Datum des Eingangs: 01.11.2016 / Ausgegeben: 07.11.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5361 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2150 der Abgeordneten Danny Eichelbaum und Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/5193 Gefälschte Pässe in Brandenburg? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Mitte September 2016 wurde berichtet, dass einige Flüchtlinge mit gefälschten Pässen nach Deutschland eingereist seien und dies vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht erkannt worden sei. Daraufhin lud das Bundesinnenministerium die entsprechenden Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter der Landesinnenministerin zu einer Bund-Länder-Runde am 23. September 2016 ein. Hieran nahmen weder die Abteilungsleiterin des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Brandenburg, noch ihr Stellvertreter teil. Zuvor hatte bereits der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, Erardo Rautenberg , angekündigt, 18.000 Daten von Flüchtlingen, die nach Brandenburg eingereist sind, beim BAMF beschlagnahmen zu lassen. Daraufhin beantragte die in 50 Musterverfahren. In 18 der 50 Musterverfahren, in denen die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Beschlagnahmungs- und Durchsuchungsbeschlüsse gegen das BAMF beantragte, lehnte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) diese bereits ab. Ebenso blieb eine hiergegen eingelegte Beschwerde vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) erfolglos, weil die Beschlagnahme der Daten beim BAMF unverhältnismäßig sei. Frage 1:Wie sehen die Vertretungsregeln innerhalb der Abteilungsleitung 2 Ministerium für Inneres und Kommunales aus? zu Frage 1: Die Vertretung der Abteilungsleitung 2 des Ministeriums des Innern und für Kommunales ist in folgender Reihenfolge festgelegt: Referatsleiter 23 Referatsleiter 22 Referatsleiter 21. Frage 2: Gibt es Leit- oder Richtlinien, wie bei Terminkollisionen der zu besuchende Termin ausgewählt wird? zu Frage 2: Nein. Frage 3: Wurde die Teilnahme förmlich abgesagt? zu Frage 3: Nein. Frage 4: Wie wollte sich die Landesregierung über Inhalt und Resultate der Bund- Länder-Runde informieren? zu Frage 4: Nach Bund-Länder-Besprechungen wird in der Regel zeitnah ein Protokoll übersandt. Frage 5: Hat die Landesregierung ein eigenes Konzept entwickelt, wie man mit unerkannten Passfälschungen umgehen sollte? Frage 6: Stimmt Brandenburg sich diesbezüglich mit den anderen Bundesländern ab? zu den Fragen 5 und 6: Beim Erkennen von Passfälschungen bzw. von Anhaltspunkten , dass ein gefälschter Pass vorliegen könnte, werden die bei der Polizei des Landes Brandenburg festgelegten Prozesse wirksam. Bei der Begutachtung der Ausweisdokumente durch das Landeskriminalamt (LKA) werden bundesweit, insbesondere durch die Bundespolizei, gewonnene Erkenntnisse berücksichtigt. Für Fragen einer bundesweiten Abstimmung ist das Land Brandenburg unter anderem in einer IMK-Bund-Länder-Projektgruppe „Zuwanderung“ vertreten und thematisiert dort relevante Fragen. Ein Konzept, das gezielt den Umgang mit „unerkannten Passfälschungen “ zum Gegenstand hat, gibt es für den Justizbereich nicht. Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Passfälschung, mithin ein Anfangsverdacht für eine Straftat, etwa eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB, gegeben sind, haben die Strafverfolgungsbehörden nach § 152 Abs. 2 StPO die Ermittlungen aufzunehmen. Anknüpfungspunkte für die Annahme eines Anfangsverdachts können durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder die Ermittlungsbehörden festgestellte Ausweismanipulationen sein. Ganz unabhängig davon sind die Strafverfolgungsbehörden nach der Strafprozessordnung verpflichtet, beim Anfangsverdacht einer Straftat, die Ermittlungen aufzunehmen und den Sachverhalt umfassend zu erforschen (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1, § 163 Abs. 1 StPO). Soweit ein Anfangsverdacht wegen der unerlaubten Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 Aufenth G vorliegt, erstrecken sich die Ermittlungen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch auf die Prüfung eines möglicherweise vorhandenen Passes oder Passersatzes. Die Vorgehensweise zur Verfolgung von Straftaten, die im Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise von Flüchtlingen stehen, ist regelmäßig Gegenstand von Erörterungen sowohl auf ministerieller Ebene (unter anderem anlässlich der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister 2015) als auch auf Ebene der Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte der Länder. Frage 7: War das Vorhaben des Generalstaatsanwalts hinsichtlich der Beschlagnahme - und Durchsuchungsanträge mit dem Justizministerium abgestimmt? Frage 8: Unterstützt die Landesregierung dieses Vorhaben? zu den Fragen 7 und 8: Grundsätzlich obliegt die Leitung der Ermittlungsverfahren den Staatsanwaltschaften. Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hat das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg über die Absicht, in fünfzig Musterverfahren Anträge auf Durchsuchung der Geschäftsräume des BAMF sowie auf Beschlagnahme der für die Identifizierung des jeweiligen Beschuldigten erforderlichen Daten zu stellen, unterrichtet. Gegen die fachlich begründete Vorgehensweise sind seitens des Justizministeriums keine Bedenken erhoben worden. Die Polizei war in die vorbereitenden Überlegungen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg (GStA) einbezogen. Frage 9: Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die in Brandenburg befindlichen Flüchtlinge ebenfalls gefälschte Pässe besitzen? zu Frage 9: Die Frage kann nicht beantwortet werden, da entsprechende valide statistische Aussagen nicht erhoben werden können. Einerseits wird der Begriff „Flüchtling “ nicht im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem erfasst. Andererseits kann ein Pass als Tatmittel wie als erlangtes Gut mit mehreren Katalogwerten im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem erfasst werden. Im Ergebnis ist nicht eindeutig abbildbar, ob es sich um eine konkrete Nutzung von gefälschten Pässen durch Flüchtlinge handelt. Um tatsächliche Anhaltspunkte erlangen zu können, ob in Brandenburg befindliche Flüchtlinge gefälschte Pässe besitzen, ist eine manuelle Auswertung der einzelnen Ermittlungsakten erforderlich. Dem LKA wurden im Jahr 2016 bisher ca. 60 syrische Pässe zur Prüfung vorgelegt. Als Ergebnis der Begutachtung sollten Aussagen zur Echtheit der übersandten Pässe getroffen werden. Bei allen zur Prüfung übersandten Pässen konnten keine Anzeichen von Fälschungen festgestellt werden. Es ist bekannt, dass bundesweit Flüchtlinge ohne Papiere oder mit gefälschten Papieren nach Deutschland einreisen bzw. eingereist sind. Für in Brandenburg befindliche Flüchtlinge kann dies nicht ausgeschlossen werden. Frage 10: Worin liegt nach Ansicht der Landesregierung der Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO – Voraussetzung für die Beschlagnahme- und Durchsuchungsanträge - begründet? zu Frage 10: Die Einreise von Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland über einen sicheren Drittstaat begründet grundsätzlich den Anfangsverdacht einer Straftat gemäß § 95 Abs. 1 AufenthG, so dass die Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip gehalten sind, gegen die illegal einreisenden Flüchtlinge Strafverfahren einzuleiten und den Sachverhalt zu erforschen. Dies gilt ungeachtet davon, ob die Voraussetzungen des persönlichen Strafaufhebungsgrundes nach § 95 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder eines Rechtfertigungsgrundes gemäß Art. 16a GG vorliegen, da eine Ausnahme von der Strafbarkeit nur unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles angenommen werden kann. Frage 11: Wie bewertet die Landesregierung die rechtlichen Erfolgsaussichten der Anträge? Frage 12: Welche Gerichte haben bereits über die Anträge der Staatsanwaltschaft entschieden? zu den Fragen 11 und 12: Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanträge der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) gemäß §§ 103, 105 StPO auf Herausgabe von Akten und Dateien durch das BAMF wurden inzwischen vom Amtsgericht Frankfurt (Oder) abgelehnt. Die gegen einzelne ablehnende Entscheidungen gerichteten Beschwerden der Staatsanwaltschaft wurden vom Landgericht Frankfurt (Oder) als unbegründet verworfen. Die Entscheidungen sind unanfechtbar. Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird im Übrigen Bezug genommen. Frage 13: Welche rechtlichen Gründe waren für die Gerichte ausschlaggeben, um bereits einige der Beschlagnahme- und Durchsuchungsanträge abzulehnen? zu Frage 13: Die Gerichte haben die ablehnenden Entscheidungen – soweit ersichtlich – auf unterschiedliche rechtliche Erwägungen gestützt. Zum einen ist bereits der objektive Tatbestand der unerlaubten Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG u. a. aufgrund einer angenommenen Einreisegestattung gemäß § 18 Abs. 1, 4 Nr. 2 AsylG verneint worden, zum anderen ist auf ein nicht vorsätzliches bzw. irrtümliches Handeln der Beschuldigten abgestellt bzw. das Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes nach § 95 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 31 GFK bejaht worden. Frage 14: Wie hat das BAMF die Verweigerung der Herausgabe der Datensätze gegenüber dem Generalstaatsanwalt konkret begründet? zu Frage 14: Das BAMF vertritt die Rechtsauffassung, zur Datenübermittlung nicht verpflichtet zu sein. Es hat sich mit Schreiben vom 9. Mai 2016 gegenüber dem Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg darauf berufen, dass die Datenübermittlung gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 AsylG im Ermessen der übermittelnden Stelle stehe und für Maßnahmen der Strafverfolgung an die damit betrauten Stellen nur dann erfolgen dürfe, soweit es zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich sei. Bei der Entscheidung über die Datenweitergabe sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Eine Datenübermittlung habe insbesondere zu unterbleiben , soweit sie den Asylbewerber unverhältnismäßig in seinen Rechten betreffe. Daneben wertet das BAMF die Ermittlungsverfahren als Bagatellfälle mit der Behauptung , dass „alle eingeleiteten Verfahren wegen eines persönlichen Strafausschließungsgrundes wieder eingestellt“ würden. Auch sei der mit der Datenübermittlung bezogen auf mindestens 17.924 Personen verbundene Aufwand nicht gerechtfertigt . Eine Übernahme zusätzlicher Aufgaben durch das BAMF könne nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Senkung der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von Asylverfahren und des Abbaus von Altverfahren nicht erfolgen.