Datum des Eingangs: 06.01.2017 / Ausgegeben: 11.01.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5815 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2327 des Abgeordneten Benjamin Raschke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/5616 Details zum Landgrabbing durch Rückübertragung von Flächen der KTG Agrar in der Prignitz Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Die Presse berichtete in den letzten Monaten immer wieder zum Insolvenzverfahren und zum Flächenverkauf der KTG Agrar SE (KTG Agrar). Die KTG Gruppe ist eines der ersten Agrarunternehmen an der Deutschen Börse und besaß 2015 rund 45.000 ha Land. Zusammenfassend stellt sich der Flächenverkauf der KTG Agrar nach bisherigen Erkenntnissen folgendermaßen dar: Mitte 2015 veräußerten 14 KTG Agrar-Tochterunternehmen rund 2263ha Ackerflächen an die KTG-Tochter ATU Landbau GmbH. Die untere Landwirtschaftsbehörde des Landkreises Prignitz erteilte für dieses Grundstücksveräußerungsgeschäft, welches in einem einzigen Kaufvertrag vollzogen wurde, am 30.07.2015 die Genehmigung. Alle Grundstücke wurden an die jeweiligen Verkäufer für einen Zeitraum von 18 Jahren rückverpachtet. Nur drei Wochen nach dieser Transaktion wurden 94,9% der ATU Landbau GmbH an die Münchner Rück verkauft. Die Münchner Rück ist der größte Rückversicherungskonzern der Welt und kein landwirtschaftlicher Betrieb. Das Grundstückverkehrsgesetz sieht vor, dass zu veräußernde landwirtschaftliche Flächen größer 2 Hektar zuerst ortsansässigen Bauern angeboten werden müssen. Die Münchner Rück hätte als nicht-landwirtschaftliches und nicht-ortsansässiges Unternehmen laut Grundstückserwerbsgesetz nicht in den Erwerb von 2263ha Ackerflächen kommen können. Zur Veranschaulichung der in diesem Fall vorliegenden Dimension des Flächenverkaufs: die rund 2263 ha Acker sind ca. 800-mal größer als der Durchschnitt aller 2015 in Deutschland verkauften Äcker. Insofern sich die Genehmigung der unteren Landwirtschaftsbehörde des Landkreises Prignitz als rechtlich nicht bestandskräftig herausstellt, wird eine Veräußerung der Flächen an ortsansässige , aufstockungsbedürftige Landwirte möglich. Hierzu informierte die Landesregierung bereits in einem Schreiben vom 18.10.2016 und benannte eine Frist zur Interessensbekundung bis zum 18.11.2016. Eine telefonische Nachfrage ergab, Landwirte könnten sich auch über diese Frist hinaus zum Grundstückserwerb melden. Genehmigungspflicht für Grundstücksveräußerungen Frage 1: Wie haben die Landkreise nach dem Grundstücksverkehrsgesetz die bestehende sowie zukünftige landwirtschaftliche Unternehmensausrichtung und Ortsansässigkeit potentieller Flächenkäufer zu prüfen? Wie erfolgte durch den Landkreis Prignitz die Prüfung der ATU Landbau GmbH? Frage 2: Wie und für welchen Zeitraum muss ein Kaufinteressant eine zukünftige Tätigkeit als Landwirt nachweisen? Wie wurde der Nachweis im vorliegenden Fall erbracht? Frage 3: Wurde die Genehmigungsversagung bzw. die Vorkaufsrechtsausübung durch den Landkreis Prignitz im vorliegenden Fall geprüft? Wenn ja, wie wurde der Kauf durch die ATU Landbau vor dem Hintergrund, dass eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden vorliegt, wenn landwirtschaftlich genutzter Boden an einen Nichtlandwirt oder einen nicht leistungsfähigen Landwirt veräußert werden soll, beurteilt? Wenn nein, welche fachlichen Gründe sprachen im vorliegenden Fall gegen eine Prüfung der ATU Landbau? Frage 7: Warum wurde bei dem Vorliegen von 14 Veräußerungsgeschäften über eine Gesamtfläche von 2263 an einen einzigen Käufer nicht die Möglichkeit einer Weiterveräußerung der Gesellschaft an einen Nicht-Landwirt in Erwägung gezogen? Welche Anweisungen zur Prüfung dieser Möglichkeit wurden vom Ministerium bisher erlassen? zu den Fragen 1 bis 3 und 7: Die unteren Landwirtschaftsbehörden prüfen die ihnen vorgelegten Antragsunterlagen darauf, ob zur Abwehr agrarstruktureller Schäden die Genehmigung versagt werden muss und ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Landgesellschaft vorliegen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn landwirtschaftliche Flächen durch einen Nichtlandwirt erworben werden und ein dringend aufstockungsbedürftiger, leistungsfähiger Landwirt die Flächen zur Eigenbewirtschaftung benötigt und zum Erwerb der Flächen zu den Bedingungen des Kaufvertrages bereit und in der Lage ist. Der Landkreis hat auf der damals bekannten Sachlage eine Entscheidung treffen müssen. Der Frage, ob ein flächenerwerbendes landwirtschaftliches Unternehmen möglicherweise kurz nach der Genehmigung durch einen Eigentümer- und/oder Firmensitzwechsel kein landwirtschaftliches Unternehmen im Sinne des Grundstückverkehrsgesetzes mehr sein wird, muss die Behörde nur nachgehen, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Diese gab es im Fall der ATU Landbau GmbH nicht. Frage 4: Wie beurteilt die Landesregierung den Flächenverkauf