Datum des Eingangs: 06.02.2015 / Ausgegeben: 11.02.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/583 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 167 des Abgeordneten Frank Bommert CDU-Fraktion Drucksache 6/391 Scheinselbständigkeit in Ostbrandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 167 vom 09.01.2015: Laut eines Presseberichtes der Märkischen Oderzeitung vom 27.Dezember 2014 sind in Ostbrandenburg im letzten Jahr vermehrt Fälle von Scheinselbständigkeit aufgetreten. Hierbei treten erwerbstätige Personen als selbstständige Unternehmer auf, obwohl sie von der Art ihrer Tätigkeit her Arbeitnehmer sind. Wir fragen daher die Landesregierung: 1. Wie viele Fälle von Scheinselbständigkeit kamen in den Jahren 2010 bis 2014 in Brandenburg zur Anzeige? (Bitte detailliert nach Landkreisen die Anzahl der Fälle in den Jahren 2010-2014 auflisten.) 2. Wie, wie häufig und durch welche Behörden findet eine Überprüfung der Unternehmer statt, bei denen ein Verdacht auf Scheinselbständigkeit vorliegt? 3. Wie arbeitet die Landesregierung mit den Handwerkskammern und IHKs zusammen , um Fälle von Scheinselbständigkeit zu entdecken oder zu vermeiden? 4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Höhe der entgangenen Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge durch Scheinselbständigkeit in Brandenburg ? (Bitte detaillierte Auflistung) 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um einen weiteren Anstieg der Scheinselbständigkeit in Brandenburg zu verhindern? 6. Findet ein landkreisübergreifender Austausch von Informationen zu diesem Problem statt? Wenn ja, wie genau ist dieser organisiert? Wenn nein, warum nicht? 7. Findet eine Zusammenarbeit mit dem Land Berlin statt, um die Ausbreitung von Scheinselbständigkeit auch länderübergreifend zu verhindern? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die der Scheinselbständigkeit unterfallenden Sachverhalte stellen Schwarzarbeit i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - SchwarzArbG) dar. Zuständige Stelle für die Bekämpfung der Scheinselbständigkeit sind die Behörden der Zollverwaltung (§ 2 Abs. 1 SchwarzArbG) bzw. die Finanzkontrolle Schwarzarbeit “ (FKS) des jeweils örtlich zuständigen Zollamtes und damit die Bundeszollverwaltung als Bundesfinanzbehörde. D. h. die Bekämpfung der Schwarzarbeit, die das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft, fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundeszollverwaltung. Die Behörden der Zollverwaltung werden nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 SchwarzArbG bei ihren Prüfungen jedoch u.a. unterstützt von:  den nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem SchwarzArbG zuständigen Behörden (§ 2 Abs. 2 Nr. 11 SchwarzArbG ) sowie  den nach § 14 der Gewerbeordnung (GewO) für die Entgegennahme der Gewerbeanzeigen zuständigen Stellen (§ 2 Abs. 2 Nr. 12 SchwarzArbG). Den nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem SchwarzArbG zuständigen Behörden obliegt nach § 2 Abs. 1a Nrn. 1 u. 2 SchwarzArbG originär lediglich die Prüfung, ob „1. der Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nachgekommen oder 2. die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 der Gewerbeordnung) erworben wurde, ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betrieben wird und die Eintragung in die Handwerksrolle vorliegt.