Datum des Eingangs: 19.12.2016 / Ausgegeben: 27.12.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5732 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2267 der Abgeordneten Benjamin Raschke und Ursula Nonnemacher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/5467 Unabhängige Beratung in der Abschiebehaft Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Seit dem 1.8.2016 bietet der Flüchtlingsrat Niedersachsen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hannover- Langenhagen eine Beratung für Abschiebungsgefangene an. Eine entsprechende Vereinbarung haben Vertreterinnen und Vertreter der JVA und des Flüchtlingsrats Niedersachsen unterzeichnet . Das Projekt wird durch das Niedersächsische Justizministerium unterstützt, vgl. http://www.mj.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/unabhaengigefluechtlingsberatung -fuer-abschiebungsgefangene-in-der-jva-hannover-abteilunglangenhagen -144966.html. Frage 1: Wie viele Personen befanden sich in der Abschiebehafteinrichtung in Eisenhüttenstadt? (Bitte für die Jahre 2012-2016 aufschlüsseln) zu Frage 1: Die Zahlen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Jahr Anzahl der Häftlinge in der Abschiebungshafteinrichtung in Eisenhüttenstadt 2012 325 2013 217 2014 93 2015 66 2016* 121 *Stichtag 20.11.2016 Frage 2: Wie viele der in der Antwort auf Frage 1 genannten Personen waren a) besonders schutzbedürftig? b) minderjährig? zu Frage 2: Die Anzahl der besonders schutzbedürftigen Häftlinge wird statistisch nicht gesondert erfasst, weshalb der Landesregierung nur Erkenntnisse im Hinblick auf minderjährige Häftlinge vorliegen. Minderjährige 2012 – 2016 (Stand 20.11.2016) Jahr Alter Anzahl 2012 15 Jahre 3 16 Jahre 1 2013 15 Jahre 1 2014 keine Minderjährigen 2015 keine Minderjährigen 2016 keine Minderjährigen Frage 3: Wie viele Haftplätze stehen welchen anderen Bundesländern seit wann aufgrund welcher Verwaltungsvereinbarung in der Abschiebehafteinrichtung in Eisenhüttenstadt zur Verfügung? Wie waren diese Plätze bisher ausgelastet? zu Frage 3: Berlin - Vereinbarung vom 17.10.2016 festes Kontingent von 10 Haftplätzen Sachsen - Vereinbarung vom 15.07.2014 20 Haftplätze (soweit möglich) Schleswig-Holstein - Vereinbarung vom 20.07.2010 15 Haftplätze (soweit möglich) Nachfolgender Tabelle kann die Anzahl der aufgrund der genannten Vereinbarungen aufgenommenen Häftlinge ab dem Jahr 2012 bis 2016 (mit Stand 20.11.2016) entnommen werden, jeweils unterteilt nach Zuständigkeit von Ausländerbehörden (ABH) und der Bundespolizei (BPol): Land 2012 2013 2014 2015 2016 ABH‘en BPOL ABH´en BPOL ABH´en BPOL ABH´en BPOL ABH´en BPOL Berlin -- -- -- -- -- -- -- -- 1 -- Sachsen -- -- -- -- 5 -- 3 -- -- 3 Schleswig- Holstein 1 17 -- 9 1 -- 2 -- 5 -- Frage 4: Wie lange beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Abschiebehafteinrichtung? zu Frage 4: In den Jahren 2013 - 2016 war jeweils folgende durchschnittliche Haftdauer zu verzeichnen: 2013: 24 Tage 2014: 20 Tage 2015: 16 Tage 2016: 17 Tage (Stand 20.11.2016) Frage 5: Erwartet die Landesregierung einen Anstieg der Anzahl von Abschiebungsgefangenen in Brandenburg? Wenn ja, warum? zu Frage 5: Aufgrund der erheblich gestiegenen Anzahl der nach Deutschland als Flüchtlinge eingereisten Personen ist erfahrungsgemäß ebenso mit einem Anstieg der Ausreisepflichtigen und damit der Abschiebungen und auch der Fälle von Abschiebungshaft zu rechnen. Eine genauere Prognose ist nicht möglich. Frage 6: Aufgrund welcher konkreten Rechtsgrundlagen erfolgte in der Vergangenheit am häufigsten eine Inhaftierung von Flüchtlingen in der Abschiebehafteinrichtung in Eisenhüttenstadt? zu Frage 6: Zu der gewünschten Aufschlüsselung liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Frage 7: Von wem werden Haftanträge gestellt (Ausländerbehörde, Polizei etc.)