Datum des Eingangs: 16.01.2017 / Ausgegeben: 23.01.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5863 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2345 der Abgeordneten Dr. Saskia Ludwig der CDU-Fraktion Drucksache 6/5725 Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Nach Expertenmeinung verursacht Wirtschaftskriminalität in Deutschland regelmäßig etwa die Hälfte aller durch Straftaten entstehenden Schäden, obwohl sie nur etwa ein bis zwei Prozent aller Straftaten ausmacht . Darunter fällt eine Vielzahl von Delikten aus dem Strafgesetzbuch. In vielen Fällen gehen die Täter von Wirtschaftsdelikten betrügerisch vor. Häufige Taten sind etwa Betrug und Untreue im Zusammenhang mit Kapitalanlagen sowie Straf-taten im Anlage- und Finanzierungsbereich. Exemplarisch sei das betrügerische Anbieten von unseriösen Anlageobjekten am "Grauen Kapitalmarkt" und das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt genannt. Frage 1: Wie viele Staatsanwälte sind aktuell für den Bereich Wirtschaftskriminalität zuständig? zu Frage 1: Bis zum 30. September 2016 waren im Jahr 2016 im Durchschnitt 34,91 Staatsanwälte (in Arbeitskraftanteilen) mit Wirtschaftsstrafsachen im Land Brandenburg befasst. Frage 2: Wie hat sich die Zahl der Staatsanwälte seit Gründung der Schwerpunktabteilung bis heute entwickelt? (jeweils Anzahl der Staatsanwälte und Jahreszahl) zu Frage 2: Die Zahl der in der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Potsdam eingesetzten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hat sich nach der an den jeweiligen Geschäftsverteilungsplänen orientierten Auskunft der Staatsanwaltschaft Potsdam seit 1994 wie folgt entwickelt: Jahr Staatsanwälte 1994 1 Abteilungsleiter und 8 Dezernenten 1995 1 Abteilungsleiter und 10 Dezernenten 1996 1 Abteilungsleiter und 12 Dezernenten 1997 1 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 1998 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 1999 2 Abteilungsleiter und 12 Dezernenten 2000 2 Abteilungsleiter und 12 Dezernenten 2001 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2002 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2003 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2004 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2005 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2006 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2007 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 2008 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 2009 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 2010 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 2011 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 2012 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2013 2 Abteilungsleiter und 13 Dezernenten 2014 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 2015 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten 2016 2 Abteilungsleiter und 14 Dezernenten Valide Angaben für die Zeit vor 1994 liegen nicht vor. Frage 3: Wie viele Wirtschaftsprüfer sind im Bereich Wirtschaftskriminalität bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eingesetzt, um entsprechende Zuarbeiten leisten zu können? zu Frage 3: Bei der für Wirtschaftskriminalität zuständigen Staatsanwaltschaft Potsdam waren im Jahr 2016 im Durchschnitt 3,67 Wirtschaftsreferenten (in Arbeitskraftanteilen ) tätig. Bei den Staatsanwaltschaften Cottbus, Frankfurt (Oder) und Neuruppin wurde jeweils ein Wirtschaftsreferent eingesetzt. Frage 4: Seit wann gibt es die Vorgabe, dass erst ab einer Schadenssumme von 10 Millionen Euro, durch die für den Bereich Wirtschaftskriminalität zuständigen Staatsanwälte , Ermittlungen aufgenommen werden sollen? zu Frage 4: Eine solche Vorgabe besteht nicht. Frage 5: Wie hoch ist der Anteil von Wirtschaftskriminalitätsdelikten bzgl. aller polizeilich bekannt gewordenen Straftaten in Brandenburg in den Jahren 2009 bis 2016? Zu Frage 5: Der Anteil der in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) erfassten Fälle