Datum des Eingangs: 22.11.2016 / Ausgegeben: 28.11.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5481 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2203 des Abgeordneten Erik Stohn der SPD-Fraktion Drucksache 6/5309 Bedrohung durch sog. „Reichsbürger“ Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestelles: Behörden in Brandenburg sehen sich immer wieder den Schikanen sogenannten „Reichsbürger“ ausgesetzt. Dabei sprechen sie den Behörden jede Legitimation und Zuständigkeit ab und bedrohen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Drohungen umfassen laut Medienberichterstattung bspw. die Geltendmachung von (erfundenen) Forderungen gegen Justizbedienstete mittels Eintragung in das US-amerikanische UCC-Schuldnerregister. Eine offensichtlich gestiegene Gewaltbereitschaft der sog. „Reichsbürger“ führt häufig auch zu Polizeieinsätzen (siehe Berichterstattung der Tagesschau am 19.10.2016). Bei einem Einsatz des SEK im bayrischen Georgensgmünd kam sogar ein Beamter zu Tode. Frage 1: Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, welche Behörden Ziel von Bedrohungen durch die sog. „Reichsbürger“ sind und in welcher Form Behördenmitarbeiter bedroht wurden? Wenn ja, bitte ich um eine Aufstellung von Landkreisen, den jeweiligen Behörden, in denen Mitarbeiter bedroht wurden, sowie der Bedrohungsform . zu Frage 1: Gefährdende Aktivitäten von Reichsbürgern richten sich potenziell gegen alle Behördenmitarbeiter, die im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit mit Reichsbürgern in Kontakt treten. Das von Reichsbürgern ausgehende Bedrohungs- und damit verbundene Gefährdungspotenzial steigt insbesondere gegenüber den Verwaltungsbediensteten an, die vollziehend tätig sind. Vollständige Statistiken mit landesweiten Ereignissen werden nicht geführt. Frage 2: Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zum Waffenbesitz von sog. „Reichsbürgern“ vor? Frage 3: Wie viele sog. „Reichsbürger“ sind als Waffenbesitzer registriert? Frage 4: Gab es bereits Vorfälle im Zusammenhang mit sog. „Reichsbürgern“ im Bereich illegaler Waffennutzung? zu den Fragen 2, 3 und 4: Eine auf Reichsbürger zugeschnittene Recherchemöglichkeit in den polizeilichen Datenbeständen existiert nicht. Antragsteller waffenrechtlicher Erlaubnisse werden ausnahmslos aufgrund § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Waffengesetzes auf ihre Zuverlässigkeit (§ 5 des Waffengesetzes) und persönliche Eignung (§ 6 des Waffengesetzes) geprüft. Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse werden mindestens alle drei Jahre wiederholt dieser Prüfung unterzogen. Sofern im Rahmen dieser Prüfungen oder auf andere Weise, zum Beispiel durch Hinweise oder auf Nachfrage der Polizeidienststellen oder aufgrund ihres eigenen Vortrages, die Waffenbehörde Kenntnis über die Zugehörigkeit zu den sog. „Reichsbürgern“ erhält, wird geprüft, ob das Verhalten dieser Person Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit oder persönliche Eignung hat und die waffenrechtliche Erlaubnis zu entziehen ist. Zum aktuellen Zeitpunkt sieht das bundesrechtliche Waffengesetz bei der Beantragung waffenrechtlicher Erlaubnisse keine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden vor. Ebenso erfolgt bei der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg keine datenbankgestützte Einspeicherung aller bekannten Reichsbürger (inklusive Selbstverwalter ), da nur der rechtsextremistische Teil der Szene der Beobachtung durch den Verfassungsschutz unterliegt. Dieser Teil ist jedoch deutlich kleiner als das Gesamtmilieu . Gegenwärtig wird geprüft, den Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes auf die gesamte Reichsbürgerszene auszuweiten, um auf diesem Weg umfangreichere Personendatensätze speichern zu können. Insofern liegen zum jetzigen Zeitpunkt bei der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg keine vollständig und umfassend belastbaren Erkenntnisse zu