Datum des Eingangs: 02.02.2015 / Ausgegeben: 09.02.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/549 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 132 der Abgeordneten Birgit Bessin und Steffen Königer AfD-Fraktion Drucksache 6/312 Armut Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 132 vom 19.12.2014: Armut ist ein zunehmendes Problem, von dem auf verschiedene Art und Weise über ihre Eltern vor allem die Kinder betroffen sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Gibt es mittlerweile einen allgemein anerkannten und klar definierten „Armutsbegriff "? 2. Wie errechnet sich die Armutsgrenze? 3. Wie viel Kinder fallen nach dieser Formel in die Rubrik „arm"? 4. Gibt es Erhebungen und eine entsprechende Aufschlüsselung über die jeweiligen Familienverhältnisse? Hier bitte differenzieren nach Einkommen und jeweiligem Familienstand . 5. Welche Hilfsorganisationen, die sich speziell dieser Problematik widmen, gibt es und wie werden diese vom Land unterstützt? 6. Welche Hilfsprogramme sind öffentlich bekannt und werden von den jeweiligen Sozialhilfeträgern offensiv beworben? (exemplarisch hier-Shia e.V.) 7. Gibt es das ganze Land betreffend territoriale Unterschiede und Gefälle? („Armutsatlas ") 8. Wie viele Kinder werden über ihre Eltern durch Spendender Tafel versorgt? 9. Gibt es Kinder, die offiziell ohne festen Wohnsitz sind und aus diesem Grund gemeinsam mit ihren Eltern in Notunterkünften o.ä. leben? 10. Wie sind die einzelnen staatlichen Hilfen miteinander vernetzt, können Bescheide , oder Anträge - teils über 20-Seiten - untereinander einsehen, austauschen, zur Freigabe von unbürokratischer Hilfe nutzen? 11. Gibt es Erfahrungswerte, wie viel Prozent der möglicher Weise Berechtigten überhaupt Hilfsangebote, oder zumindest Teile davon nutzen? 12. Werden Hilfen beim Ausfüllen von Anträgen, bzw. bei der Aufsetzung von nötigem Schriftverkehr gewährleistet? 13. Sind diese Möglichkeiten bei den betroffenen Menschen bekannt? 14. Fließen in durchgeführte Erhebungen Gesundheitsbelastungen z.B. durch armutsbedingte schlechte Ernährung in die Statistiken mit ein? (z.B. Adipositas bei Kindern, oder ruinöser Karies schon im Kleinkindalter) 15. Kann die durch Kinderarmut hervorgerufene mangelnde Partizipation an kulturellen Angeboten zahlenmäßig belegt werden? 16. Liegen Untersuchungen über die defizitäre sprachliche und geistige Entwicklung vor, deren Ursache armutsbedingt ist? 17. In welchen Größenordnungen bewegen sich die finanziellen Auswirkungen der Therapiebedürftigkeit armer Kinder schon bei der Einschulung? 18. Kann ein Zusammenhang zwischen verstärkter häuslicher Gewalt speziell gegenüber armen Kindern festgestellt werden? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Gibt es mittlerweile einen allgemein anerkannten und klar definierten „Armutsbegriff "? zu Frage 1: Da Armut in verschiedensten Formen auftreten kann, gibt es für diesen Begriff keine allgemeingültige Definition. In der Sozialberichterstattung des Bundes und der Länder werden auf der Grundlage statistischer Erhebungen (Mikrozensus) Armutsgefährdungsquoten ausgewiesen, mit denen die relative Einkommensarmut quantifiziert wird. Der auf das Einkommen bezogene Begriff der relativen Armutsgefährdung berücksichtigt nur das monatliche Einkommen und lässt eventuelle Vermögen oder bestehende Verschuldung außer Betracht. Frage 2: Wie errechnet sich die Armutsgrenze? zu Frage 2: Es wird auf das Glossar zur „Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik “ verwiesen: „Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut und wird – entsprechend dem EU-Standard – definiert als der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt. Das Äquivalenzeinkommen ist ein auf der Basis des Haushaltsnettoeinkommens berechnetes bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen je Haushaltsmitglied.“ „Der Bundesmedian hat als Grundlage die Berechnungen zur Armutsgefährdungsschwelle des Bundes. Diese wird anhand des mittleren Einkommens (Median) im gesamten Bundesgebiet errechnet. Allerdings werden bei dieser Betrachtung Unterschiede im Einkommensniveau zwischen den Bundesländern außeracht gelassen.