtlinien und Grundsätzen den augenblicklichen Bedarf an Schallschutz und die dafür aus ihrer Sicht notwendigen Mittel und Maßnahmen zur Umsetzung des Schallschutzprogramms zur Erreichung der Schallschutzziele nach Planfeststellungsbeschluss und Gerichtsurteilen. Sie werden dann in einer sogenannten Anspruchsberechtigung, basierend auf einer schallschutztechnischen Objektbeurteilung (STOB) und gepaart mit einem Leis- tungsverzeichnis (LV) den Bürgerinnen und Bürgern zugesandt. Anders als bei den Kostenerstattungsvereinbarungen ist bei dieser Art des Vorgehens keine Zustim- mung des Bürgers mehr vorgesehen, sondern die Flughafengesellschaft teilt den Bürgern einseitig mit, was sie zu leisten bereit ist, unabhängig davon, ob die Bürge- rinnen und Bürger das verstehen, akzeptieren und auch so wollen. Das ist ein Sys- temwechsel im Vorgehen. Aus diesem Grund stellen sich einige Fragen. Ich frage die Landesregierung: 1. Weshalb und von wem wurde das ASE-Verfahren entwickelt? Auf wen geht es zurück? 2. Wer hat diesen Wechsel von den Kostenerstattungsverfahren (KEV) zu den Anspruchsberechtigungen initiiert, organisiert und beschlossen und wer war beteiligt? 3. Bis wann wurden durch die Flughafengesellschaft Kostenerstattungsvereinbarungen verschickt? 4. Ab wann wurden durch die Flughafengesellschaft die neuen Anspruchsbe- rechtigungen für den Fall „ASE-B“, d.h. Baumaßnahmen oder für den Fall „ASE-E“ Entschädigung verschickt? 5. Warum wurde für den Systemwechsel von KEV zur ASE das Zeitfenster des Sommerlochs 2014 gewählt? 6. Wie war die Landesregierung oder das MIL oder das LUBB in diese Fragen eingebunden? 7. Hat die Flughafengesellschaft diese veränderte Vorgehensweise mit der Lan- desregierung und den Aufsichtsbehörden besprochen? Wenn ja, wann und in welcher Art und Weise? 8. Hat sich die Flughafengesellschaft diesen Wechsel genehmigen lassen? Wenn ja, wann und durch wen? 9. Warum wurde dieser System- und Verfahrenswechsel vollzogen? 10. Welche Vorteile bringt er für wen? 11. Wann und wie wurden die Abgeordneten des Landtags Brandenburg der 5. Wahlperiode und insbesondere die Mitglieder des Sonderausschusses BBR in der 5. Wahlperiode über diesen Systemwechsel und diese Vorgehensweise informiert? 12. Wurde dieser Verfahrenswechsel von KEV zu ASE im Aufsichtsrat der FBB besprochen? Wenn ja, wann? 13. Wurde die Fluglärmkommission des Landes Brandenburg zum Flughafen in diese Frage des Themenwechsels von KEV zu ASE einbezogen? Wenn ja, wann und durch wen und wie? 14. Warum wurde die Öffentlichkeit von diesem Verfahrenswechsel von KEV zu ASE nicht informiert? 15. Wo ist im Planfeststellungsbeschluss zum Flughafen BER bzw. im Planer- gänzungsbeschluss festgelegt, dass die Realisierung des passiven Schallschutzes d.h. die Erfüllung der Rechtspflicht des Flughafens gegenüber den Bürgern Schallschutz zu erbringen gleichzusetzen ist mit der Versendung von ASE an die Anspruchsberechtigten, so wie es heute vom Vorstand der Flughafengesellschaft behauptet und letztendlich auch getan wird? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Weshalb und von wem wurde das ASE-Verfahren entwickelt? Auf wen geht es zu- rück? Zu Frage 1: Der Planfeststellungsbeschluss verpflichtet die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) dazu, die in der Planfeststellung zugunsten der Anwohner verfügten Ansprüche auf Schallschutzmaßnahmen zu erfüllen. