Datum des Eingangs: 16.11.2016 / Ausgegeben: 21.11.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5456 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2191 der Abgeordneten Danny Eichelbaum und Prof. Dr. Michael Schierack der CDU-Fraktion Drucksache 6/5288 Umgang mit Schwarzfahrern in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Seit dem Jahr 2001 nimmt die Anzahl von Straftaten im Bereich Leistungserschleichung stetig zu. Hierbei handelt es sich in der Regel „nur“ um Bagatelldelikte. So entsteht bundesweit in 75 % der Fälle ein Schaden unterhalb von 15 €. Jedoch kann den Verkehrsbetrieben durch eine zu laxe Verfolgung ein erheblicher finanzieller Schaden entstehen. Eine konsequente Verfolgung solcher sog. „Kavaliersdelikte“ kann zu einer erheblichen Verringerung der entsprechenden Kriminalität führen. Frage 1: Wie viele Schwarzfahrten in den ÖPNV wurden in den letzten fünf Jahren registriert (bitte aufschlüsseln nach Landkreisen/kreisfreien Städten und Transportmitteln )? zu Frage 1: Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) gliedert sich gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Brandenburg (ÖPNV-Gesetz - ÖPNVG) in den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und den übrigen öffentlichen Personennahverkehr nach § 1 des Personenbeförderungsgesetzes (üÖPNV). Aufgabenträger für den SPNV ist das Land. Für den üÖPNV tragen die Kreise und kreisfreien Städte die Aufgabenverantwortung. Die Verkehrsleistungen werden durch die von den Aufgabenträgern beauftragten Verkehrsunternehmen erbracht. Der Landesregierung liegen keine Informationen zu den bei den Verkehrsunternehmen möglicherweise registrierten Fällen der Beförderungserschleichung vor. Das Delikt des sog. „Schwarzfahrens“ wird – bezogen auf die der Polizei bekannt gewordenen Fälle – in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) unter dem Schlüssel „Beförderungserschleichung“ abgebildet. Ein Großteil der in der PKS registrierten Fälle (2015: 1.983 Fälle, 69 %) wurde von der Bundespolizei auf dem Gebiet des Landes Brandenburg im Rahmen ihrer Zuständigkeit gemäß § 3 des Bundespolizeigesetzes bearbeitet. Aufgrund des Tatortprinzips zählen diese Fälle für die PKS des Landes Brandenburg. Zu diesen Fällen werden nur die bundesweit ver- gleichbaren Grunddaten, jedoch keine ergänzenden landesspezifischen Fallinformationen übermittelt, sodass Aussagen zu betroffenen Transportmitteln nicht möglich sind. Die in der PKS in den letzten fünf Jahren registrierten Fälle der Beförderungserschleichung sind – aufgeschlüsselt nach Landkreisen und kreisfreien Städten – der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Bezeichnung Erfasste Fälle 2011 2012 2013 2014 2015 Brandenburg an der Havel 482 476 708 504 545 Cottbus 216 444 456 282 103 Frankfurt (Oder) 140 128 410 162 185 Potsdam 241 295 175 176 295 Landkreis Barnim 116 131 125 160 243 Landkreis Dahme-Spreewald 62 112 87 80 96 Landkreis Elbe-Elster 67 79 69 83 77 Landkreis Havelland 140 109 84 72 58 Landkreis Märkisch-Oderland 110 290 76 65 103 Landkreis Oberhavel 173 254 90 197 220 Landkreis Oberspreewald-Lausitz 75 76 64 73 67 Landkreis Oder-Spree 259 249 220 225 248 Landkreis Ostprignitz-Ruppin 30 44 41 30 23 Landkreis Potsdam-Mittelmark 133 235 201 142 152 Landkreis Prignitz 86 100 92 109 88 Landkreis Spree-Neiße 39 29 56 49 69 Landkreis Teltow-Fläming 108 148 166 169 191 Landkreis Uckermark 119 99 114 166 112 Frage 2: Durch wen wird die Kontrolle in den kreisfreien Städten in Bussen und Straßenbahnen durchgeführt? Frage 3: Wie oft erfolgen derartige Kontrollen? zu den Fragen 2 und 3: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor, da Organisation und Durchführung von Fahrgastkontrollen den Verkehrsunternehmen obliegen, die von den Landkreisen und kreisfreien Städten als Aufgabenträger des üÖPNV (mit Straßenbahnen und Bussen) beauftragt werden. Frage 4: Wie sieht der Verfahrensablauf bei Feststellung von Schwarzfahrern aus? zu Frage 4: Der Landesregierung liegen aus den zu Fragen 2 und 3 genannten und hier entsprechend geltenden Gründen zum Verfahrensablauf bei Feststellung von Schwarzfahrten durch die Verkehrsunternehmen keine Informationen vor. Im Rahmen einer Fahrgastkontrolle wird die Polizei regelmäßig nur dann hinzugezogen, soweit die Identität der bzw. des Betroffenen nicht festgestellt werden kann. Mit dem polizeilichen Bekanntwerden des Sachverhaltes erfolgt eine Anzeigenaufnahme. Frage 5: Ist ein Strafantrag gemäß § 265a Abs. 3 in Verbindung mit § 248a StGB notwendig oder wird – wegen des hohen Ausmaßes dieses Deliktes – von einem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung ausgegangen? zu Frage 5: Grundsätzlich ist ein Strafantrag erforderlich, der bei Anzeigeerstattung durch die Verkehrsbetriebe auch regelmäßig gestellt wird. Ob darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von Amts wegen besteht, obliegt einer Bewertung der Umstände des Einzelfalles. Frage 6: Nach welchen strafrechtlichen Vorschriften werden Schwarzfahrer verfolgt? zu Frage 6: Das „Schwarzfahren”, d. h. das Nutzen von öffentlichen Personenbeförderungsmitteln ohne vorherige Entrichtung des Fahrpreises, ist eine Straftat des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a des Strafgesetzbuches (StGB). Frage 7: In wie vielen Fällen haben die Staatsanwaltschaften in den letzten fünf Jahren Anklage erhoben (bitte aufschlüsseln nach Landkreisen/kreisfreien Städten)? Frage 8: Wie endeten hierzu geführte strafrechtliche Verfahren in den letzten fünf Jahren (bitte aufschlüsseln nach Staatsanwaltschaft/Verfahrensbeendigungsart)? zu den Fragen 7 und 8: Der Ausgang der bei den Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg (einschließlich der Anklageerhebungen) geführten Verfahren in den Jahren 2011 bis 2015 ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Erledigungsarten Staatsanwaltschaften Summe Cottbus Frankfurt (Oder) Neuruppin Potsdam Anklagen 702 1012 527 997 3238 Antrag sof. HV. (§ 417 StPO) 16 8 6 1500 1530 Antrag – vereinf. Jugendverf . (§ 76 JGG) 1 9 3 17 30 Strafbefehle 159 576 322 361 1418 Einstellungen 1553 2181 1148 2723 7605 Die Anzahl der in den Jahren 2011 bis 2015 bei den Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg eingestellten Verfahren ist – aufgeschlüsselt nach den Einstellungsarten – der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Erledigungsarten Staatsanwaltschaften Summe Cottbus Frankfurt (Oder) Neuruppin Potsdam endgültige Einstellung - § 153a Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StPO 12 29 8 23 72 endgültige Einstellung - § 153a Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StPO 20 24 4 54 102 endgültige Einstellung - § 153a Abs. 1 Nr. 1 StPO - 4 6 4 14 endgültige Einstellung - § 153a Abs. 1 Nr. 3 StPO 1 5 - 3 9 endgültige Einstellung - § 153a Abs. 1 StPO (sonst. Aufl. o. Weis.) - 3 - 1 4 endgültige Einstellung - § 154d StPO - - - 1 1 endgültige Einstellung - § 154 StPO 476 504 298 804 2082 endgültige Einstellung - § 45 Abs. 2 JGG 61 77 45 119 302 endgültige Einstellung - § 45 Abs. 2 JGG (TOA - J/H) 6 - 3 2 11 endgültige Einstellung - § 45 Abs. 3 JGG 1 2 - 4 7 endgültige Einstellung - § 153a Abs. 1 Nr. 5 StPO (TOA) 6 - - 2 8 Einstellung - § 153b Abs. 1 StPO 1 1 - - 2 Einstellung - § 153 Abs. 1 StPO 372 427 177 517 1493 Einstellung - § 154b StPO 8 5 1 8 22 Einstellung - § 376 ff. StPO - - - 5 5 Einstellung - § 45 Abs. 1 JGG, § 153 StPO 70 206 127 283 686 Einstellung - § 170 Abs. 2 i. V. m. § 152 Abs. 2 StPO - 1 2 4 7 Einstellung - § 170 Abs. 2 StPO 414 768 402 709 2293 Einstellung - § 19 StGB 39 37 17 43 136 Einstellung - § 20 StGB 17 32 6 60 115 Vorl. Einstellung - § 153a Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StPO 1 - - - 1 Vorl. Einstellung - § 153a Abs. 1 Nr. 1 StPO - - - 1 1 Vorl. Einstellung - § 154d StPO - - - 1 1 Vorl. Einstellung - § 154f StPO 20 36 32 55 143 Vorl. Einstellung - § 154 Abs. 1 StPO 28 20 20 20 88 Summe Einstellungen 1553 2181 1148 2723 7605 Eine weiter gehende Aufschlüsselung der Zahlen nach Landkreisen und kreisfreien Städten ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Frage 9: Welche prozessualen Möglichkeiten stehen den Verkehrsverbünden bzw. Staatsanwaltschaften offen, falls ein Bußgeld nicht bezahlt wird? zu Frage 9: Die Landesregierung kann aus den zu Fragen 2 und 3 genannten und hier entsprechend geltenden Gründen keine Auskunft zu den zivilprozessualen Optionen der Verkehrsverbünde geben. Die von den Verkehrsunternehmen gegebenenfalls auf der Grundlage der jeweiligen Beförderungsbedingungen erhobenen „erhöhten Beförderungsentgelte“ sind keine „Geldbußen“ im rechtstechnischen Sinne, sondern zivilrechtlicher Natur, und unterliegen dementsprechend nicht einer Vollstreckung nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen eines vorläufig gemäß § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellten Verfahrens bei Nichtzahlung der Geldauflage, die in der strafrechtlichen Praxis auch als „Geldbuße“ bezeichnet wird, wieder auf und kann beispielsweise Anklage erheben oder das Verfahren erneut einstellen. Frage 10: Wie endeten derartige Verfahren in den letzten fünf Jahren (bitte aufschlüsseln nach Staatsanwaltschaft und Verfahrensbeendigung)? zu Frage 10: Die Frage kann nicht beantwortet werden, da entsprechende valide statistische Daten nicht erhoben werden können. Im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister MESTA wird zwar die Wiederaufnahme von Verfahren, nicht jedoch der Anlass vermerkt.