? Wer stellt diese in der überwiegenden Anzahl der Fälle? zu Frage 7: Welche Behörde den Haftantrag stellt, wird statistisch nicht gesondert erfasst. Regelmäßig ist die für den Vollzug der Ausreisepflicht zuständige Behörde Antragstellerin, auch wenn es im Einzelfall dazu kommen kann, dass eine andere Behörde die Abschiebungshaft für die primär zuständige beantragt. Die nachfolgende Übersicht zeigt die Verteilung der zuständigen Behörden: Jahr Aufgenommene Personen Zuständige Behörden weiblich männlich Gesamt Ausländerbehörden des Landes BB Bundespolizeibehörden Behörden anderer Bundesländer 2012 41 284 325 51 255 19 2013 42 175 217 43 158 16 2014 9 84 93 26 32 35 2015 3 63 66 16 8 42 Januar 2016 – 20.11.2016 3 118 121 28 18 75 Frage 8: Wie viele Personen befinden sich in Brandenburg auf Grundlage des § 2 Abs. 15 Satz 2 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit der sog. Dublin-III-Verordnung in Haft? (Bitte für die Jahre 2015-2016 aufschlüsseln) zu Frage 8: Zu der gewünschten Aufschlüsselung liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Frage 9: Wie viele Personen wurden aus der Haft heraus abgeschoben bzw. im Rahmen der Dublin-III-Verordnung überstellt? In welche Länder erfolgten die Abschiebungen und Überstellungen? zu Frage 9: Die Anzahl der Abschiebungen und Überstellungen aus der Abschiebungshafteinrichtung kann der nachstehenden Übersicht entnommen werden. Über die Zielländer der Abschiebungen wird keine Statistik geführt, weshalb der Landesregierung keine Erkenntnisse zu den Rechtsgrundlagen der Abschiebungsanordnungen und den Zielländern vorliegen. 2012 2013 2014 2015 2016 (bis 20.11.2016) Abschiebungen/ Entlassungen insgesamt 321 227 101 60 120 davon Abschiebung in Heimatländer bzw. im Rahmen Dublin 249 146 58 39 90 davon Entlassung ohne Abschiebung insg. 72 81 43 21 30 Frage 10: Wie viele Personen wurden auf Grund einer unrechtmäßigen Inhaftierung in den vergangenen Jahren aus der Haft entlassen? (Bitte für die Jahre 2012-2016 aufschlüsseln)? Soweit hierüber keine Erkenntnisse vorliegen, wie viele Personen haben die Abschiebehafteinrichtung verlassen ohne dass eine Ab- oder Rückschiebung erfolgte? Welche Kenntnisse oder Einschätzungen liegen zu den Gründen hierfür vor (z.B. freiwillige Ausreise, richterliche Anordnung, Änderung der Sachlage usw.)? zu Frage 10: Ob eine unrechtmäßige Inhaftierung zum Zeitpunkt des ersten Haftbeschlusses vorgelegen hat, wird durch die Gerichte allenfalls im Rechtsmittel- oder Feststellungverfahren auf Antrag vereinzelt festgestellt. Diesbezügliche Erkenntnisse für Fälle der Abschiebungshafteinrichtung des Landes Brandenburg liegen der Landesregierung nicht vor. Die Anzahl der nicht durch Abschiebung Entlassenen sowie die diesbezüglich erfassten Gründe können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: 2012 2013 2014 2015 2016 (Stand 20.11.2016) Entlassung wegen Aufhebung des Haftbeschlusses 61 63 36 12 21 Entlassung wegen Ablaufens der gerichtlich