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, hat die FBB eigenverantwortlich ein Verfahren entwickelt, welches dazu dient, die individuellen Ansprüche der einzelnen Antragsteller zu ermitteln. Die Anspruchsberechtigten werden von der FBB mittels einer sog. Anspruchsermittlung (ASE) über ihre aus der Planfeststellung resultierenden Ansprüche gegenüber der FBB informiert. Frage 2: Wer hat diesen Wechsel von den Kostenerstattungsverfahren (KEV) zu den An- spruchsberechtigungen initiiert, organisiert und beschlossen und wer war beteiligt? Zu Frage 2: Die Entscheidung, anstelle von Kostenerstattungsvereinbarungen (KEV) sog. An- spruchsermittlungen (ASE) an die Anspruchsberechtigten zu versenden, wurde ei- genverantwortlich von der FBB getroffen. Frage 3: Bis wann wurden durch die Flughafengesellschaft Kostenerstattungsvereinbarungen verschickt? Zu Frage 3: Laut Auskunft der FBB wurde der Versand von Kostenerstattungsvereinbarungen kurz nach der einstweiligen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 15. Juni 2012 zum Tagschutz gestoppt. Frage 4: Ab wann wurden durch die Flughafengesellschaft die neuen Anspruchsberechtigungen für den Fall „ASE-B“, d.h. Baumaßnahmen oder für den Fall „ASE-E“ Entschädigung verschickt? Zu Frage 4: Laut Auskunft der FBB begann der Versand von Anspruchsermittlungen baulicher Schallschutz (ASE-B) im Juni 2014 und von Anspruchsermittlungen Entschädigung (ASE-E) im Juli 2014. Frage 5: Warum wurde für den Systemwechsel von KEV zur ASE das Zeitfenster des Sommerlochs 2014 gewählt? Zu Frage 5: Laut Auskunft der FBB liegt die Entscheidung der FBB anstelle von Kostenerstattungsvereinbarungen Anspruchsermittlungen zu versenden deutlich länger zurück und wurde nicht erst im Sommer 2014 getroffen. In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort der Landesregierung vom Oktober 2013 zur Frage 7 der Kleinen Anfrage 3179 verwiesen. Dort wird bereits über die von der FBB geplante Vorgehensweise informiert, zukünftig Anspruchsermittlungen an die Anspruchsberechtigten zu versenden. Frage 6: Wie war die Landesregierung oder das MIL oder das LUBB in diese Fragen eingebunden ? Frage 7: Hat die Flughafengesellschaft diese veränderte Vorgehensweise mit der Landesregierung und den Aufsichtsbehörden besprochen? Wenn ja, wann und in welcher Art und Weise? Frage 8: Hat sich die Flughafengesellschaft diesen Wechsel genehmigen lassen? Wenn ja, wann und durch wen? Zu Frage 6, 7 und 8: Die Ausgestaltung von unternehmensinternen Prozessabläufen der FBB zur planfeststellungskonformen Umsetzung der Schallschutzauflagen unterliegt keinem Erlaubnisvorbehalt . Einer Genehmigung der Umstellung von KEV auf ASE durch die Landesregierung bedurfte es insofern nicht. Die FBB befindet sich in regelmäßigem Kontakt zur Landesregierung und zu den verschiedenen Behörden des Landes. Die Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde BerlinBrandenburg (LuBB) wurde als für den Flughafen zuständige Planfeststellungs- und Genehmigungsbehörde von der FBB über das geplante Vorgehen in Kenntnis gesetzt . Frage 9: Warum wurde dieser System- und Verfahrenswechsel vollzogen? Frage 10: Welche Vorteile bringt er für wen? Zu Frage 9 und 10: Laut Auskunft der FBB wurde der Wechsel vorgenommen um das Verfahren zur Umsetzung der verfügten Schallschutzauflagen zu verschlanken und effektiver zu gestalten . Insbesondere die Versandpraxis der KEV erwies sich nach Auskunft der FBB als zu statisch und aufwendig. Die Versandpraxis der KEV sah vor, diese zunächst an die Eigentümer zu versenden. Die Eigentümer hatten dann die Möglichkeit, die KEV zu prüfen, zu unterzeichnen und an die FBB zurückzusenden. Die KEV wurde