Datum des Eingangs: 16.02.2017 / Ausgegeben: 21.02.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/6038 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2399 des Abgeordneten Benjamin Raschke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/5894 Planung der Gleitsohle an der Stepenitz, Ortslage Putlitz Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Viele Flüsse in Brandenburg leiden unter fehlender ökologischer Durchgängigkeit. Pflanzen und Tieren, insbesondere vielen Fischen fehlt damit die Möglichkeit der natürlichen Vermehrung. So auch in der Stepenitz in der Prignitz. Nach Medieninformationen plant das Land daher in der Ortsmitte der Stadt Putlitz eine Gleitsohle. Diese soll auch das historische Wehr ersetzen und damit das Stadtbild erheblich verändern. Stadtverordnete kritisierten, sie seien dabei vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Um den Fall umfassend bewerten zu können , sind weitere Informationen zur Stepenitz, zur Planung und zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger nötig. Grundlegende Daten zur Stepenitz Frage 1: Wie viel Wasser führt die Stepenitz im Jahresmittel, wann ist das Minimum erreicht und wie hoch ist dieses? Zu Frage 1: Die Stepenitz hat in Putlitz einen Mittelwasserabfluss von 1,25 m³/s. Der mittlere Niedrigwasserabfluss beträgt 0,50 m³/s. Der niedrigste Abflusswert betrug 0,16 m³/s. Das jährliche Minimum der Abflüsse wird zumeist im Spätsommer erreicht. Frage 2: Wie ist der derzeitige ökologische Zustand der Stepenitz, wie hat sich dieser entwickelt? Zu Frage 2: Im Bewirtschaftungsplan zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gilt der ökologische Zustand der Stepenitz auf weiten Strecken als mäßig. Maßgeblich hierfür sind überhöhte Stickstoff- und Phosphorwerte. Diese Einträge sind auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Hauptdefizit der Strukturgüte ist die fehlende ökologische Durchgängigkeit, wodurch die Zielvorgaben der WRRL nicht eingehalten werden. Seit Ende 2012 liegt ein Gewässerentwicklungskonzept vor, in dem zielführende Verbesserungsmaßnahmen benannt sind, die sukzessive umgesetzt werden sollen (siehe auch Antwort zu Frage 4). Frage 3: Welche Arten kommen natürlicherweise in der Stepenitz vor, welche Arten sind derzeit nachweisbar? Welche Arten könnten wieder angesiedelt werden? Zu Frage 3: Die Stepenitz zählt fließgewässertypologisch zur Tiefland-Forellenregion, im Unterlauf auch zur Barbenregion. Es wurden bisher ca. 40 Fischarten im Stepenitz -System nachgewiesen. Von besonderer fisch- bzw. gewässerökologischer Bedeutung sind im Stepenitz-System vor allem die Vorkommen von Bachneunaugen, Flussneunaugen, Meerneunaugen, Groppen, Rapfen, Schlammpeitzgern, Steinbeißern , Äschen und Bitterling. Erfolgreich wieder angesiedelt wurden die Arten Lachs und Meerforelle im Rahmen eines seit ca. 2003 durch das Institut für Binnenfischerei (IfB) und den Landesanglerverband Brandenburg (LAVB) betriebenen und durch das Land Brandenburg unterstützten Programms. Frage 4: Gibt es für die Stepenitz ein Gewässerentwicklungskonzept? Wenn ja, wo ist dieses einsehbar, wenn nein, wird dieses erstellt und ggf. wann? Zu Frage 4: Es wurde ein Gewässerentwicklungskonzept (GEK Stepenitz / Dömnitz / Jeetzebach) für die Stepenitz und ihr Einzugsgebiet erarbeitet. Es liegt u. a. in der Kreisverwaltung, in der Nebenstelle des Landesamtes für Umwelt (LfU) in Wittenberge oder am Hauptsitz des LfU in Potsdam nach Voranmeldung analog zur Einsichtnahme vor. Im Internet sind auf der Website http://www.wasserblick .net/servlet/is/106597/ das GEK als auch die öffentlichen Abstimmungssitzungen dokumentiert und für jedermann einsehbar. Mühlenwehr Frage 5: In welchem Zustand ist das Wehr derzeit? Zu Frage 5: Das Wehr wurde Anfang der 1990er Jahre neu errichtet und ist funktionsfähig . Frage 6: Von Seiten der Bürgerschaft gab es Überlegungen, das Staurecht zu erwerben . Wäre dies möglich, wenn ja auf welchem Weg und zu welchen Kosten? Zu Frage 6: Das Staurecht kann nicht erworben, sondern nur beantragt und von der Unteren Wasserbehörde (UWB) genehmigt werden. Der Inhaber eines Staurechtes ist verpflichtet, alle mit dem Betrieb der Stauanlage verbundenen Kosten zu tragen. Frage 7: Nach Aussagen von Anwohnerinnen und Anwohnern kam es in der Vergangenheit zu Havarien und nachfolgendem Fischsterben. Trifft dies zu und wenn ja, wie stellt sich der Sachverhalt aus Sicht der Regierung da? Welche Auflagen und Festlegungen wurden als Konsequenz erlassen? Zu Frage 7: In der Vergangenheit ist es nach dem Legen des Wehres und anschließender schwallartiger Entleerung des Stauraumes zu gravierenden Schäden an der unterliegenden Fischfauna und den Muschelbeständen gekommen. Dies ist letztmalig 2006 geschehen. Daraufhin wurde auf Veranlassung der UWB das Wehr auf der heutigen Höhe fixiert. Frage 8: Sind der Landesregierung Schäden an umstehenden Gebäuden bekannt, wenn ja, wurden diese durch gesunkene Wasserstände verursacht? Zu Frage 8: Der Landesregierung sind keine Schäden an umstehenden Gebäuden bekannt. Wassermühle Putlitz Frage 9: Besteht oder bestand eine Genehmigung zum Betrieb der Putlitzer Wassermühle? Falls eine Genehmigung nicht mehr besteht, für welchen Zeitraum wurde sie erteilt und aus welchen Gründen wurde sie aufgehoben? Zu Frage 9: Nach vorliegenden Erkenntnissen besteht für das Wehr Putlitz kein gültiges Staurecht. Letztmalig wurde 1939 ein Staurecht erteilt. Dies ist erloschen. In den 1990er Jahren hat die UWB den Verein Energie Dezent e.V. als Nutznießer des Staus aufgefordert, eine wasserrechtliche Erlaubnis für das Staurecht zu beantragen. Dies führte aber zu keiner Neuerteilung des Staurechtes. Frage 10: Welche wasserwirtschaftliche Funktion erfüllt oder erfüllte die Wassermühle? Zu Frage 10: Die Wassermühle hat keine wasserwirtschaftliche Funktion, sie diente lediglich der Energieerzeugung. Frage 11: Sind der Landesregierung Nutzungskonzepte für die Mühle bekannt, wenn ja, welche? Zu Frage 11: Der Landesregierung sind keine konkreten Nutzungskonzepte bekannt. Frage 12: Wurden Fördermittel für die Wassermühle in Anspruch genommen, wenn ja, welche? Zu Frage 12: Für die Wassermühle wurden keine Fördermittel in Anspruch genommen. Frage 13: Ist es richtig, dass das Gelände der Wassermühle ein Bodendenkmal ist? Wenn ja, welche Flächen betrifft dies genau, wo ist dies eingetragen und einsehbar? Zu Frage 13: Es handelt sich um ein Bodendenkmal, das als solches unter der Nr. 111628 Bestandteil der Denkmalliste des Landes ist und im Amtsblatt des Landes Brandenburg veröffentlicht wurde. Die Ausdehnung des Bodendenkmals umfasst Putlitz Flur 1 und hier die Flurstücke 55/2 (vollständig), 55/4 (tlw.), 55/5 (tlw.), 55/7 (tlw.), 56 (tlw.), 111 (tlw.), 357/1 (tlw.), 357/95 (tlw.), 357/96 (tlw.), 378 (tlw.) und 610 (tlw.). Diese Flächen sind auf den öffentlich zugänglichen Portalen BLDAM-Geoportal (http://www.gis-bldam-brandenburg.de) bzw. Geoportal Brandenburg (http://geoportal.brandenburg.de/geodaten/geodiensteanbieter) einsehbar. Rechtliche Bedingungen der Planung Frage 14: Welche landesweiten, bundesweiten und europäischen rechtlichen Anforderungen führten zur Planung der Gleitsohle? Zu Frage 14: Im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie muss gemäß § 27 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) für die oberirdischen Gewässer ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden. Dazu ist u. a. die Verbesserung der Strukturgüte und (in Verbindung mit § 34 WHG) die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit für Fische und sonstige aquatische Organismen (Makrozoobenthos) erforderlich. Die Stepenitz ist aufgrund der herausragenden Potenziale ein landesweites Vorranggewässer zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit. Die Stepenitz ist auch ein FFH-Schutzgebiet gemäß der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der EU. Hierfür gelten ein Verschlechterungsverbot und das Ziel der Herstellung eines günstigen Erhaltungszustandes für FFH- Lebensraumtypen und -arten. Mehrere der o. g. Fischarten und die Bachmuschel zählen zu den hier gesetzlich relevanten Arten. Die Stepenitz ist ein Naturschutzgebiet auf einer Fläche von ca. 1.650 ha, das zum Schutz der bereits genannten Arten ausgewiesen wurde. Die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit am Standort Putlitz ist eine zentrale Maßnahme für die Umsetzung der Ziele aller genannten Kategorien und den zugrunde liegenden Richtlinien. Frage 15: Wer hat die Planungshoheit und welche weiteren Behörden sind an der Planung wie beteiligt? Zu Frage 15: Das LfU als Wasserwirtschaftsamt ist Vorhabenträger und beantragt die wasserrechtliche Genehmigung nach § 68 WHG. Über die Wahl des notwendigen Verfahrens entscheidet die Obere Wasserbehörde. Im Vorfeld der Beantragung stimmt das LfU