“ Weiter ist darauf hinzuweisen, dass auch die Handwerkskammern im Bereich der Bekämpfung der Schwarzarbeit in Form der Selbstständigkeit keine originäre Zuständigkeit innehaben. Der Beitrag der Handwerkskammer besteht insoweit i.d.R. darin, dass konkrete Verdachtsmomente an die zuständigen Verfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Sinngemäß gilt dies auch für die IHKs. Frage 1: Wie viele Fälle von Scheinselbständigkeit kamen in den Jahren 2010 bis 2014 in Brandenburg zur Anzeige? (Bitte detailliert nach Landkreisen die Anzahl der Fälle in den Jahren 2010-2014 auflisten.) Frage 2: Wie, wie häufig und durch welche Behörden findet eine Überprüfung der Unternehmer statt, bei denen ein Verdacht auf Scheinselbständigkeit vorliegt? zu Fragen 1 und 2: Wie einleitend in der Vorbemerkung ausgeführt, liegt die Zuständigkeit für die Bekämpfung der Schwarzarbeit in Form der Scheinselbständigkeit bei den Behörden der Zollverwaltung. Nach Mitteilung des Hauptzollamtes Frankfurt (Oder ) vom 20. Januar 2015 werden die mit den Fragen 1 und 2 erbetenen Daten in der Statistik der Finanzkontrolle Schwarzarbeit nicht erfasst. Weiter sei „im Rahmen der kurz bemessenen Frist eine Sonderauswertung auf regionaler Ebene nicht möglich“. Mangels originärer Zuständigkeit im Bereich der Bekämpfung der Scheinselbständigkeit werden auch von den nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem SchwarzArbG zuständigen Behörden die erbetenen Daten nicht statistisch erfasst. Aus dem gleichen Grund gilt dies auch für die Handwerkskammern und IHKs. Frage 3: Wie arbeitet die Landesregierung mit den Handwerkskammern und IHKs zusammen, um Fälle von Scheinselbständigkeit zu entdecken oder zu vermeiden? zu Frage 3: Sowohl die Landesregierung über das Wirtschafts- und das Arbeitsressort wie auch die Handwerkskammern und die IHKs sind Mitglieder bzw. Teilnehmer verschiedener Koordinierungsrunden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, deren Ziel auch im Bereich der Bekämpfung der Scheinselbständigkeit die Optimierung der wechselseitigen Zusammenarbeit ist. Insoweit wird auf die Antworten zu den Fragen 5, 6 und 7 Bezug genommen. Frage 4: Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Höhe der entgangenen Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge durch Scheinselbständigkeit in Brandenburg ? (Bitte detaillierte Auflistung) zu Frage 4: Die Landesregierung hat keine eigenen Kenntnisse über die Höhe der durch Scheinselbständigkeit in Brandenburg möglicherweise entgangenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Die Landesfinanzverwaltung ist mit der Thematik der Scheinselbständigkeit lediglich insoweit befasst, als es um die steuerliche Auswertung der von der FKS mitgeteilten Hinweise und Ermittlungsergebnisse insgesamt geht. Eine separate statistische Erfassung der tatsächlich festgesetzten Mehrsteuern speziell aus Scheinselbständigkeit erfolgt dabei nicht. Frage 5: Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um einen weiteren Anstieg der Scheinselbständigkeit in Brandenburg zu verhindern? zu Frage 5: Im Koalitionsvertrag für die 6. Wahlperiode des brandenburgischen Landtages 2014 bis 2019 hat sich die Regierungskoalition darauf verständigt, stärker gegen Schwarzarbeit vorzugehen. Erklärtes Ziel ist es nach dem Koalitionsvertrag, das „Südbrandenburger Bündnis gegen Schwarzarbeit“ vom 30. Juli 2014 auf das gesamte Land Brandenburg auszuweiten. Partner des „Südbrandenburger Bündnis gegen Schwarzarbeit“ ist auch die Zollverwaltung vertreten durch die Hauptzollämter Potsdam und Frankfurt (Oder). Die Thematik der Bekämpfung der Scheinselbständigkeit ist damit auch Gegenstand der Bemühungen des bestehenden Bündnisses sowie der künftig noch zu initiierenden Folgebündnisse. Die Landesregierung – in Gestalt des insoweit zuständigen Wirtschaftsressorts – verhandelt darüber hinaus zur Zeit die „Vereinbarung des Bundesministeriums der Finanzen und der zuständigen Ressorts der Länder über die Grundsätze der Zusammenarbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) mit den Gewerbebehörden und den Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden der Länder (Zusammenarbeitsvereinbarung Handwerks- und Gewerberecht)“. Gegenstand dieser Vereinbarung nach § 14 Abs. 14 GewO i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 2 