im vorliegenden Fall, in welchem schlussendlich landwirtschaftliche Flächen von einem nichtortsansässigen und nicht-landwirtschaftlichen Unternehmen erworben wurden in Vereinbarkeit mit dem aktuellen Bodenrechtsziel, aktiven Landwirten den Vorrang beim Bodenerwerb zu sichern und spekulative Tendenzen einzudämmen? zu Frage 4: Wenn die derzeit laufende Prüfung ergibt, dass die damalige Genehmigung in Bezug auf einige oder alle der 14 Kaufgegenstände rechtswidrig war, hat die zuständige Landwirtschaftsbehörde eine diesbezügliche Rücknahme der Genehmigung und die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Landgesellschaft zu prüfen. Frage 5: Welche gesetzlichen und / oder verwaltungsrechtlichen Vorschriften müssten nach Meinung der Landesregierung geändert werden, damit wie im vorliegenden Fall gesichert ist, dass Ackerflächen in der Hand und Bewirtschaftung von ortsansässigen und landwirtschaftlich tätigen Unternehmen bleiben? zu Frage 5: Wenn geltende Vorschriften gezielt umgangen werden und dies nachweisbar ist, ist es bereits jetzt möglich, dies zu unterbinden oder nachträglich zu korrigieren. Frage 6: Der Agrarminister erklärte im Agrarausschuss am 30.11.2016, man wolle die Genehmigungsbehörden zukünftig stärker unterstützen. Wie konkret unterstützt die Landesregierung die landwirtschaftlichen Genehmigungsbehörden der Landkreise, um vor dem Hintergrund sich ändernder, teils komplexer Rechtsvorgaben, die geltenden Bestimmungen, wie im vorliegenden Fall korrekt umzusetzen? zu Frage 6: Basis des Handelns der Behörden ist der vom MLUL herausgegebene Erlass vom 9. März 2016 (Amtsblatt vom 13.4.2016) zum Grundstückverkehrsgesetz und zum Reichssiedlungsgesetz. Er gibt den unteren Landwirtschaftsbehörden klare Vorgaben, anhand derer die Genehmigungsanträge zu prüfen sind. Um diesen Erlass einheitlich anzuwenden, werden diese Sachverhalte Gegenstand von Dienstberatungen mit den unteren Landwirtschaftsbehörden. Das Ministerium unterstützt außerdem auf Anfrage in einzelnen Genehmigungsverfahren. Transparenz bei Grundstücksveräußerungen Frage 8: Bestand bei der Grundstücksveräußerung im Jahr 2015 von den 14 KTG Töchterunternehmen an die KTG-Tochter ATU Landbau eine Informationspflicht über die Absicht der Grundstücksveräußerung an ortsansässige oder nicht-ortsansässige, landwirtschaftliche Betriebe? Frage 9: Wenn ja, wer muss dieser Informationspflicht nachkommen? Frage 10: Wenn ja, wie muss dieser Informationspflicht nachgekommen werden (Informationskanäle, zeitliche Fristen, etc.)? Frage 11: Wenn ja, wie wurde der Informationspflicht im vorliegenden Fall der KTG Agrar nachgekommen? zu den Fragen 8 bis 11: Dass die kaufgegenständlichen Flächen nicht im Eigentum des im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ansässigen Landwirtschaftsunternehmens der KTG-Gruppe verbleiben sollten, sondern in das Eigentum eines landwirtschaftsfremden Investors in München übergehen sollten, hätte der Genehmigungsbehörde durch die antragstellenden Vertragsparteien bzw. den von ihnen beauftragten Notar mitgeteilt werden müssen, da diese Information entscheidungsrelevant gewesen wäre. Eine ausdrücklich geregelte Informationspflicht des Antragstellers gibt es nicht. Rückübertragungen von Verkaufsflächen und Vorkaufsberechtigung Frage 12: An wen wurde die Information (Schreiben des Ministeriums vom 18.10.2016) für eine Interessensbekundung zum Grundstückserwerb im vorliegenden Fall gesandt? zu Frage 12: Das Schreiben wurde an die unteren Landwirtschaftsbehörden Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Märkisch-Oderland, Potsdam-Mittelmark und Oberspreewald-Lausitz und die berufsständischen Verbände und Interessenvertretungen Landesbauernverband, Bauernbund, die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg und den Agrarpolitischen Arbeitskreis Ökologischer Landbau gesandt. Frage 13: Bis wann können weitere vorkaufsberechtigte Landwirte die Inanspruchnahme des Vorkaufsrechtes anmelden? zu Frage 13: Für die Rücknahme einer rechtswidrigen Genehmigung gilt eine einjährige Frist seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Umstände (§ 48 Abs. 4 VwVfG). Somit müsste, soweit die Rechtswidrigkeit festgestellt wurde und die Ermessensausübung zu einer Rücknahmeentscheidung führt, spätestens im Oktober 2017 die Rücknahme erfolgen. Allerdings sollte Ende Januar 2017 die Prüfung abgeschlossen sein, um die Belastung der Beteiligten zu minimieren, so dass auch Erwerbsinteressenten sich bis Ende Januar bei den jeweiligen Landwirtschaftsbehörden melden können. Frage 14: An wen ist es geplant die Informationen für eine weitere mögliche Interessensbekundung zum Grundstückserwerb im vorliegenden Fall zu senden, um vorkaufsberechtigte Landwirte zu finden? zu Frage 14: Die Behörden gehen davon aus, dass über die in der Antwort auf Frage 12 genannten Adressaten mögliche Erwerbsinteressenten unter den Landwirten erreicht werden.