im Bereich der Wirtschaftskriminalität an den in der PKS insgesamt registrierten Straftaten ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle. Wirtschaftskriminalität im Sinne der PKS (Summenschlüssel 893000) umfasst dabei zum einen die Gesamtheit der in § 74c Abs.1 Nr. 1-6 GVG aufgeführten Straftaten (jedoch ohne Computerbetrug gemäß § 263a StGB) und darüber hinaus Delikte, die im Rahmen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigung begangen werden und über eine Schädigung von Einzelnen hinaus das Wirtschaftsleben beeinträchtigen oder die Allgemeinheit schädigen können und/oder deren Aufklärung besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erfordern. Jahr Erfasste Fälle PKS Anteil Wirtschaftskriminalität an Gesamtkriminalität in % Insgesamt Wirtschaftskriminalität 2009 200.474 3.828 1,9 2010 204.310 4.834 2,4 2011 197.664 4.711 2,4 2012 195.146 3.119 1,6 2013 197.228 2.672 1,4 2014 196.033 2.303 1,2 2015 188.264 2.115 1,1 Für das Jahr 2016 liegen noch keine validen Daten vor. Frage 6: Wie hoch wird der Schaden beziffert, der aufgrund von nicht aufgenommenen Ermittlungen durch die für den Bereich Wirtschaftskriminalität zuständigen Staatsanwälte, dem Land Brandenburg in den Jahren 2009 bis 2016 jährlich entstanden ist? Zu Frage 6: Hierzu liegen keine statistischen Erhebungen vor. Frage 7: Wie definiert die Landesregierung organisierte Kriminalität im Bereich der Wirtschaftskriminalität? Zu Frage 7: Grundsätzlich sind die Kriminalitätsformen der organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität gesondert zu betrachten, da sie keinem einheitlichen Bereich von Normverletzungen zuzuordnen sind. Allerdings existieren Phänomenbereiche , in denen eine spezifische Verknüpfung beider Kriminalitätsformen festzustellen ist, insbesondere bei Ausweitung der durch Schattenwirtschaften entstehenden Vernetzungen zwischen herkömmlicher Wirtschaftskriminalität und organisierter Kriminalität . So umfasst auch der bundeseinheitlich in der Anlage E zur RiStBV definierte Begriff der organisierten Kriminalität besondere Formen der Wirtschaftskriminalität (vgl. Nr. 2.3 der Anlage E zur RiStBV). Die Landesregierung misst der Bekämpfung sowohl der Wirtschafts- wie auch der organisierten Kriminalität besonderen Stellenwert bei, so dass sie keine Veranlassung für eine exakte kriminologische Analyse und eine darauf beruhende Definition der Schnittmenge beider Kriminalitätsformen erkennt. Frage 8: Wie werden in Brandenburg Verfahren definiert, die als „besonders schwerwiegende Straftaten aus den Bereichen der Wirtschaftskriminalität“ bewertet werden? Zu Frage 8: Nach der Rundverfügung des Ministers der Justiz vom 19. Juli 1991 (JMBl/91, [Nr.7], S.70) – zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung vom 27. Januar 1997 (JMBl/97, [Nr.2], S.14), ist die sachliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Potsdam als Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität im Land Brandenburg bei besonders umfangreichen Strafsachen begründet , wenn für deren Bearbeitung besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind. Als besonders umfangreich gelten Verfahren nach der Rundverfügung regelmäßig dann, wenn zahlreiche Beschuldigte verfolgt werden, ein hoher Schaden entstanden ist, umfangreiche, auch überörtliche Ermittlungen durchzuführen sind, Einsatz von EDV notwendig ist, die Mitarbeit von Wirtschaftsreferenten bzw. Buchhaltern notwendig erscheint, eine Anklage bei einer Wirtschaftsstrafkammer zu erwarten ist und mehrere dieser Kriterien zusammentreffen. Besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens sind dann erforderlich, wenn Spezialwissen benötigt wird, das sich über die allgemeine Erfahrung hinaus auf Verfahrensweisen bezieht, die nur besonderen Wirtschaftskreisen geläufig sind, insbesondere auf schwer durchschaubare Mechanismen des modernen Wirtschaftslebens. Frage 9: Welchen Anteil am registrierten Gesamtschaden aller erfassten Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik im Land