Datum des Eingangs: 22.12.2016 / Ausgegeben: 27.12.2016 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5754 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2279 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/5493 Vereinbarung mit Berlin über die Aufnahme von Flüchtlingen im Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Die Landesregierung hat sich mit dem Land Berlin darauf geeinigt, 995 Flüchtlinge, die derzeit noch in Berliner Flüchtlings (not)unterkünften leben, in der brandenburgischen Erstaufnahme am Standort Wünsdorf aufzunehmen. Aktuellen Presseberichten zufolge gibt es bei der geplanten vorübergehenden Unterbringung der Flüchtlinge in Brandenburg für maximal 6 Monaten Probleme. So seien seit Inkrafttreten der Vereinbarung bisher erst 37 Flüchtlinge nach Wünsdorf umgezogen. Grund für die schleppende Umsetzung der Vereinbarung seien die dort festgelegten Kriterien. Frage 1: Welche Rechtsnatur hat die Vereinbarung mit Berlin und ist diese öffentlich einsehbar? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 1: Es handelt sich um eine Verwaltungsvereinbarung in Form eines Ressortabkommens zwischen dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, und dem Land Brandenburg, vertreten durch das Ministerium des Innern und für Kommunales. Die Vereinbarung ist bislang nicht öffentlich einsehbar, weil eine Veröffentlichung im Amtsblatt bisher nicht erfolgt ist. Frage 2: Wie viele Flüchtlinge aus den Berliner Unterkünften sind aktuell am Standort Wünsdorf untergebracht? zu Frage 2: Am 05.12.2016 befanden sich 55 Asylsuchende, die Berlin zugewiesen sind, in der Außenstelle Wünsdorf der Erstaufnahmeeinrichtung. Frage 3: Befinden sich unter diesen Flüchtlingen auch Kinder? Wenn ja, wie werden diese Kinder beschult? Wurden die Kinder zuvor in Berlin beschult? zu Frage 3: Unter den in der Antwort zu Frage 2 genannten Personen befanden sich 6 Kinder. Nach der unter 1. genannten Vereinbarung werden quantitativ und qualitativ angemessene Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter durch Berlin sichergestellt. Ob die Kinder zuvor in Berlin beschult wurden, ist hier nicht bekannt. Frage 4: Wie viele Hausbetreuer/innen, wie viele Sozialberater/innen und wie viel medizinisches Personal stehen den „Berliner Flüchtlingen“ in der Brandenburger Unterkunft zur Verfügung? Wer ist für diese Aufgaben verantwortlich, Berlin oder Brandenburg und welcher Betreiber wurde mit den Aufgaben beauftragt? zu Frage 4: Am Standort Wünsdorf, der aktuell auch mit Brandenburger Asylsuchenden belegt ist, waren im November 11,5 Vollzeitäquivalente (VZÄ) in der Hausbetreuung , 7,5 VZÄ in der Sozialberatung einschließlich der Ehrenamtskoordination und 3,75 VZÄ als Krankenschwester/medizinische Fachangestellte im Bereich der medizinischen Versorgung tätig. Stellen für die Sozialberatung und Hausbetreuung sind ausgeschrieben, so dass demnächst mit einer weiteren Verstärkung zu rechnen ist. Darüber hinaus arbeitet das DRK mit Honorarärzten zusammen, die wöchentlich 18 Stunden vor Ort sind, was 0,45 VZÄ entspricht. Es handelt sich nach wie vor um Personal des Deutschen Roten Kreuzes als Betreiber der Einrichtung, verantwortlich für die Außenstelle ist die Zentrale Ausländerbehörde (ZABH) als Auftraggeberin. Frage 5: Was geschieht mit dem bisherigen Personal am Standort Wünsdorf? zu Frage 5: Es ist weiter dort beschäftigt. Frage 6: Welche Kriterien bestehen für die Aufnahme „Berliner Flüchtlinge“ in der Brandenburger Unterkunft in Wünsdorf? zu Frage 6: Nach der unterzeichneten Vereinbarung (siehe Antwort zu Frage 1) setzt die Aufnahme voraus, dass es sich um zuvor in Berlin registrierte Asylsuchende handelt, bei denen voraussichtlich mit einer längeren Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung zu rechnen ist. Es muss sich demnach um Asylsuchende handeln , die nach dem Asylgesetz (noch) verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, da Brandenburg diese Personen nur im Rahmen und für die Dauer des Aufnahmeverfahrens aufnimmt. Die Vorbemerkung der Fragestellerin, die beiden Länder hätten sich darauf geeinigt, „995 Flüchtlinge, die derzeit noch in Berliner Flüchtlings(not)unterkünften