Datum des Eingangs: 14.11.2016 / Ausgegeben: 21.11.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5446 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2166 der Abgeordneten Danny Eichelbaum und Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/5239 Polizeieinsatz in Ludwigsfelde Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: In den Abendstunden des Sonntag, 02.10.2016, soll es in einem Wohngebiet der Stadt Ludwigsfelde zu einem Streit zwischen drei jugendlichen Afghanen und einem 17jährigen Jugendlichen aus Gambia gekommen sein. Die Jugendlichen waren sich aus der Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Ausländer des Evangelischen Jugendwerkes bekannt. Im Verlauf der Auseinandersetzung soll der 17jährige Jugendliche aus Gambia einen 18jährigen afghanischen Asylbewerber mit einem spitzen Gegenstand verletzt haben und nachfolgend in sein Wohnheim zurückgekehrt sein. Der Verletzte soll danach noch am Ereignisort an den Folgen einer Herzverletzung verstorben sein. Frage 1: Ist es richtig, dass in den Nachtstunden zur Festnahme des Tatverdächtigen in der Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Ausländer ein Spezialeinsatzkommando (SEK) angefordert wurde und auch zum Einsatz kam? zu Frage 1: Ja. Frage 2: Ist es richtig, dass das SEK mit dem im Objekt anwesenden Betreuer in Kontakt trat und dieser anbot, den Tatverdächtigen aus dem Zimmer zu rufen, damit dieser widerstandslos hätte festgenommen werden können? Ist es richtig, dass das SEK auf einem „Zugriff“ im Wohnraum bestand? zu Frage 2: Das SEK wird in entsprechenden Lagen u. a. zur Durchführung von Zugriffen und Schutzmaßnahmen eingesetzt, wenn Täter/Störer bewaffnet und/oder gewalttätig sind. Aufgrund des vorausgegangenen Tötungsdeliktes sowie nach polizeilicher Lagebewertung anzunehmender Bewaffnung und Gewaltbereitschaft des Täters galt es vorrangig, Gefahren für Dritte abzuwehren (Primat der Gefahrenabwehr , Verhinderung von Anschlusstaten, wie Geiselnahme oder anderer Bedrohungsszenarien ). Um Gefahren für Leib und Leben Dritter auszuschließen, kam die Annahme der angebotenen Unterstützung eines Betreuers, aufgrund der polizeilichen Lageeinschätzung, nicht in Frage (Gefahrenprognose). Basierend auf dieser Bewertung erfolgte der Einsatz des SEK und eine Festnahme ohne Inanspruchnahme Dritter. Frage 3: Ist es richtig, dass der Betreuer ausdrücklich darauf hinwies, dass in der Einrichtung nur Jugendliche (Minderjährige) untergebracht sind? zu Frage 3: Ja. Das taktische Vorgehen erfolgte entsprechend lageangepasst. Frage 4: Ist es richtig, dass ein Mitarbeiter des SEK Teile der Akte des minderjährigen Tatverdächtigen, die der Träger mit persönlichen personenbezogenen Daten vorhielt, fotografierte und per WhatsApp an seine Kollegen versandte? zu Frage 4: Ja. Dieses vorschriftenwidrige Vorgehen wurde kritisch ausgewertet. Frage 5: Ist es richtig, dass während des Zugriffs noch fünf unbeteiligte Jugendliche aus Syrien im Alter zwischen 14 - 17 Jahren im Zimmer anwesend waren? zu Frage 5: Ja. Frage 6: Ist es richtig, dass der Tatverdächtige deutlich von den anderen fünf Jugendlichen im Zimmer zu unterscheiden war? zu Frage 6: Die Ermittlungen dauern an. Aus ermittlungstaktischen Gründen kann zu dieser Frage derzeit keine Auskunft erteilt werden. Frage 7: Ist es richtig, dass beim Betreten des Zimmers eine Blendgranate zum Einsatz kam und in der Folge neben dem Tatverdächtigen alle weiteren unverdächtigen Jugendlichen verletzt und ihre Mobiltelefone zerstört wurden? zu Frage 7: Zur Vorbereitung der Festnahme wurde aus taktischen Gründen ein knallendes , licht- und nebelgebendes Irritationsmittel eingesetzt. Im Hinblick auf etwaige Schadensfolgen sind von Seiten der Staatsanwaltschaft zunächst die Einholung von Schweigepflichtentbindungserklärungen und ärztlichen Behandlungsunterlagen der weiteren während des Zugriffs in dem Zimmer anwesenden Personen angeordnet worden. Insoweit und auch zu der Frage der Zerstörung von Mobiltelefonen dauern die Ermittlungen an. Eine Einsatzauswertung unter Einbeziehung von einsatzbezogenen Rückmeldungen der Einrichtung steht noch aus. Das Ministerium des Inneren und für Kommunales und das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, dem