die Planung u. a. mit den fischereiökologischen Experten von IfB und LAVB ab. Weiterhin erfolgt eine Abstimmung mit der Amtsverwaltung Putlitz-Berge sowie der Stadtverwaltung Putlitz. Weitere Abstimmungen erfolgen im Rahmen des geplanten Genehmigungsverfahrens. Varianten zur Umsetzung der Planungen Frage 16: Welche fachlichen Ziele werden mit der Planung verfolgt? Zu Frage 16: Der Standort Putlitz ist der letzte ganzjährig unpassierbare Standort in der Stepenitz. Durch die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit wird der ca. 30 km lange Oberlauf von Putlitz bis Penzlin für wandernde Fischarten erschlossen. Dies erweitert die für das Programm zur Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle zur Verfügung stehende Fließgewässerlänge erheblich und ist ein wesentlicher Schritt zur Erfüllung der o. g. wasser- und naturschutzrechtlichen Anforderungen. Frage 17: Wie ist der bisherige und weitere Planungsverlauf, an welchen Stellen werden die Bürgerinnen und Bürger einbezogen? Zu Frage 17: Das LfU hat im November 2013 die Planungen für den Umbau des Wehres Putlitz begonnen. Die Beauftragung eines Ingenieurbüros erfolgte im Herbst 2014. Das LfU hat von Beginn an das Amt Putlitz-Berge über seine Absichten, die rechtlichen und technischen Möglichkeiten sowie die Gründe der Planung informiert. Es erfolgten im Verlauf der vergangen Jahre mehrere amtsinterne Abstimmungen, zwei Vorstellungen der Planungen im Rahmen von Stadtverordnetenversammlungen sowie eine Vorstellung gegenüber den Vorsitzenden der im Stadtparlament vertretenen Parteien. Das LfU beabsichtigt, im Verlauf der ersten Jahreshälfte bei der Oberen Wasserbehörde einen Antrag auf Planfeststellung einzureichen. Das Genehmigungsverfahren folgt den üblichen gesetzlich festgelegten Regularien. Dazu gehört auch eine öffentliche Auslegung der Planungsunterlagen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme. Frage 18: Ist es richtig, dass es für die Gleitsohle zunächst vier Planungsvarianten gab? Falls ja, welche Varianten waren dies, welche Kosten wären jeweils angefallen (bitte ggf. Schätzung der Größenordnung) und welche fachlichen Gründe führten zur Entscheidung für die letztendlich benannte Variante? Zu Frage 18: Im Rahmen der Vorplanung wurden 3 Bauvarianten einer Sohlengleite sowie die Variante des ersatzlosen Wehrrückbaus untersucht. Folgende 4 Varianten wurden untersucht: Variante 1: ersatzloser Rückbau, Variante 2: Raugerinne im Unterwasser der Brücke, Variante 3: Kombination aus Raugerinne und Riegelrampe, Variante 4: Flach geneigte Sohlengleite im Oberwasser der Brücke. Bei der Entscheidung für die Variante 4 haben vor allem Gründe der Wirtschaftlichkeit, des Hochwasserschutzes, der Lärmbelastung und der Gewässerunterhaltung den Ausschlag gegeben. Frage 19: Von Seiten der Bürgerinnen und Bürger gibt es den Vorschlag, den Burggraben zu nutzen, um die Putlitz ökologisch durchgängig zu gestalten. Wurde diese Variante ebenfalls geprüft, wenn ja, mit welchem Ergebnis, wenn nein, ist dies noch möglich und vorgesehen? Zu Frage 19: Diese Variante wurde im Rahmen der Vorplanungen ebenfalls geprüft. Allerdings ist der Burggraben nicht geeignet, die Stepenitz ökologisch durchgängig zu gestalten. Es wurde im Rahmen der Planungen der Wunsch geäußert, mittels der neuen Inbetriebnahme des Stepenitz-Wehres den Burggraben wieder von der Stepenitz umfließen zu lassen. Dies ist aufgrund der Höhenlagen und Gefälleverhältnisse (der Burggraben liegt viel höher) aber nicht möglich. Vorgeschlagen wurde u. a., eine Fischaufstiegsanlage in den Mühlengraben bzw. den Mühlenzuleiter zu bauen. Dies hätte hohe Mehrkosten verursacht, aufgrund des Platzbedarfs auch den Betrieb der Wasserkraftanlage unmöglich gemacht und mit hoher Wahrscheinlichkeit nur durch kompletten Abriss des Mühlengebäudes realisiert werden können. Frage 20: Welche Möglichkeiten zur touristischen Nutzung und zur Aufwertung des Stadtbildes sieht die Landesregierung, sofern die historische Gestaltung so nicht aufrechterhalten werden kann? Zu Frage 20: Eine Sohlengleite in der geplanten Form als geschüttete raue Rampe ohne Riegel ist als Bauwerk kaum sichtbar und stellt keine Beeinträchtigung des Stadtbildes oder Landschaftsbildes dar. Städtebauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Erlebnismöglichkeiten im Uferbereich müssten in der Verantwortung der Stadt Putlitz geplant und realisiert werden.