Datum des Eingangs: 23.01.2017 / Ausgegeben: 30.01.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5907 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2346 des Abgeordneten Benjamin Raschke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/5726 Umsetzung des Gerichtsurteils zur Sauen-Haltung in Kastenständen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Umsetzung des Gerichtsurteils zur Sauen-Haltung in Kastenständen. In den meisten konventionell wirtschaftenden Schweinezuchtbetrieben werden Zuchtsauen während der Trächtigkeit und Säugezeit in Kastenständen gehalten. Während der Trächtigkeit sollen nach konventioneller Auffassung so Rangkämpfe von Sauen unterbunden werden, welche aufgrund der engen Platzverhältnisse immer wieder ausgetragen werden und die Besamungserfolgsquote mindern . In der Abferkelbucht soll der Kastenstand verhindern, dass Ferkel durch die Sauen erdrückt werden. Neben der geringeren Mortalität der Ferkel lassen sich durch die Kastenstandhaltung auch mehr Sauen auf einer geringeren Fläche halten und die Ausgaben pro Tier senken. Kastenstände führen jedoch auch zu einer starken Zurückdrängung der natürlichen Verhaltensweisen der Tiere, z.B. bei der Nahrungssuche und -aufnahme, Körperpflege, Mutter-Kind-Verhalten, Ruhe- und Schlafverhalten , etc. Laut Tierschutzgesetz müssen Kastenstände daher zumindest so beschaffen sein, dass 1. die Schweine sich nicht verletzen können und 2. jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Dafür ist ein vorgeschriebenes Maß von 200 cm x 65 cm für Jungsauen (bis nach dem ersten Abferkeln) und 200 cm x 70 cm für Altsauen einzuhalten. Diese Regelung stellt nur einen Mindeststandard dar, besonders wenn Sauen bei über zwei Trächtigkeiten mehrere Monate im Jahr im Kastenstand gehalten werden. Die Minimalanforderungen des Tierschutzgesetzes scheinen aber nicht einmal überall umgesetzt zu werden, wie Pressemeldungen über Verstöße immer wieder darlegen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am 08.11.2016 die Regelungen des Tierschutzgesetzes in einem Rechtsstreit zwischen einem Landkreis in Sachsen-Anhalt und einem Schweinezuchtunternehmen. Damit ist eine Kastenstandhaltung unzulässig , bei der ein Schwein seine Gliedmaßen in einen benachbarten Kastenstand hineinstrecken müsste, um sich hinzulegen. Da das Urteil eine höchstrichterliche Ausle- gung einer Rechtsnorm darstellt, ist das Urteil bindend für alle in Deutschland ansässigen Schweinezuchtunternehmen. Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes und welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus dem Urteil für die Schweinehaltung in Brandenburg? zu Frage 1: Mit dem Urteil liegt eine höchstrichterliche Auslegung des § 24 Abs. 4 Nr. 2 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) vor. Tierhalter und Überwachungsbehörden haben sich bislang am Handbuch „Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen“, das durch die Länder gemeinsam erarbeitet wurde, orientiert. Dort wird als Auslegung des § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV davon ausgegangen, dass Kastenstände für Jungsauen und kleinere Sauen mindestens eine Größe von 200 cm x 65 cm und für Sauen von mindestens 200 cm x 70 cm haben müssen. Durch die Verwendung des Wortes „mindestens“ wird klargestellt, dass die angegebenen Maße nur eine orientierende Größe darstellen und sich die tatsächlichen Kastenstandmaße aus den Körpermaßen der einzelnen Sauen ergeben. Konkrete Maße für die Größe von Kastenständen für Sauen sind weder im Tierschutzgesetz noch in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung enthalten. Die Landesregierung begrüßt die Klarheit, mit der das Urteil die Belange des Tierschutzes und die Anforderungen an eine tiergerechte Haltung in den Mittelpunkt der Rechtsauslegung stellt. Das Gerichtsurteil ergänzt die bisherige Auslegung des § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV gemäß Handbuch „Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen“ um eine Betrachtung des Platzangebotes für die Sau neben dem eigenen Kastenstand. Die im Handbuch genannten Maße für Kastenstände werden durch das Gerichtsurteil nicht in Frage gestellt; vielmehr wird der Platzbedarf erörtert, der einer Sau innerhalb oder gegebenenfalls auch zusätzlich außerhalb des Kastenstandes zur Verfügung stehen muss. Um einer Sau in einem Kastenstand genügend Platz zum Ausstrecken der Gliedmaßen anzubieten, bieten sich verschiedene Varianten der Ausgestaltung von Kastenständen an, aus denen der Tierhalter die für seinen Betrieb passende wählen kann. Das Gerichtsurteil macht diesbezüglich keine konkreten Vorgaben. In Frage kommt u. a. ein vergrößerter Kastenstand, der so breit ist, dass sich die Sau innerhalb des Kastenstands ungehindert ausstrecken kann. Alternativ kann ein Kastenstand zwischen zwei Kastenständen herkömmlicher Breite leer bleiben und so Platz für das Ausstrecken der Gliedmaßen der Sauen bieten. Benachbarte Kastenstände können auch mit beidseits ausreichend großen Lücken voneinander aufgestellt werden, in die die Sau ihre Gliedmaßen unter der Kastenstandsbegrenzung hindurch ausstrecken kann. Frage 2: Wie viele Sauen werden in Kastenständen in Brandenburg gehalten (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen und Jahresangaben von 2005 – 2015)? zu Frage 2: Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Angaben zur Anzahl von in Kastenständen gehaltenen Sauen werden durch die für den Tierschutz zuständigen Behörden nicht systematisch erfasst. Frage 3: Wie viele Tage stehen geschlechtsreife Sauen durchschnittlich pro Jahr in Brandenburg in einem Kastenstand? zu Frage 3: Zu den Kastenstandhaltungstagen wird keine Statistik geführt. Jedoch kann die Standzeit im Kastenstand aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung hergeleitet werden. Danach stehen die Sauen durchschnittlich 123 Tage incl. der Säugezeit bzw. 77 Tage ohne Säugezeit pro Jahr im Kastenstand. Frage 4: Wie viele Fälle (Betriebe und Anzahl der betroffenen Säue) sind der Landesregierung bekannt, in welchen die Kastenstände in den Jahren 2005 - 2015 zu schmal waren, das heißt in welchem die Kastenstände nicht das nach Tierschutzgesetz vorgeschriebene Maß von 200 cm x 65 cm für Jungsauen (bis nach dem ersten Abferkeln) und 200 cm x 70 cm für Altsauen haben? zu Frage 4: Durch die Überwachungsbehörden wurden insgesamt elf Betriebe ermittelt , in denen für einen Teil der Sauen nicht ausreichend große Kastenstände zur Verfügung standen. Der Landesregierung liegen darüber hinaus keine Angaben vor, wie viele Sauen davon betroffen waren. Wie bereits eingangs erwähnt, existiert keine tierschutzrechtliche Vorschrift, die konkrete Maße für die Größe eines Kastenstandes enthält. Die erforderliche Größe ergibt sich aus der Größe der jeweils darin gehaltenen Sau. Ein zunächst adäquater Kastenstand kann infolge des Wachstums der Sau im Laufe der Zeit nicht mehr ausreichend groß sein. Aus diesen Gründen ist es nicht möglich die Anzahl der betroffenen Sauen, für die ein Kastenstand zu schmal war, wie in der Frage erwünscht zu beziffern. Frage 5: Welche Auflagen erhielten diese Betriebe, zu schmale Kastenstände umbzw . abzubauen? zu Frage 5: Alle Maßnahmen der Behörden haben zum Ziel, den Tierhalter zu einer rechtskonformen Haltung von Sauen zu veranlassen. In der Regel wurden die Tierhalter angehört und um eine Stellungnahme gebeten, mit welchen Maßnahmen sie die tierschutzwidrige Haltung abstellen wollen. Zum Teil erhielten die Betriebe entsprechend der Feststellungen nach den Kontrollen die Auflage, alle Tiere entsprechend ihrer Körpergröße aufzustallen. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes gibt es keine rechtliche Handhabe, die Betriebe zum Ab- oder Umbau von Kastenständen zu zwingen. Eine Kastenstandhaltung ist dann rechtskonform, wenn die betreffende Sau ausreichend Platz hat. Ein ausreichendes Platzangebot kann unter Umständen auch durch die in den Betrieben vorhandenen Kastenstände realisiert werden. Der Tierhalter ist gleichermaßen verantwortlich wie frei in seiner Vorgehensweise, ausgehend von den betrieblichen Gegebenheiten eine Sauenhaltung zu gewährleisten, die den tierschutzrechtlichen Anforderungen genügt. In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Frage 6: Insofern der Landesregierung zu Frage 4 keine Angaben vorliegen, wann wird die Landesregierung eine Abfrage bei den Landkreisen vornehmen, um die rechtskonformen Abmaße von Kastenständen in den Nutztierhaltungsanlagen Brandenburgs zu überprüfen bzw. sich zu dieser Fragestellung einen Überblick zu verschaffen ? zu Frage 6: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Frage 7: Insofern der Landesregierung zu Frage 5 keine konkreten Angaben vorliegen , wie ist das verwaltungsrechtliche Vorgehen, um eine Haltung in zu schmalen Kastenständen in einem Betrieb abzuschaffen? zu Frage 7: Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Frage 8: Welche Hinweise und Anzeigen zu Verstößen gegen rechtskonforme Kastenstände sind in den letzten drei Jahren (2014 – 2016) auf Landkreis- und Landesebene eingegangen (bitte mit Datum, Ort und Sachverhalt benennen)? Wie ist die Landesregierung bzw. sind die Landkreise den Hinweisen zu Verstößen nachgegangen ? zu Frage 8: Die Frage wird so verstanden, dass nach Hinweisen und Anzeigen durch Dritte zu möglichen Verstößen bei der Haltung von Sauen in Kastenständen gefragt wird. Solche Hinweise und Anzeigen sind bei den Überwachungsbehörden im fraglichen Zeitraum nicht eingegangen. Frage 9: Wie viele dieser angezeigten Verstöße müssten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erneut geprüft und bewertet werden? Wird die Landesregierung diese Neuprüfung und -bewertung der Fälle aus den letzten Jahren vornehmen oder bedarf es einer erneuten Anzeige von Verstößen von nicht rechtskonformen Kastenständen? zu Frage 9: Wie aus der Antwort zu Frage 8 ersichtlich wurden den Behörden keine Verstöße angezeigt, so dass es keiner Neubewertung bedurfte. Frage 10: Wird die Landesregierung die Veterinärämter der Landkreise anweisen, die Kontrollen in Schweinezuchtbetrieben zu intensivieren, um die Haltung von Sauen in zu schmalen Kastenständen zu kontrollieren und zukünftig zu unterbinden? zu Frage 10: Die Überwachung von Nutztierhaltungen erfolgt – der Vorgabe des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz folgend – risikoorientiert. Um dieser Forderung, Kontrollen auf Risikobasis vorzunehmen, gerecht zu werden, führen neue Rechtsvorschriften oder neue Erkenntnisse zur Auslegung von Rechtsvorschriften regelmäßig zu einer Intensivierung der Überwachung in dem betroffenen Bereich. Wie die Antworten zu den Fragen 4 und 5 zeigen, befassen sich die Überwachungsbehörden bereits intensiv mit Sauen haltenden Betrieben. Frage 11: Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung, um möglichst kurzfristig die Nutztierhalter zu veranlassen, einen mit Bezug zum § 24 Abs. 4 Nr. 2 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) rechtskonformen Zustand in den Schweineställen des Landes herbeizuführen? a) Wann soll welche konkrete Maßnahme umgesetzt werden? zu Frage 11 a): Auf die Antworten zu den Fragen 5 und 10 wird verwiesen. b) Plant das Land ein Förderprogramm zur Schaffung von rechtskonformen Kastenständen und wenn ja, wie wird dieses ausgestaltet sein? zu Frage 11 b): Ein solches Programm ist nicht in Planung. c) Plant die Landesregierung ein weitergehendes Förderprogramm zur Schaffung von tiergemäßen Raumverhältnissen in Nutztierhaltungsanlagen im Bereich der Schweinehaltung und wenn ja, wie wird dieses Programm ausgestaltet sein? zu Frage 11 c): Ein solches Programm ist nicht in Planung. Frage 12: Welche alternativen Haltungsformen von Sauen ohne Kastenstandhaltung zur Besamung und zum Abferkeln sind der Landesregierung bekannt? In wie vielen Betrieben werden diese alternativen Haltungsformen in Brandenburg umgesetzt? zu Frage 12: Alternative Haltungsformen wären die Gruppenhaltung oder der Einsatz von Fress-Liegeboxen. Zum Einsatzumfang alternativer Haltungsformen liegen der Landesregierung keine Angaben vor.