zu diesem Vorgang eine Meldung des Trägers nach § 47 SGB VIII zu einem besonderen Vorkommnis vorliegt, arbeiten bei der Aufarbeitung des Vorgangs eng zusammen . Frage 8: Ist es richtig, dass bspw. auch die unverdächtigen Jugendlichen mit Schlägen und Tritten zu Boden gebracht bzw. mit Langwaffen in Schach gehalten wurden? zu Frage 8: Die Ermittlungen dauern an. Aus ermittlungstaktischen Gründen kann zu dieser Frage derzeit keine Auskunft erteilt werden. Frage 9: Ist es richtig, dass ein 15jähriger Jugendlicher durch zwei Schläge mit einem Gewehrkolben gegen den Kopf erheblich verletzt wurde? zu Frage 9: Die Ermittlungen dauern an. Aus ermittlungstaktischen Gründen kann zu dieser Frage derzeit keine Auskunft erteilt werden. Frage 10: Ist es richtig, dass sich ein Beamter auf den Rücken eines am Boden liegenden 17jährigen Jugendlichen gestellt hat? Ist es richtig, dass ein anderer auf dessen Hand trat, die ein Mobiltelefon hielt, das dadurch zerstört wurde? Sollten dadurch Filmaufnahmen des Einsatzes verhindert werden? zu Frage 10: Die Ermittlungen dauern an. Aus ermittlungstaktischen Gründen kann zu dieser Frage derzeit keine Auskunft erteilt werden. Frage 11: Ist es richtig, dass alle unverdächtigen Jugendlichen danach ärztlich behandelt werden mussten? zu Frage 11:Im Zuge der laufenden Ermittlungen wurde der Polizei bekannt, dass alle Jugendlichen am 03.10.2016 dem Krankenhaus in Ludwigsfelde vorgestellt wurden . Ein Jugendlicher musste nach der Untersuchung im Krankenhaus ambulant weiter behandelt werden. Frage 12: Ist es richtig, dass sich der Leiter des Jugendamtes Teltow-Fläming bereits am Montag, 03.10.2016, beim Polizeipräsidium Potsdam über die Härte des Einsatzes beschwerte, ihn als unverhältnismäßig einschätzte? zu Frage 12: Ja. Frage 13: Wurde diese Beschwerde angemessen bearbeitet und bereits schriftlich beantwortet? zu Frage 13: Am 04.10.2016 fand ein Gespräch zwischen der Leiterin der Polizeiinspektion Teltow-Fläming, dem Leiter der Spezialeinheiten, dem Leiter und weiteren Vertretern des Jugendamtes und der Leiterin der Einrichtung statt, in dem die unterschiedlichen Positionen erörtert wurden. Das Polizeipräsidium berichtet, dass nach Erläuterung der Umstände, warum die Festnahme nicht anders erfolgen konnte, der Entschluss, eine Anzeige von Amts wegen hinsichtlich des Verdachtes der Körperverletzung im Amt aufzunehmen übermittelt wurde. Frage 14: Wird gegen die eingesetzten Beamten von Amts wegen ermittelt oder liegen Strafanzeigen vor? Welche Verfahren wurden wann, von wem eingeleitet? Welche Handlungen werden konkret strafrechtlich überprüft? zu Frage 14: Am 5. Oktober 2016 wurde auf Weisung der Leiterin der Polizeiinspektion Teltow-Fläming von Amts wegen eine Strafanzeige gegen unbekannt gemäß § 340 StGB (Körperverletzung im Amt) erstattet. Das Verfahren wurde am 14. Oktober 2016 an die Staatsanwaltschaft Potsdam übersandt. Die Sachakten befinden sich derzeit mit einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfügung bei dem für Amtsdelikte zuständigen Dezernat des Landeskriminalamts Brandenburg. In dem Verfahren wird auch die von der Geschäftsführerin des Evangelischen Jugendwerks Teltow- Fläming im Zusammenhang mit dem Einsatz gegen unbekannte Einsatzkräfte der Polizei bei der Staatsanwaltschaft Potsdam erstattete Strafanzeige bearbeitet. Das Verfahren umfasst auch den Vorwurf der Sachbeschädigung an Mobiltelefonen. Frage 15: Wie viele Beamte sind betroffen? Handelten Sie auf Anweisung, wenn ja, wer hat die Anweisungen erteilt? zu Frage 15: Es kamen acht Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) zum Einsatz . Frage 16: Sind die einzelnen Handlungen zum Nachteil der Unverdächtigen konkreten Polizeibeamten - trotz deren Vermummung - zuzuordnen? zu Frage 16: Die Handlungen der SEK-Beamten sind grundsätzlich zuzuordnen und nachvollziehbar. Frage 17: Wurden die Einsatzberichte des SEK sowie andere Beweismittel gesichert und die nötigen Vernehmungen durchgeführt? zu Frage 17: Polizeiliche Einsatzberichte liegen vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 6, 8, 9 und 10 verwiesen. Frage 18: Wurden Disziplinarverfahren gegen Beamte eingeleitet? zu Frage 18: Nein.