Gewerbeanzeigeverordnung (GewAnzV [(BGBl. I Nr. 34 vom 25. Juli 2014]) wird u.a. die Definition der Anhaltspunkte für eine Scheinselbständigkeit sein, bei deren Vorliegen die kommunalen Gewerbeämter nach dem zum 1. Januar 2015 in Kraft getretenen § 3 Abs. 3 GewAnzV verpflichtet sind, im Zuge von Gewerbeanmeldungen entsprechende Verdachtsfälle der FKS - ab 1. Januar 2016 ausschließlich elektronisch - zu übermitteln. Die Landesregierung wird zudem über das jeweils zuständige Ressort auch zukünftig in jeweiligen Arbeitskreisen auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene auf eine Optimierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit auch der Scheinselbständigkeit hinwirken. Frage 6: Findet ein landkreisübergreifender Austausch von Informationen zu diesem Problem statt? Wenn ja, wie genau ist dieser organisiert? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 6: Es findet auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ein Austausch von Informationen u.a. zu diesem Problem statt. Auf Bundes-/Landesebene sind zu benennen:  „Bund-Länder Erfahrungsaustauschs zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung“ auf Einladung des Bundesministeriums der Finanzen  Jährliches Bundesfahndertreffen, zu welchem u.a. auch die Mitarbeiter der kommunalen Verfolgungsbehörden der Landkreise und Städte der gesamten Bundesrepublik sowie die Handwerkskammern eingeladen werden Auf Landes-/Kreisebene haben sich folgende Arbeitskreise etabliert:  Jährlich tagende „Koordinierungsgruppe zur Bekämpfung von Schwarzarbeit, unerlaubter Handwerks- und Gewerbeausübung“ mit den Landkreisen TeltowFläming und Potsdam-Mittelmark, Stadt Brandenburg, Hauptzollamt Potsdam, Finanzamt Luckenwalde, Kreishandwerkerschaft Teltow-Fläming und Potsdam, HWK Potsdam, Landesamt für Arbeitsschutz Regionalbereich Süd und West, Berufsgenossenschaft der Bauverwaltung - Bezirksverwaltung Nord und MWE  Jährliches Arbeitstreffen zu Fragen und Problemen zum Handwerks- und Gewerberecht ggf. auch Bekämpfung der Schwarzarbeit mit HWK Frankfurt (O.), Hauptzollamt Frankfurt (O.), Landkreise Uckermark, Barnim, Märkisch-Oderland, Oder-Spree, Stadt Frankfurt (O.), Stadt Schwedt/Oder, Eberswalde und Eisenhüttenstadt gleichfalls unter Teilnahme des MWE  Das vorerwähnte und unter der Federführung der HwK Cottbus stehende „Südbrandenburger Bündnis gegen Schwarzarbeit“ mit folgenden Partnern: HWK Cottbus, Landkreise Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster, Dahme-Spreewald, SpreeNeiße , Stadt Cottbus Bundesfinanzdirektion Mitte, Hauptzollämter Frankfurt (O.) und Potsdam, DGB und MWE. Die am Bündnis beteiligten Partner planen einen jährlich stattfindenden Informations- und Erfahrungsaustausch. Das nächste Treffen wird nach derzeitiger Planung im kommenden Frühjahr stattfinden Im Rahmen einer bundesweiten Bewertung für das Jahr 2013 der Bundesfinanzdirektion West zur Zusammenarbeit der FKS mit den Gewerbebehörden und den Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden in den Ländern wurde die Zusammenarbeit mit den Behörden Brandenburgs von den Hauptzollämtern im Bundesvergleich gut bewertet. Frage 7: Findet eine Zusammenarbeit mit dem Land Berlin statt, um die Ausbreitung von Scheinselbständigkeit auch länderübergreifend zu verhindern? zu Frage 7: Zwischen Berlin und Brandenburg erfolgt eine Koordinierung im Rahmen der von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen des Landes Berlin organisierten und ebenfalls jährlich tagenden Arbeitsgruppe „Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in Berlin und Brandenburg“, an welcher die FKS durch die Bundesfinanzdirektion Mitte sowie die Hauptzollämter Berlin, Potsdam und Frankfurt/Oder vertreten ist. Im Rahmen der letzten Koordinierungsberatung der Arbeitsgruppe vom 7. November 2014 war die Scheinselbständigkeit das Schwerpunktthema.