daraufhin durch die FBB gegengezeichnet und wiederum an die Eigentümer zurückgesendet. Erst danach vermochten die Eigentümer, eine bauausführende Firma mit der Ausführung der baulichen Schallschutzmaßnahmen zu beauftragen. Frage 11: Wann und wie wurden die Abgeordneten des Landtags Brandenburg der 5. Wahlperiode und insbesondere die Mitglieder des Sonderausschusses BBR in der 5. Wahlperiode über diesen Systemwechsel und diese Vorgehensweise informiert? Zu Frage 11: Siehe Antwort zu Frage 5. Frage 12: Wurde dieser Verfahrenswechsel von KEV zu ASE im Aufsichtsrat der FBB besprochen ? Wenn ja, wann? Zu Frage 12: Laut Auskunft der FBB war eine explizite Besprechung der Umstellung von KEV auf ASE im Aufsichtsrat nicht angezeigt. Frage 13: Wurde die Fluglärmkommission des Landes Brandenburg zum Flughafen in diese Frage des Themenwechsels von KEV zu ASE einbezogen? Wenn ja, wann und durch wen und wie? Zu Frage 13: Die FBB informiert auf den Sitzungen der Fluglärmkommission regelmäßig in Form eines Sachstandsberichts über das Schallschutzprogramm. In der Sitzung am 14. Oktober 2013 wurde von der FBB im Rahmen des Sachstandsberichts in Form einer Präsentation darüber informiert, dass zukünftig Anspruchsermittlungen anstelle von Kostenerstattungsvereinbarungen versandt werden. Die Präsentation steht seit Oktober 2013 auf der Homepage des MIL unter dem folgenden Link öffentlich zur Verfügung (http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/detail.php/624627). Frage 14: Warum wurde die Öffentlichkeit von diesem Verfahrenswechsel von KEV zu ASE nicht informiert? Zu Frage 14: Die FBB nutzt diverse Möglichkeiten die Öffentlichkeit über ihre Vorgehensweise zu informieren. Siehe Antworten zu den Fragen 5 und 13. Sie führt u. a. regelmäßige Informationsveranstaltungen durch und lädt dazu Eigentümer , die bereits einen Antrag gestellt haben, persönlich ein. In diesen Veranstaltungen wird die Vorgehensweise der FBB in einer umfänglichen Präsentation vorgestellt. Darüber hinaus informiert die FBB auf ihrer Homepage über die Vorgehensweise bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms. Informationen zu den Anspruchsermittlungen können beispielsweise dem Leitfaden Schallschutz (http://www.berlinairport .de/de/_dokumente/nachbarn/2014-11-21- leitfaden_schallschutz_fassung_1_0.pdf) oder dem Schallschutzflyer (http://www.berlin-airport.de/de/presse/publikationen/unternehmen/2014/2014-08- schallschutzflyer.pdf) entnommen werden. Frage 15: Wo ist im Planfeststellungsbeschluss zum Flughafen BER bzw. im Planergänzungsbeschluss festgelegt, dass die Realisierung des passiven Schallschutzes d.h. die Erfüllung der Rechtspflicht des Flughafens gegenüber den Bürgern Schallschutz zu erbringen gleichzusetzen ist mit der Versendung von ASE an die Anspruchsberechtigten , so wie es heute vom Vorstand der Flughafengesellschaft behauptet und letztendlich auch getan wird? Zu Frage 15: Gemäß Auflage A II 5.1.7 Nr. 1 des Planfeststellungsbeschlusses kann die FBB Schallschutzeinrichtungen „selbst einbauen lassen oder dem Betroffenen auf Nachweis die Aufwendungen für den Einbau der erforderlichen Schallschutzeinrichtungen erstatten“. Die FBB hat sich eigenverantwortlich dafür entschieden, Schallschutz nicht selbst einzubauen, sondern den Betroffenen die Aufwendungen für den Einbau der erforderlichen Schallschutzeinrichtungen zu erstatten. Dazu ermittelt die FBB die erforderlichen Maßnahmen im Vorfeld. Im Ergebnis erhalten die Anspruchsberechtigten eine entsprechende Anspruchsermittlung (ASE).