angeordneten Hafthöchstdauer 5 2 2 Entlassung wegen Haftuntauglichkeit 2 7 4 Flucht beim Arztbesuch 1 Flucht beim Krankenhausbesuch 1 Verlegung in andere AHE bzw. JVA 9 9 3 1 1 Sammelvorführungen (Botschaftsvorführung Vietnam) 1 3 2 Verlegung in LEfAA (Landeseinrichtung für Asylbegehrende und Ausreisepflichtige ) 1 Entlassung ohne Abschiebung insgesamt 72 81 43 21 30 Frage 11: Wer führt in der Abschiebehafteinrichtung Eisenhüttenstadt die Rechtsberatung für Abschiebungsgefangene durch? Welche sonstigen Beratungsangebote gibt es für die Inhaftierten? zu Frage 11: In der Abschiebungshafteinrichtung bietet der Anwaltsverein Frankfurt (O) e. V. auf Grundlage eines Vertrages mit der Zentralen Ausländerbehörde eine regelmäßige kostenlose Erstberatung an. Die Häftlinge werden bei der Aufnahme über dieses Angebot aufgeklärt. Des Weiteren werden die Inhaftierten im Rahmen der Seelsorge in der Regel mindestens einmal wöchentlich durch Vertreter des Jesuiten -Flüchtlingsdienstes aufgesucht, welche auch Unterstützungsleistungen (Vermittlung von Rechtsanwälten etc.) erbringen. Auch die zuständige Flüchtlingspfarrerin der lutherisch-evangelischen Kirche besucht die Gefangenen als Seelsorgerin in der Regel wöchentlich. Mit der umfassenden Sozialberatung der Inhaftierten sind die Sozialarbeiterinnen der ZABH betraut. Weiterhin unterbreitet derzeit eine ehrenamtliche Initiative Berliner Studentinnen und -studenten in der Regel an jedem Samstag das Angebot einer Kreativ-AG, die Sozialverhalten und -kompentenz der Häftlinge durch die gemeinsame Arbeit an künstlerischen und gestalterischen Projekten positiv beeinflusst. Zudem bietet das DRK Sport- und Freizeitmaßnahmen an. Frage 12: Unter welchen Bedingungen können Inhaftierte besucht werden? Welche Bedingungen gelten für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte? zu Frage 12: Die Besuchsbedingungen für Abschiebungshäftlinge sind in § 7 Absatz 1 des Brandenburger Gesetzes über den Vollzug der Abschiebungshaft (Abschiebungshaftvollzugsgesetz - AbschhVG) geregelt. Dieser lautet: Abschiebungshäftlinge dürfen zu den allgemein vorgegebenen Zeiten Besuch empfangen. Dieses Recht darf nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Besuche durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie durch Angehörige der zuständigen Konsularbehörden, die jederzeit erfolgen können. Allgemein vorgegeben werden die Besuchszeiten durch die Hausordnung der Abschiebungshafteinrichtung . Darin ist festgelegt, dass die Abschiebungshäftlinge täglich von 9 Uhr bis 11:30 Uhr und von 14 Uhr bis 18 Uhr Besucher empfangen können . Diese Einschränkungen entfallen, wie oben bemerkt, für bestimmte Personenkreise , unter anderem für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Frage 13: Plant die Landesregierung eine mit der niedersächsischen vergleichbare Kooperation mit dem Flüchtlingsrat Brandenburg oder einer anderen unabhängigen Flüchtlingsberatungsorganisation? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, ab wann? zu Frage 13: Bislang haben Flüchtlingshilfsorganisationen keine entsprechenden Angebote übermittelt. Die vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat in der JVA Langenhagen angebotene unabhängige Rechtsberatung ist nach Auffassung der Landesregierung in der Abschiebungshafteinrichtung durch die Beratungsleistungen des Anwaltsvereins Frankfurt (Oder) vergleichbar gegeben.