Datum des Eingangs: 03.02.2017 / Ausgegeben: 08.02.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/5969 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2370 der Abgeordneten Andrea Johlige der Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/5812 Straftaten gegen Menschen mit Behinderungen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Für die Einschätzung der Situation von Menschen mit Behinderung in Brandenburg ist es wichtig, das Ausmaß der Straftaten gegen sie zu kennen. Frage 1: Wie viele Straftaten gegen Menschen mit Behinderungen wurden in den Jahren 2001 bis 2016 in Brandenburg erfasst und welche Ermittlungsverfahren schlossen mit welchem Ergebnis ab? (Bitte nach Datum, Ort, Delikt, Alter und Geschlecht des/der Opfer sowie des/der Täter darstellen!)? zu Frage 1: Mangels statistischer Erhebung liegen weder dem Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz noch den Staatsanwaltschaften hierzu Erkenntnisse vor. Zur Erhebung der Fallzahlen für den Betrachtungszeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2016 wurden alle im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) gemeldeten Straftaten mit dem Oberthemenfeld „Hasskriminalität“; Unterthema „Behinderung“ berücksichtigt . Eine Recherche zur Anzahl der Opfer und Tatverdächtigen, zu weiteren personenbezogenen Informationen (u. a. Alter und Geschlecht) sowie zum Strafmaß ist nicht möglich. Im Berichtszeitraum wurden 20 Fälle mit Begründungszusammenhang „Behinderung“ im Land Brandenburg registriert. Eine dezidierte Aufstellung ist der Anlage zu entnehmen. Frage 2: Welche der unter der Frage 1 aufgelisteten Straftaten wurden seitens der Sicherheits- und Er-mittlungsbehörden als politisch motivierte Straftaten eingeordnet ? zu Frage 2: Gemäß dem Definitionssystem „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) des BKA werden Straftaten der PMK zugeordnet, wenn in Würdigung der Tatumstände und Tätermotivation Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Per- son wegen „… ihrer Behinderung gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht…“. Alle vorgenannten 20 Fälle wurden als PMK-Straftaten einklassifiziert. Frage 3: Wie hoch schätzt die Landesregierung die Dunkelziffer bei solchen Straftaten ein? zu Frage 3: Der Landesregierung ist eine verlässliche Aussage zur Dunkelziffer solcher Straftaten nicht möglich. Frage 4: Welche Gründe gibt es aus Sicht der Landesregierung für nicht angezeigte Straftaten gegen Menschen mit Behinderungen und welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen oder vor zu ergreifen, um das Anzeigeverhalten von Opfern solcher Straftaten zu verbessern? zu Frage 4: Der Landesregierung liegen keine empirisch abgesicherten Erkenntnisse zu den möglichen Gründen der Nichtanzeige solcher Straftaten vor. Zur Verbesserung des Anzeigeverhaltens von Menschen mit Behinderung wurden bauliche Maßnahmen und Aspekte der Kommunikation durch das Polizeipräsidium beachtet sowie umgesetzt. Entscheidend für Bürgerinnen und Bürger mit körperlichem Handicap ist, dass die Polizeidienststellen für sie barrierefrei sind. Diesem Anspruch ist das Polizeipräsidium bei neu gebauten auch älteren Polizeidienststellen nachgekommen. Der Gesamtschwerbehindertenvertreter des Polizeipräsidiums ist in alle Bauvorhaben eingebunden. Bei Menschen mit geistiger Behinderung als Opfer und Tatverdächtige im polizeilichen Ermittlungsverfahren ist generell die Kommunikation erschwert. Die Bearbeitung solcher Sachverhalte erfolgt überwiegend durch Beamte, die sich Erfahrungswissen und Einfühlungsvermögen erarbeitet haben, sowie in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft. Voraussetzung