Brandenburg hat Wirtschaftskriminalität in den Jahren 2009 bis 2016 ausgemacht? Zu Frage 9: Der Anteil des durch Wirtschaftskriminalität verursachten Schadens an dem in der PKS registrierten Gesamtschaden ab 2009 (in Euro) ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: Jahr polizeilich erfasster Schaden der PKS Anteil Wirtschaftskriminalität an Gesamtkriminalität in % Insgesamt Wirtschaftskriminalität 2009 247.556.981 115.324.342 46,6 2010 286.115.863 133.314.888 46,6 2011 334.723.589 183.178.594 54,7 2012 328.797.766 185.742.758 56,5 2013 278.383.509 125.030.551 44,9 2014 472.043.480 332.491.540 70,4 2015 236.064.563 91.033.755 38,6 Für das Jahr 2016 liegen noch keine validen Daten vor. Frage 10: Wie hoch waren die Fallzahlen, die von den Staatsanwälten, die für den Bereich Wirtschaftskriminalität zuständig sind, in den Jahren 2009 bis 2016 bearbeitet wurden? Zu Frage 10: Ausgehend von der justiziellen StA-Statistik ergeben sich für die Jahre 2009 bis 2016 folgende Verfahrensneueingänge an Wirtschaftsstrafverfahren bei den Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg: Sachgebietsschlüssel 40: Wirtschaftsstrafsachen im Sinne des § 74c GVG mit Ausnahme der Verfahren, in denen lediglich eine Anklage zum Strafrichter oder ein Strafbefehlsantrag, falls bei diesem nach Einspruch der Strafrichter entscheiden soll, in Betracht kommt. Eingänge 2009 461 2010 288 2011 216 2012 140 2013 130 2014 106 2015 102 2016 (bis 3. Quartal) 60 Sachgebietsschlüssel 41: Sonstige Wirtschaftsstrafsachen, d.h. die oben vom Sachgebietsschlüssel 40 ausgenommenen weniger gewichtigen Fälle Eingänge 2009 10240 2010 8443 2011 5596 2012 6116 2013 6411 2014 7179 2015 7097 2016 (bis 3. Quartal) 5171 Sachgebietsschlüssel 42: Steuerstrafsachen Summe 2009 2443 2010 2351 2011 2941 2012 1927 2013 914 2014 942 2015 781 2016 (bis 3. Quartal) 554 Soweit Abweichungen von der Antwort auf die Frage 1 der Kleinen Anfrage 1200 (LT-Drs. 6/3175) für die Jahre 2010 bis Ende 2015 zu verzeichnen sind, ist zu bemerken , dass die dortigen Zahlen auf einer Datenbank-Abfrage des staatsanwaltschaftlichen Auskunftssystems MESTA basierten. Die Datenbank-Abfrage unterliegt einer Vielzahl von dynamischen Veränderungen, weil bestimmte Verfahren (bspw. bei „Verweisung auf den Weg der Privatklage“, „Abtrennung einer Person“) in Abzug gebracht werden. Zudem sind wegen datenschutzrechtlicher Löschungsvorschriften nicht mehr alle Verfahren in MESTA erfasst. Die in der Tabelle enthaltenen Zahlen geben ungeachtet dieser Einflüsse die im jeweiligen Jahr statistisch erfassten Verfahren wieder. Frage 11: Wie hoch wird das „Dunkelfeld“ im Bereich Wirtschaftskriminalität in Brandenburg geschätzt? Zu Frage 11: Valide Untersuchungen zum Dunkelfeld im Bereich Wirtschaftskriminalität in Brandenburg liegen nicht vor, zumal die zur Aufhellung des Dunkelfeldes, d.h. der Bestimmung des tatsächlichen Umfangs und der realen Entwicklung der Wirtschaftskriminalität , erforderlichen Forschungen mit konventionellen kriminologischen Untersuchungen (Befragungen, empirische Beobachtungen) kaum durchführbar sind. Allgemein wird von einem beachtlichen Dunkelfeld ausgegangen. Frage 12: Wie viele Einzelzuweisungen von Verfahren durch den Generalstaatsanwalt haben die für den Bereich Wirtschaftskriminalität zuständigen Staatsanwälte zwischen 2009 und 2016 erhalten? Zu Frage 12: Eine statistische Erhebung erfolgt insoweit nicht. Frage 13: Wie viele Verfahren gab es zwischen 2009 und 2016 in Brandenburg, die als „besonders schwerwiegende Straftaten aus den Bereichen der Wirtschaftskriminalität “ bewertet wurden? Zu Frage 13: Die in der Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität bei der Staatsanwaltschaft Potsdam in den jeweiligen Jahren anhängigen Verfahren und der Anteil der Neueingänge ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle: Jahr Anhängige Verfahren Neueingänge 2009 383 254 2010 325 213 2011 209 107 2012 249 173 2013 187 99 2014 256 168 2015 215 95 Für das Jahr 2016 liegen noch keine validen Daten vor.