Datum des Eingangs: 24.10.2016 / Ausgegeben: 01.11.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5317 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2135 des Abgeordneten Christoph Schulze der BVB/FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/5143 Eltern-Kind-Gruppen statt Kita-Plätze für Kinder ab 1 Jahr im Land Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Aus der Presse ist zu erfahren, dass immer mehr Kommunen bzw. Landkreise als öffentliche Träger der örtlichen Jugendhilfe nicht in der Lage sind, den Bedarf an Plätzen für Kinder im Alter ab 1 Jahr decken zu können. Aus diesem Grund gehen Träger der Einrichtungen dazu über, Personensorgeberechtigten, die nicht berufstätig sind, einen Platz in einer sogenannten Eltern-Kind-Gruppe (EKG) anzubieten. Eine solche Eltern-Kind-Gruppe wird als rechtsanspruchserfüllend angesehen. Wird dieses Angebot nicht angenommen, so sei damit der Anspruch auf einen Kita-Platz verwirkt. Bei einer Eltern-Kind-Gruppe ist es jedoch zwingend erforderlich, dass ein Elternteil bzw. ein Personensorgeberechtigter während der gesamten Betreuungszeit anwesend ist. Vorbemerkung der Landesregierung: Es wäre eine Unterschätzung der besonderen Qualität und der Wirkungen von Eltern-Kind-Gruppen, wenn sie als bloßer Ersatz oder Notbehelf verstanden würden. Sie erfüllen vielmehr den Auftrag der Kindertagesbetreuung als familienergänzende Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung und sind ein Angebot der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg unter verschiedenen Angebotsformen. Anders als die klassische Kindertagesstätte oder die Kindertagespflege ersetzen sie nicht zeitweise die Familie, sondern beziehen diese mit ein. Sie erfüllen damit nicht nur den Auftrag der Kindertagesbetreuung, sondern gleichzeitig auch Aufgaben der Familienbildung, sind Treffpunkte für Eltern und Wegweiser in weitere Beratungs- und Unterstützungsangebote. Das Land Brandenburg war bei der Entwicklung dieser Angebotsform wegweisend und hat Entwicklungen angeregt, die in ein geplantes Bundesfördervorhaben („Brückenangebote“) münden werden. Auf der Internetseite des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) finden sich ausführliche fachliche, organisatorische und rechtliche Hinweise zur Angebotsform der Eltern- Kind-Gruppen.1 Frage 1: In welchem Gesetz ist diese „Instrument“ der Eltern-Kind-Gruppe geregelt? zu Frage 1: Eltern-Kind-Gruppen (EKG) entsprechen, sofern sie die fachlichen Voraussetzungen erfüllen, den in § 1 Abs. 4 Kindertagesstättengesetz (KitaG) genannten Spielkreisen. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 KitaG sind sie damit Betreuungsangebote in Verantwortung der Eltern, die durch Fachkräfte unterstützt und zeitweise angeleitet werden. Als Bildungs- und Begegnungsorte für Kinder und ihre Eltern sind sie bundesrechtlich als Einrichtungen der Kindertagesbetreuung gemäß § 22 ff. SGB VIII einzuordnen. Sie sind damit nicht Instrument, sondern Angebotsform. Frage 2: Ist die Eltern-Kind-Gruppe rechtsanspruchserfüllend in Bezug auf die Erfüllung des Anspruchs auf einen Kita-Platz? zu Frage 2: Auf der in der Vorbemerkung zur Antwort zitierten Internetseite sind zwei Rechtsgutachten dokumentiert, in denen die rechtlich-strukturelle Einbindung dieser Angebotsform und die Voraussetzungen dafür, dass sie rechtsanspruchserfüllend ist, behandelt. Zu den Voraussetzungen wird hinsichtlich der Öffnungszeiten ausgeführt: „Eine EKG müsste danach jedenfalls (werk-)täglich, nicht lediglich an vereinzelten Tagen in der Woche zur Verfügung stehen. Eine Mindestöffnungszeit ist zwar (bundesrechtlich) nicht geregelt, diese darf allerdings nicht zu geringfügig sein (…). Die Öffnungszeiten haben sich nach dem Bedarf zu richten.“2 Von Elternselbsthilfegruppen und ähnlichen Formen unterscheiden sich Eltern-Kind- Gruppen durch ihren verlässlichen und auf Dauer angelegten Charakter und die Begleitung durch eine pädagogische Fachkraft, die sowohl den Kindern als auch den Eltern wertvolle Angebote macht. Frage 3: Wo gibt es Eltern-Kind-Gruppen? Frage 4: Welche Landkreise, bzw. Kommunen nutzen dieses Instrument der Eltern- Kind-Gruppe? zu den Fragen 3 und 4: Nach Kenntnisstand des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport gibt es in allen kreisfreien Städten und in 11 der 14 Landkreise eine oder mehrere Eltern-Kind-Gruppen – in den Landkreisen Barnim, Oberspreewald-Lausitz und Prignitz sind keine Angebote bekannt. Eine Übersicht mit Adressen der bekannten Einrichtungen kann auf der Internetseite unter dem oben aufgeführten Link abgerufen werden. Weitere Eltern-Kind-Gruppen befinden sich nach Kenntnis des MBJS in Vorbereitung. Frage 5: Darf ein Träger einer Kindertagesstätte die Vergabe eines Kita-Platzes verweigern , weil ein nicht berufstätiger Personensorgeberechtigter den Platz einer Eltern -Kind-Gruppe ablehnt? 1 http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb2.c.403093.de 2 Gutachterliche Stellungnahme: „Die Bewertung der Spielkreise in § 1 Abs. 4 KitaG Bbg im Lichte des § 24 Abs. 2 SGB VIII in der ab dem 1.8.2013 geltenden Fassung“ vorgelegt von Rechtsanwalt Janko Geßner Fachanwalt für Verwaltungsrecht (http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/media.php/5527/Gutachten%20Ge%C3%9Fner.15837706.pdf) zu Frage 5: Der Rechtsanspruch richtet sich nicht gegen den Träger der Einrichtung, sondern gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern nicht die Wohnortgemeinde diese Aufgabe durch öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 KitaG für ihn wahrnimmt. Es wird bei der Beantwortung davon ausgegangen, dass der Fragesteller die Rechtsanspruchsgewährung gemäß KitaG meint und nicht die Frage, ob ein Träger eine Vertragsschließung verweigern darf. Grundsätzlich ist zu bemerken, dass bundes- wie landesrechtlich der Rechtsanspruchsinhaber das Kind ist; nicht die Eltern haben einen Anspruch, ihr Kind betreuen zu lassen. Das Kind ist also Empfänger der Leistung Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung und entsprechend muss aus der Perspektive des Kindes die Geeignetheit des Angebots bewertet werden. Zum Anspruch und zum Wahlrecht wird in der oben zitierten gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt: „Eine Verweisung durch den Leistungsverpflichteten auf das Angebot einer EKG ist rechtlich zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Erfüllung des Rechtsanspruchs bei der jeweiligen EKG konkret gegeben sind und die Geeignetheit und Zumutbarkeit der EKG für den Leistungsberechtigten anhand der konkreten familiären Situation zu bejahen ist.“. Wenn Eltern nicht aufgrund ihrer Berufstätigkeit, sonstiger zeitlicher Abwesenheit oder anderer Gründe in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgabe eingeschränkt sind, die konkrete Eltern-Kind-Gruppe die Anforderungen erfüllt und sie konkret zumutbar ist, können die Eltern also auf dieses Angebot verwiesen werden. Angesichts des besonderen Charakters der Eltern-Kind-Gruppen ist es jedoch sinnvoll, mit einer möglicherweise bestehenden Ablehnung eines solchen Angebots flexibel umzugehen, denn Eltern-Kind-Gruppen erfordern die Mitwirkung bzw. Mitwirkungsbereitschaft der Eltern. Verweigern Eltern nachhaltig den Besuch, obwohl die Gruppe geeignet und zumutbar ist und keine persönlichen Hinderungsgründe bestehen, ist der Besuch einer Eltern-Kind-Gruppe für das Kind nicht mehr geeignet. Durch die fehlende Mitwirkungsbereitschaft der Eltern erlischt aber nicht der Rechtsanspruch des Kindes. Der örtliche Träger (oder die Gemeinde) wird sich dann um ein anderes Angebot bemühen müssen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen allerdings, dass in sehr vielen Fällen eine anfängliche Abwehr der Eltern erlischt, wenn sie das konkrete Angebot und die Menschen dort kennengelernt haben. Im Gegenteil wurden an die Träger, die Jugendämter und auch das MBJS Anfragen gestellt, ob ältere Kinder (z. B. Geschwister) auch das Angebot einer Eltern-Kind-Gruppe in Anspruch nehmen dürfen. Frage 6: Darf ein Träger einer Kindertagesstätte die Vergabe eines Kita-Platzes verweigern , weil ein berufstätiger Personensorgeberechtigter den Platz einer Eltern- Kind-Gruppe ablehnt? zu Frage 6: Sofern kein nicht-berufstätiger Elternteil oder kein Elternteil für die Zusammenarbeit mit der Eltern-Kind-Gruppe zur Verfügung steht, ist eine Eltern- Kind-Gruppe kein geeignetes Angebot. Frage 7: An wen kann sich ein Betroffener wenden, wenn er einen Eltern-Kind- Gruppen-Platz angeboten bekommt, aber einen Kita-Platz wünscht und diesen nicht erhält? Frage 9: Gibt es die Möglichkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes? Wer ist hierfür zuständig? zu den Fragen 7 und 9: Es handelt sich um die Frage der Gewährung einer Leistung nach KitaG, für die der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig ist. Sind Eltern mit der Entscheidung des örtlichen Trägers nicht einverstanden, können sie gegen den Leistungsbescheid Widerspruch einlegen. Nach einem erfolglosen Widerspruch ist Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht möglich. Ein vorläufiger Rechtsschutz wird ggf. vom Verwaltungsgericht gewährt. Frage 8: Kann ein Betroffener wenn er einen Eltern-Kind-Gruppen-Platz angeboten bekommt, aber einen Kita-Platz wünscht, sich auch eine Tagesmutter suchen? zu Frage 8: Eltern sind grundsätzlich frei, sich den Platz für ihr Kind zu suchen, der ihnen zusagt. Dieses grundgesetzlich geschützte Recht der Eltern wird durch das KitaG in keiner Form eingeschränkt. Es stellt sich lediglich die Frage, welche Leistung die öffentliche Jugendhilfe zu finanzieren hat. Hierauf ist in den vorherigen Antworten ausführlich eingegangen worden. Frage 10: Greift das brandenburgische Ministerium für Bildung, Jugend und Sport ein, wenn mögliche Verstöße bekannt werden? Frage 11: Welche Sanktionsmöglichkeiten hat das Ministerium? zu den Fragen 10 und 11: Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport übt nicht die Fachaufsicht über die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus. Die Rechtsaufsicht über die Jugendämter unterliegt den engen Grenzen der Kommunalaufsicht und wird jedenfalls nicht in einzelnen Fällen der Bewertung von Rechtsansprüchen zu Maßnahmen führen.