für die Wahrung der Rechte der Opfer wie auch der Tatverdächtigen ist die Feststellung der Betreuungsverhältnisse und die Einbeziehung der rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer. Frage 5: Ist der Umgang mit Opfern von Straftaten gegen Menschen mit Behinderungen Bestandteil der Polizeiausbildung bzw. gibt es besondere Schulungsangebote ? zu Frage 5: Sowohl im Bachelorstudium für den gehobenen als auch in der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst ist der Umgang mit Menschen mit Behinderungen Inhalt von Lehrveranstaltungen. Im Rahmen des Bausteins „Interkulturelle und interpersonelle Kommunikation“ der Reihe „Trainings sozialer Kompetenzen “ in der Ausbildung und im Studium wird neben dem polizeilichen Umgang mit Menschen aus anderen (nationalen) Kulturräumen auch der Umgang mit psychisch und physisch beeinträchtigten Personen(gruppen) thematisiert. Im Bachelorstudiengang ist der Umgang mit Menschen mit Behinderungen außer in den oben erwähnten „Trainings sozialer Kompetenzen“ auch in den Modulen verankert, in denen Eingriffsrecht , Einsatzlehre, Kriminalistik und auch Kriminologie unterrichtet werden. Zur Befähigung der Polizeibediensteten für einen kompetenten Umgang mit Opfern finden dezentrale Fortbildungen statt, die auch den operativen Opferschutz umfassen. Daneben steht den Polizeibediensteten die Handreichung „Polizeilicher Opferschutz“ mit umfangreichen Informationen zur Verfügung. Frage 6: Welche Hilfs- bzw. Beratungsangebote für Opfer von Straftaten gegen Menschen mit Behinderungen existieren in Brandenburg? Sind weitere in der Zukunft geplant? zu Frage 6: Den Opfern von Straftaten wegen der Behinderung stehen die allgemeinen Beratungsstellen zur Seite. So können Kriminalitätsopfer und ihre Familien beim Weißen Ring e. V. persönliche Betreuung, finanzielle Unterstützung und Hilfestellungen im Umgang mit den Behörden und bei der Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche erhalten. Landesweit steht daneben ein erfahrenes multiprofessionelles Team in den Beratungsstellen der Opferhilfe Land Brandenburg e. V. zur psychosozialen Unterstützung von Opfern und Zeugen von Straftaten sowie deren Angehörigen zur Verfügung. Neben der psychosozialen Prozessbegleitung und der Stalkingberatung erhalten sie dort psychologische Traumaberatung und therapeutische Gespräche , die ihnen bei der Verarbeitung des Erlebten helfen. Darüber hinaus berät das Landesamt für Soziales und Versorgung über die Möglichkeiten und gesetzlichen Ansprüche sowie das Verwaltungsverfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz . So erhalten Betroffene Informationen und Auskunft über das Bürgertelefon für Gewaltopfer unter der Telefonnummer 0355/ 2893-561. Auf die Beratung Betroffener von rechter Gewalt und Diskriminierung ist die Opferperspektive e. V. spezialisiert . Das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz unterstützt die Opferhilfeeinrichtungen im Land Brandenburg durch die Bereitstellung von Haushaltsmitteln und auf Antrag über die projektbezogene Vergabe von Lottomitteln aus der Konzessionsabgabe. Am 20. Dezember 2016 hat der Landtag Brandenburg das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (AGPsychPbG) beschlossen, das zeitgleich mit dem Bundesgesetz zur psychosozialen Prozessbegleitung am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist. Danach haben Kinder und Jugendliche, die Opfer schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten geworden sind, einen Rechtsanspruch auf kostenlose psychosoziale Begleitung und Betreuung im Strafverfahren, wenn diese beantragt und vom