Reichsbürgern und Waffenbesitz vor. Darüber hinaus wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage Nr. 1833 „Berichterstattung über sogenannte Reichsbürger in Brandenburg“ der Abgeordneten Andrea Johlige, Fraktion DIE LINKE, vom 13. Juli 2016 (LT-Drs. 6/4588) verwiesen. Frage 5: Wie gedenkt die Landesregierung nach den jüngsten Vorfällen in Bayern mit den sog. „Reichsbürgern“ umzugehen? zu Frage 5: Die Landesregierung hat die Problematik Reichsbürger und die damit verbundenen Herausforderungen bereits vor Jahren und damit sehr frühzeitig erkannt . So berichtet der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg seit dem Jahresbericht 2012 regelmäßig darüber. Ebenso wurden mit Unterstützung zivilgesellschaftlicher Einrichtungen wie des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung (demos) tausende Verwaltungsbedienstete über das Phänomen und den Umgang damit aufgeklärt. Hinzu kommt die von der Landesregierung finanziell unterstützte Herausgabe eines Handbuchs über Reichsbürger. Die Landesregierung wird an diesem offensiven und kommunikativen Umgang mit der Reichsbürgerszene festhalten . Ebenso ist die Landesregierung bemüht, alle Verwaltungseinheiten, welche im Zuge von Vollzugsmaßnahmen mit dieser Szene in Berührung kommen, zu unterstützen . Frage 6: Gibt es Bestrebungen, bundesländerübergreifend eine Strategie gegen sog. „Reichsbürger“ zu initiieren? zu Frage 6: Die Landesregierung geht davon aus, dass dieses Milieu nicht nur in Brandenburg, sondern auch darüber hinaus tendenziell anwächst. Sie geht ebenfalls davon aus, dass das jüngste Ereignis in Bayern, bei dem u. a. ein Polizist von einem Reichsbürger erschossen wurde, bundesweit zu einer sowohl präventiven als auch exekutiven Verschärfung in der Auseinandersetzung mit der Reichsbürgerszene führen wird. Frage 7: Gibt es Überlegungen, den Zugang insbesondere zu Gerichten und zu anderen Behörden unter Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit durch Ausweiskontrollen zu beschränken? zu Frage 7: Der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens verlangt, dass jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen der Bevölkerung und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen der Gerichte als Zuhörer teilzunehmen. Grenzen des Öffentlichkeitsgrundsatzes ergeben sich aus allen rechtmäßigen Maßnahmen nach § 176 GVG, insbesondere aus der Notwendigkeit, bei drohenden Störungen und Ausschreitungen gegebenenfalls Maßnahmen zu treffen, die eine ungestörte Durchführung der Verhandlung und die dazu erforderliche Sicherheit im Sitzungsraum wie im Gerichtsgebäude gewährleisten. Der Öffentlichkeitsgrundsatz hat gegenüber dem Sicherheitsbedürfnis keinen von vornherein höheren Rang. Wie der Bundesgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat, ist eine ungestörte Verhandlung vielmehr ebenso wesentlich wie die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit (BGH, Urteil vom 06. Oktober 1976 – 3 StR 291/76 –, BGHSt 27, 13-18). Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung nur unwesentlich erschweren und dabei eine Auswahl der Zuhörerschaft nach bestimmten persönlichen Merkmalen vermeiden , sind jedenfalls dann nicht ungesetzlich, wenn für sie ein die Sicherheit im Gerichtsgebäude berührender verständlicher Anlass besteht. In den Brandenburger Gerichten ist in der letzten Zeit vermehrt zu beobachten, dass sog. Reichsbürger Verhandlungen stören, indem sie laut dazwischen rufen, Filmaufnahmen durchführen oder sich sonst ungebührlich verhalten. Teilweise mussten Verhandlungen aufgrund der massiven Störungen abgebrochen werden. Auch die Hinzuziehung der Polizei zur Sicherung der Durchführung der Verhandlung war bereits vereinzelt erforderlich. Es bestehen daher anhand der skizzierten allgemeinen Grundsätze Überlegungen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die Sicherheit und Ordnung in den Gerichten und sonstigen Justizbehörden gewährleisten.