Datum des Eingangs: 09.12.2016 / Ausgegeben: 14.12.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5582 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2256 des Abgeordneten Danny Eichelbaum der CDU-Fraktion Drucksache 6/5427 Hasskriminalität in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Hasskriminalität richtet sich gegen Personen, die als „fremd“ oder „anders“ deklariert werden. In ihnen wird eine Gefahr für die eigene Existenz bzw. die der eigenen Gruppe gesehen. Der Hass wird meist durch Vorurteile gegenüber einer Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder sozialem Status geschürt. Er kann sich sowohl in verbaler und körperlicher Gewalt gegenüber den Angehörigen einer derart definierten Gruppe äußern, aber auch in Gewalt gegen Gegenstände, die bestimmten Gruppierungen zugeschrieben werden. Meist wird das Phänomen der Hasskriminalität durch Gruppen gelebt und entfacht sich durch die Gruppendynamik immer wieder neu. Auch die relative Anonymität in Sozialen Medien verstärkt dieses Phänomen. Hieraus ergibt sich ein erhebliches Gefahrenpotential für die Innere Sicherheit. Die Fallzahlen für die Politisch motivierte Kriminalität (PMK) 2015 haben ergeben, dass das Phänomen fremden-feindlich motivierter Straftaten – ein Teilbereich des Phänomens Hasskriminalität – im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 % gestiegen ist. Diese Form der Kriminalität war Anfang Juni 2016 Thema bei der Justizministerkonferenz. Die Minister haben dort beschlossen, dass dem stetigen Anstieg der Hasskriminalität mit konsequenter Strafverfolgung entgegengetreten werden müsse. Vorbemerkung zur methodischen Vorgehensweise: Zur Erhebung der Fallzahlen für den Betrachtungszeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Oktober 2016 wurden alle im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) gemeldeten Straftaten mit Stand vom 15. November 2016 ausgewertet. In der nachfolgenden Beantwortung der Fragen wurden alle Straftaten mit dem Oberthemenfeld „Hasskriminalität“ berücksichtigt. Frage 1: Wie viele Fälle von Hasskriminalität hat die Landesregierung in den letzten 5 Jahren registriert (bitte aufschlüsseln nach Gruppe der Aggressoren und Opfergruppen)? zu Frage 1: Im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Oktober 2016 wurden im Land Brandenburg insgesamt 2.157 Straftaten im Begründungszusammenhang mit dem Oberthemenfeld „Hasskriminalität“ registriert. Von diesen Straftaten sind 96,1 % (2.072 Fälle) von Tätern, die dem Phänomenbereich PMK-rechts zuzuordnen sind, begangen worden. Eine spezifizierte Aussage zu „Opfergruppen“ ist nicht möglich, da es sich um kein melderelevantes Datenfeld handelt. Eine dezidierte Aufstellung nach Phänomen-bereichen und den Unterthemenfeldern zur „Hasskriminalität“ ist der Anlage 1 zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der mehrdimensionalen Erfassung von politisch motivierten Straftaten die Summe der Nennungen von Unterthemenfeldern nicht der Anzahl der Straftaten entsprechen kann. Frage 2: In wie vielen Fällen äußert sich die Hasskriminalität durch Gewalt gegen Personen bzw. Sachen bzw. durch verbale Gewalt im Internet und sozialen Netzwerken? zu Frage 2: Im Referenzzeitraum wurden 350 politisch motivierte Gewaltstraftaten in diesem Sachzusammenhang erfasst. Der überaus größte Anteil (94,6 %) ist im Bereich PMK-rechts zu verzeichnen. Hier wurden 331 Gewaltdelikte vermeldet. Darüber hinaus wurden 285 „Internetstraftaten“, d. h. Straftaten, bei denen das Internet als Tatmittel genutzt wurde, registriert. Eine dezidierte Aufstellung ist der Anlage 2 zu entnehmen. Darüber hinaus ist eine deliktische Aufschlüsselung der vorgenannten „Internetstraftaten“ in der Anlage 3 dargestellt. Frage 3: In wie vielen Fällen erfolgten Anzeigen durch die Betroffenen? Frage 4: In wie vielen Fällen hat die Polizei auf anderen Wegen von Fällen der Hasskriminalität erfahren? zu Fragen 3 und 4: Zu diesen Fragestellungen können keine Aussagen getroffen werden, da die Art und Weise des Bekanntwerdens von Straftaten in den polizeilichen Auskunftssystemen nicht automatisiert recherchierbar ist. Frage 5: Wie verfolgt die Landesregierung verbale Hasskriminalität im Internet und den Sozialen Medien – statistisch und juristisch? zu Frage 5: Jede bekannt gewordene Straftat wird zur Anzeige gebracht, polizeilich bearbeitet, entsprechend statistisch erfasst und nach Abschluss der Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Frage 6: In wie vielen Fällen kam es zu Ermittlungsverfahren (bitte aufschlüsseln nach Gruppe der Aggressoren und Opfergruppen)? zu Frage 6: Zu allen in der Beantwortung der Frage 1 genannten 2.157 Straftaten wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zur weiteren Beantwortung wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen. Frage 7: In wie vielen Fällen kam es zu Anklagen (bitte aufschlüsseln nach Gruppe der Aggressoren und Opfergruppen)? Frage 8: In wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen (bitte aufschlüsseln nach Gruppe der Aggressoren und Opfergruppen)? zu Fragen 7 und 8: Ermittlungs- und Strafverfahren werden bei den Staatsanwaltschaften des Landes unter dem Begriff der Hasskriminalität derzeit noch nicht gesondert statistisch erfasst, sodass der Landesregierung insoweit keine Erkenntnisse vorliegen. Frage 9: Wurden in Brandenburg im Nachgang zur Justizministerkonferenz im Juni 2016 justizielle Möglichkeiten geprüft, mit denen die Justiz angemessen auf das Phänomen der Hasskriminalität reagieren kann? zu Frage 9: Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben in ihrer Konferenz vom 1. bis 2. Juni 2016 zu dem TOP „Minderheiten entschieden schützen – Hasskriminalität entschlossen entgegentreten“ die Absicht geäußert, die statistische Erfassung von Hasskriminalität zukünftig zu verbessern, um Ausmaß und Entwicklung des Phänomens der Hasskriminalität auch anhand justizieller Daten besser einschätzen zu können. Bereits auf ihrer Sitzung vom 12. bis 13. Juni 2013 in Perl-Nenning hatte die Justizministerkonferenz sich mit dem Thema Hasskriminalität befasst und es als wichtig erachtet, dass Straftaten, denen menschenverachtende Beweggründe zugrunde liegen, bei den Staatsanwaltschaften als solche registriert und in statistischen Erhebungen der Justiz ausgewiesen werden. Eine daraufhin eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema „Zeitgemäße und aussagekräftige Erfassung von Hasskriminalität in justiziellen Statistiken und alternativen Darstellungsmethoden“, in die auch Erkenntnisse der brandenburgischen Justiz einfließen, befasst sich mit der Thematik und prüft insbesondere, wie künftig eine einheitliche Erfassung entsprechender Straftaten auf justizieller Seite sichergestellt werden kann. Die Justizministerkonferenz hat im Juni 2016 zudem eine Evaluierung der im Jahr 2015 erfolgten Erweiterung der Strafzumessungsgrundsätze in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB um den Zusatz „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende [Beweggründe und Ziele des Täters]“ für sinnvoll erachtet. Insoweit wurde der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, diese zu veranlassen. Zur Bekämpfung von „Hate Speech“ im Internet und auf sozialen Plattformen erfolgen bereits sowohl auf Bundes- als auch auf europäischer Ebene verschiedene Bemühungen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat zusammen mit Facebook, Google und Twitter sowie mit zivilgesell-schaftlichen Organisationen eine Task Force zum Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet eingesetzt. Im Mai 2016 hat auch die Europäische Kommission gemeinsam mit Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft einen Verhaltenskodex mit Verpflichtungen auf freiwilliger Basis zur Bekämpfung von „Hate Speech“ in Europa vorgestellt, die größtenteils den Selbstverpflichtungen im Rahmen