Gericht bestätigt worden ist. Erwachsenen Opfern kann auf deren Antrag in diesen Fällen einen psychosozialen Prozessbegleiter bzw. Prozessbegleiterin durch das Gericht beigeordnet werden, wenn die besondere Schutzbedürftigkeit des Verletzten dies erfordert. Derzeit sind aktuell 30 Polizeibedienstete im Nebenamt als Ansprechpersonen für den polizeilichen Opferschutz tätig. Sie stehen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei sowie für die Betreuung und Vermittlung der Opfer zur Verfügung. In Einrichtungen für Behinderte (z. B. Werkstätten) werden derzeit vorrangig Präventionsveranstaltungen der Polizei zu den Themen „Gewaltprävention und Drogenprävention “ durchgeführt. Bei der Bearbeitung von Gewaltdelikten (auch zu sexueller Gewalt) bei der Polizei wird regelmäßig Kontakt mit der jeweiligen Einrichtung aufgenommen, um sowohl auf therapeutische Maßnahmen als auch auf eventuelle organisatorische Maßnahmen hinwirken zu können. So bietet z. B. der „pro familia“ Landesverband ein Angebot zur Prävention sexueller Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe an. Dabei werden die Einrichtungen bei der Einführung eines sexualpädagogischen Schutzkonzepts unterstützt. Das Gewaltschutzgesetz sichert als Bundesgesetz den Schutz vor Gewalttaten für Frauen und Männer mit und ohne Behinderung. Im Land Brandenburg bieten derzeit 21 Zufluchtsstätten (Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen ) gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern Zuflucht, Schutz, Unterstützung und Beratung. Davon sind die Frauenhäuser Potsdam, Schwedt, Wittenberge und Cottbus barrierefrei zugänglich (Königs Wusterhausen ab 01.03.2017). Die Frauenhäuser in Brandenburg Havel, Fürstenwalde und Eisenhüttenstadt sind für Frauen mit Gehbehinderung geeignet und das Frauenhaus in Lauchhammer kann auch Frauen mit Sprach- und Lernbehinderung betreuen. Menschen mit Lernschwierigkeiten benötigen „Leichte Sprache“, um Sachverhalte zu verstehen und selbst über ihr Leben bestimmen zu können. Die Kommission Polizeiliche Kriminalprävention (KPK) richtete auf ihrer 72. Arbeitstagung eine Projektgruppe „Polizeilicher Opferschutz “ ein, in der auch das Land Brandenburg mitarbeitet. Gemäß Beschluss befasst sich die Projektgruppe auch mit dem Thema „Leichte Sprache“ im Opferschutz. Folgende Broschüren in leichter Sprache stehen derzeit für die Prävention zur Verfügung : Rechte von Menschen bei einem Polizei-Einsatz, Frauen-Häuser in Deutschland, Frauen, die Frauen lieben, Facebook-Ein Ratgeber in Leichter Sprache., „Einmischen und Mitmischen“ – Broschüre für Mädchen und Frauen mit Behinderungen BMFSJF. Frage 7: Wie schätzt die Landesregierung die Gefährdungslage für Menschen mit Behinderungen in Brandenburg ein? zu Frage 7: Hierzu liegen der Landesregierung keine spezifischen Kenntnisse vor. Land Brandenburg Anlage zur KA 2370, Frage 1 Politisch motivierte Straftaten im Begründungszusammenhang "Behinderung" 01.01.2001 - 31.12.2016 lfd. Nr. Tatzeit Tatort Delikt geklärt 1 21.12.2001 Templin 130 ja 2 24.04.2003 Schwedt (Oder) 130 nein 3 05.11.2004 Cottbus 86a nein 4 17.01.2006 Kremmen 130 ja 5 04.10.2007 Jüterbog 130 ja 6 11.02.2008 Potsdam 86a nein 7 30.06.2009 Perleberg 223 ja 8 17.01.2010 Pritzwalk 130 ja 9 23.05.2010 Küstriner Vorland 224 ja 10 02.04.2011 Potsdam 130 ja 11 18.05.2013 Wittstock 223 ja 12 06.07.2013 Spremberg 224 ja 13 21.12.2013 Neuruppin 185 nein 14 04.06.2014 Brandenburg 130 ja 15 26.06.2014 Eberswalde 86a nein 16 03.09.2014 Werder 130 ja 17 19.05.2015 Elsterwerda 185 ja 18 10.06.2015 Oranienburg 224 ja 19 15.08.2015 Pritzwalk 223 ja 20 15.05.2016 Rheinsberg 223 ja Page 1