leben“, in Wünsdorf aufzunehmen, bedarf insofern der Differenzierung. Weitere Aufnahmekriterien sind die Erstverteilung im EASY-Verfahren nach Berlin, die erfolgte Asylantragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die in Berlin durchgeführte und abgeschlossene Gesundheitsuntersuchung nach dem Asylgesetz, die Beurteilung der besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie, das Angebot und die Durchführung von Schutzimpfungen vor der Aufnahme. Ferner dürfen von den 995 zur Verfügung stehenden Plätzen maximal 300 Plätze mit alleinreisenden Männern belegt werden. Darüber hinaus sieht die zwischen dem Landesamt für Flüchtlinge und der ZABH ausgehandelte, aber noch nicht unter- zeichnete Zusatzvereinbarung weitere Kriterien vor, über die derzeit nachverhandelt wird. Frage 7: Welche dieser Kriterien sorgen für die schleppende Umsetzung der Vereinbarung ? zu Frage 7: Die Umsetzungsschwierigkeiten dürften nach derzeitiger Kenntnis ihre Ursache insbesondere darin haben, dass die meisten Asylverfahren vom BAMF beschleunigt bearbeitet werden, so dass nur noch wenige Asylsuchende die Voraussetzung eines voraussichtlich längeren Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung erfüllen. Hierzu gehören Dublin-Fälle und Angehörige sicherer Herkunftsstaaten, die jedoch Berlin ursprünglich nicht in Wünsdorf unterbringen wollte. Frage 8: Welche weiteren Gründe gibt es ggf. für die schleppende Umsetzung der Vereinbarung? zu Frage 8: Weitere Gründe sind hier nicht sicher bekannt. Es gibt Hinweise, dass sich vor allem alleinreisende Männer weigern, nach Wünsdorf umzuziehen, weil ihnen der Ort zu abgelegen ist, während Familien die guten Unterbringungsbedingungen und die Ruhe dort schätzen. Frage 9: Inwiefern werden Flüchtlinge in die Entscheidung, ob Sie für maximal 6 Monate in Wünsdorf leben möchten, einbezogen? Welche Anreize bestehen für Flüchtlinge , nach Wünsdorf zu kommen, wenn sie nach 6 Monaten Brandenburg wieder verlassen müssen? Wäre die Möglichkeit eines dauerhaften Verbleibes der Flüchtlinge aus Berlin in den Brandenburger Kommunen aus Sicht der Landesregierung nicht sowohl für die betroffenen Flüchtlinge als auch für die Brandenburger/innen wünschenswert ? zu Frage 9: Die erste Frage kann nur von Berlin beantwortet werden. Allgemein werden Asylsuchende dort untergebracht, wo es nach Einschätzung der Behörde angebracht und angemessen ist. Sonderwünsche können aus organisatorischen Gründen in der Regel nur im begründeten Einzelfall berücksichtigt werden. Auch wenn es keines Anreizes bedarf, weil Berlin für die Zuweisung des Wohnsitzes zuständig ist, ist die Außenstelle Wünsdorf aufgrund ihrer guten Ausstattung, ihrer Lage und ihrer großzügigen Anlage nicht nur, aber insbesondere für Familien einer Unterbringung in Notunterkünften vorzuziehen. Um nach der Flucht zur Ruhe zu kommen und ein Mindestmaß an Privatsphäre in abschließbaren Räumen zu haben, dürfte ein Aufenthalt von höchsten sechs Monaten geeignet sein. Ein dauerhafter Verbleib in Brandenburger Kommunen kommt schon aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Insoweit wird auf die Beantwortung von Frage 5 der Kleinen Anfrage Nr. 1893 verwiesen (LT-DS 6/4779). Frage 10: Gibt es Kommunen, die sich in Brandenburg freiwillig gemeldet haben, da sie gerne weitere Flüchtlinge aufnehmen möchten? Hat die Landesregierung dies abgefragt? zu Frage 10: Nein, weder hat es solche Meldungen gegeben noch hat die Landesregierung dies abgefragt. Von Seiten der kommunalen Spitzenverbände wurde frühzeitig eine Übernahme von Flüchtlingen aus Berlin in die kommunale Zuständigkeit ab- gelehnt. Diese war von der Landesregierung im Übrigen aus rechtlichen Gründen immer ausgeschlossen worden. Frage 11: Beabsichtigt die Landesregierung, die Vereinbarung mit Berlin über die Aufnahme von 995 „Berliner Flüchtlingen“ mit dem jetzt neu gebildeten Berliner Senat nachzujustizieren? Wenn ja, inwiefern? zu Frage 11: Der derzeitige Sachstand zu den Nachverhandlungen ist der gemeinsamen Pressemitteilung des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin vom 29.11.2016 zu entnehmen. Weiteres bleibt den Verhandlungen mit der Berliner Seite vorbehalten.