der Task Force entsprechen. Aufgrund der über die Landesgrenzen hinausgehenden Dimension der Problematik hält die Landesregierung Verhandlungen mit den entsprechenden Unternehmen und Anbietern auf Ebene des Bundes und der Europäischen Union für zielführend und effektiv. Frage 10: Erachtet die Landesregierung die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Hasskriminalität für ausreichend; wenn nein, welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung? zu Frage 10: Die Landesregierung erachtet die rechtlichen Möglichkeiten insbesondere im Bereich der Bekämpfung von „Hate Speech“ im Internet und in den sozialen Netzwerken über die bereits zu Frage 8 dargestellten Bemühungen des Bundes und der Europäischen Union hinaus für verbesserungswürdig. Brandenburg hat daher auf der Sitzung der Justizministerkonferenz am 17. November 2016 den Beschluss umterstützt, mit dem der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten wird, geeignete Lösungsvorschläge zu entwickeln, die eine effektive Löschung von „Hate Speech“ im Internet bei gleichzeitiger Beweissicherung ermöglichen. Darüber hinaus ist der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten worden, zeitnah Regelungsvorschläge zu prüfen, mit denen die sozialen Netzwerke, Videoportale und Medienplattformen verpflichtet werden, die Zahl der Beschwerden wegen „Hate Speech“ sowie die Zahl der erfolgten Löschungen regelmäßig zu veröffentlichen. Anlage 1 Politisch motivierte Straftaten im Begründungszusammenhang "Hasskriminalität" nach Phänomenbereichen und Unterthemenfelder 01.01.2012 - 31.10.2016 Jahr Phänomenbereiche Anzahl der Straftaten im Themenfeld Hasskriminalität/Unterthemenfelder: fremdenfeindlich Rassismus antisemitisch Behinderung gesellschaftlicher Status sexuelle Orientierung Religion 2012 PMK-Rechts- 175 51 94 0 5 6 5 PMK-Links- 0 0 0 0 1 0 0 PMK-Ausländer- 3 0 1 0 0 0 3 PMK-nicht zuzuordnen- 4 _ 0 0 0 1 0 2 2013 PMK-Rechts- 189 61 86 3 0 4 7 PMK-Links- 0 0 0 0 0 0 0 PMK-Ausländer- 0 0 0 0 0 0 1 PMK-nicht zuzuordnen- 2 1 1 0 0 1 1 2014 PMK-Rechts- 280 105 93 4 3 6 6 PMK-Links- 0 0 0 0 0 0 0 PMK-Ausländer- 1 1 1 0 0 0 6 PMK-nicht zuzuordnen- 1 0 0 0 0 0 1 2015 PMK-Rechts- 549 160 81 3 3 8 29 PMK-Links- 1 0 0 0 0 0 0 PMK-Ausländer- 1 1 0 0 1 0 8 PMK-nicht zuzuordnen- 9 1 2 0 2 0 1 2016 PMK-Rechts- 533 179 68 1 0 4 18 PMK-Links- 0 0 0 0 1 0 0 PMK-Ausländer- 4 0 1 0 0 0 12 PMK-nicht zuzuordnen- 17 6 3 0 0 0 4 Anlage 2 Politisch motivierte Straftaten im Begründungszusammenhang "Hasskriminalität" 01.01.2012 - 31.10.2016 Jahr Phänomenbereiche Gesamt davon Gewaltdelikte "Internetstraftaten" 2012 Gesamt 269 35 17 PMK-Rechts- 259 31 17 PMK-Links- 1 1 0 PMK-Ausländer- 3 3 0 PMK-nicht zuzuordnen- 6 0 0 2013 Gesamt 275 31 21 PMK-Rechts- 269 30 21 PMK-Links- 0 PMK-Ausländer- 1 1 0 PMK-nicht zuzuordnen- 5 0 0 2014 Gesamt 366 52 48 PMK-Rechts- 357 49 48 PMK-Links- 0 PMK-Ausländer- 8 3 0 PMK-nicht zuzuordnen- 1 0 0 2015 Gesamt 643 103 104 PMK-Rechts- 619 100 100 PMK-Links- 1 0 0 PMK-Ausländer- 8 3 2 PMK-nicht zuzuordnen- 15 0 2 2016 Gesamt 604 129 95 PMK-Rechts- 568 121 92 PMK-Links- 1 0 0 PMK-Ausländer- 16 7 0 PMK-nicht zuzuordnen- 19 1 3 Anlage 3 Deliktische Aufstellung der Straftaten im Begründungszusammenhang "Hasskriminalität" - Tatmittel: "Internet" 01.01.2012 - 31.10.2016 Straftaten gem. StGB 2012 2013 2014 2015 2016 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gern. § 86a StGB 0 0 1 1 0 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten gern. § 111 StGB 0 0 5 2 7 Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten gern. § 126 StGB 0 1 0 6 2 Volksverhetzung gern. § 130 StGB 16 15 36 83 74 Belohnung und Billigung von Straftaten gern. § 140 StGB 0 0 0 1 3 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen gern. § 166 StGB 0 0 0 1 0 Beleidigungstatbestände gern. §§ 185 ff StGB 0 4 6 8 9 Bedrohung gern. § 241 StGB 1 1 0 2 0 Gesamt 17 21 48 104 95 Page 1 Page 1 Page 1