“ „Grundlage der Berechnungen des Landesmedians sind die jeweiligen regionalen Armutsgefährdungsschwellen . Diese werden anhand des mittleren Einkommens (Median) des jeweiligen Bundeslandes beziehungsweise der jeweiligen Region errechnet. Dadurch wird den Unterschieden im Einkommensniveau zwischen den Bundesländern bzw. Regionen Rechnung getragen.“ (alle Zitate: https://www.destatis .de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Soziales/Sozialberichterstattung/Methode n/MethodischesSozialberichterstattung.html ) Frage 3: Wie viel Kinder fallen nach dieser Formel in die Rubrik „arm"? zu Frage 3: Im Jahr 2013 waren im Land Brandenburg gemessen am Landesmedian 19,5 % (nach Bundesmedian 23,8 %) der unter 18jährigen armutsgefährdet. Frage 4: Gibt es Erhebungen und eine entsprechende Aufschlüsselung über die jeweiligen Familienverhältnisse? Hier bitte differenzieren nach Einkommen und jeweiligem Familienstand zu Frage 4: Aus der Sozialberichterstattung geht hervor, dass die Armutsgefährdung stark von der Haushaltszusammensetzung abhängig ist. Das Amt für Statistik BerlinBrandenburg weist in grafischen Übersichten Armutsgefährdungsquoten nach Haushaltstypen aus. Als Ergebnis wird festgestellt: „Kinder ohne Einkommen bzw. eine reduzierte Zahl von Einkommensbeziehern wie in Haushalten von Alleinerziehenden erhöhen die Armutsgefährdung für alle Personen, die in diesen Haushalten leben.“ (s. weitere Information: https://www.statistik-berlin-brandenburg .de/home/pdf/Sozialbericht_Berlin-Brandenburg_2013.pdf) Frage 5: Welche Hilfsorganisationen, die sich speziell dieser Problematik widmen, gibt es und wie werden diese vom Land unterstützt? zu Frage 5: In nahezu allen Bereichen der sozialen Arbeit widmen sich Verbände, Vereine und Initiativen auch den Problemen von Armut betroffener Menschen. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege unterstützen die Landesarmutskonferenz Brandenburg. Dieser gehören zahlreiche Initiativen, Vereine und gesellschaftliche Gruppen an, darunter die Kirchen und Gewerkschaften sowie Selbsthilfegruppen . Die Landesregierung fördert die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und darüber hinaus im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel weitere Projekte, die der Bekämpfung und Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung dienen, wie z.B. die Netzwerke Gesunde Kinder, Maßnahmen zur Integration von Langzeitarbeitslosen in das Erwerbsleben sowie zur Stärkung der sozialen Teilhabe. Frage 6: Welche Hilfsprogramme sind öffentlich bekannt und werden von den jeweiligen Sozialhilfeträgern offensiv beworben? (exemplarisch hier-Shia e.V.) Frage 10: Wie sind die einzelnen staatlichen Hilfen miteinander vernetzt, können Bescheide , oder Anträge — teils über 20-Seiten - untereinander einsehen, austauschen , zur Freigabe von unbürokratischer Hilfe nutzen? Frage 11: Gibt es Erfahrungswerte, wie viel Prozent der möglicher Weise Berechtigten überhaupt Hilfsangebote, oder zumindest Teile davon nutzen? Frage 12: Werden Hilfen beim Ausfüllen von Anträgen, bzw. bei der Aufsetzung von nötigem Schriftverkehr gewährleistet? Frage 13: Sind diese Möglichkeiten bei den betroffenen Menschen bekannt? zu den Fragen 6 und 10 – 13: Die Fragen 6 und 10 bis 13 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Der Bund, das Land und die Kommunen sowie andere öffentlich rechtliche Leistungsträger (z. B. Arbeitsagenturen, Jobcenter, Kranken- und Pflegekassen, Rentenversicherungsträger, Familienkassen, Sozialund Jugendämter, Elterngeldstellen) informieren über gesetzliche Leistungen und Hilfen. Alle für Sozialleistungen zuständigen Träger sind gesetzlich dazu verpflichtet, Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Sie müssen zudem im Rahmen ihrer Zuständigkeit Beratung anbieten und Auskunft erteilen (s. §§ 13, 14, 15 SGB I). Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen , die für die Auskunftssuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist. Um das zu gewährleisten, sind die Auskunftsstellen verpflichtet, untereinander und mit den anderen Leistungsträgern mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen. Die Informationsmaterialien und Handreichungen der Sozialleistungsträger werden breit über verschiedene Medien (Broschüren, Anzeigen usw.) gestreut und gezielt auch über Wohlfahrts- und Sozialverbände , Vereine, Selbsthilfegruppen und Interessengemeinschaften (z. B. Familienverbände, Arbeitsloseninitiativen , Seniorenbeiräte) bekannt gemacht. Diese bieten oftmals auch zusätzliche Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen an. Erfahrungswerte über den Prozentsatz nicht oder nur teilweise genutzter Hilfsangebote liegen der Landesregierung nicht vor. Betrachtet man die bundesweite Inanspruchnahme sozialer Leistungen anhand der Entwicklung des Sozialbudgets, zeigt sich, dass die hohen Aufwendungen für die verschiedenen beitrags- und steuerfinanzierten sozialen Sicherungs - bzw. Förder- und Fürsorgesysteme bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen (http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/uebersicht-ueber-dassozialrecht .html). Frage 7: Gibt es das ganze Land betreffend territoriale Unterschiede und Gefälle? („Armutsatlas") zu Frage 7: Das Statistische Landesamt Berlin Brandenburg weist im Regionalen Sozialbericht (Seite 9) Armutsgefährdungsquoten für die Berliner Bezirke und für die Landkreise und kreisfreien Städte Brandenburgs auf Basis des Landesmedians tabellarisch und in grafischen Darstellungen für das Jahr 2012 aus (https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/home/pdf/Sozialbericht_BerlinBrandenburg _2013.pdf). Frage 8: Wie viele Kinder werden über ihre Eltern durch Spenden der Tafel versorgt? zu Frage 8: Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Frage 9: Gibt es Kinder, die offiziell ohne festen Wohnsitz sind und aus diesem Grund gemeinsam mit ihren Eltern in Notunterkünften o.ä. leben? zu Frage 9: Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Frage 14: Fließen in durchgeführte Erhebungen Gesundheitsbelastungen z.B. durch armutsbedingte schlechte Ernährung in die Statistiken mit ein? (z.B. Adipositas bei Kindern, oder ruinöser Karies schon im Kleinkindalter) Frage 16: Liegen Untersuchungen über die defizitäre sprachliche und geistige Entwicklung vor, deren Ursache armutsbedingt ist? zu den Fragen 14 und 16: Die Fragen 14 und 16 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Repräsentative Datenerhebungen und Studien speziell zum Thema Gesundheitsbelastungen für Kinder durch eine „armutsbedingte schlechte Ernährung“ sind der Landesregierung nicht bekannt. Viele sozialepidemiologische Studien weisen aber einen Zusammenhang von Gesundheitsrisiken von Kindern und der sozialen Lage ihrer Eltern auf. In Deutschland geben insbesondere zwei fortlaufende, repräsentative Datenerhebungen über den Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Risiken von Kindern und Jugendlichen und dem Sozialstatus ihrer Eltern (bzw. Sorgeberechtigten) Auskunft: die Langzeitstudie des Robert KochInstituts zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) und die einheitliche und vollständige Dokumentation aller kinder- und jugendmedizinischen Untersuchungen der Gesundheitsämter in Brandenburg. Beide Langzeiterhebungen erheben sowohl Daten zum Körpergewicht der Kinder und Jugendlichen , zur Kariesfreiheit, zu Sprachentwicklungsstörungen sowie zu emotionalen und sozialen Entwicklungsstörungen in Zusammenhang mit Indikatoren zur sozialen Lage ihrer Eltern. Frage 15: Kann die durch Kinderarmut hervorgerufene mangelnde Partizipation an kulturellen Angeboten zahlenmäßig belegt werden? zu Frage 15: Der Landesregierung sind hierzu keine Datenerhebungen bekannt. Frage 17: In welchen Größenordnungen bewegen sich die finanziellen Auswirkungen der Therapiebedürftigkeit armer Kinder schon bei der Einschulung? zu Frage 17: Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Frage 18: Kann ein Zusammenhang zwischen verstärkter häuslicher Gewalt speziell gegenüber armen Kindern festgestellt werden? zu Frage 18: Der Landesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor.