Datum des Eingangs: 27.02.2017 / Ausgegeben: 06.03.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/6111 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2433 der Abgeordneten Inka Gossmann-Reetz der SPD-Fraktion Drucksache 6/5946 „Gefangenenbetreuung“ von Rechtsextremisten im Strafvollzug Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: In der Vergangenheit wurden bundesweit Gruppierungen gegründet, die sich der „Betreuung“ von inhaftierten Rechtsextremisten verschrieben haben. Zweck der sogenannten „Kameradenhilfe“ oder „Gefangenenbetreuung “ ist die juristische Unterstützung der Inhaftierten sowie die Vernetzung der Gefangenen untereinander und zur rechten Szene außerhalb der Justizvollzugsanstalten . In Brandenburg ist in diesem Zusammenhang insbesondere der „Freundeskreis Brandenburg“ bzw. der „JVA-Report“ bekannt, worin neben juristischer Hilfestellung und Prozessinformationen auch Kontaktierungsmöglichkeiten zu anderen rechtsextremen Gefangenen (national und international) veröffentlicht wurden (Vgl. Drs. 4/6268 vom 06.05.2008). Die vormals größte rechtsextremistische Gefangenenhilfe „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.“ (HNG) wurde hingegen im Jahr 2011 vom Bundesinnenminister verboten. Frage 1: Welche Organisationen, Vereinigungen und Gruppierungen, die sich der „Gefangenenbetreuung“ von Rechtsextremisten annehmen, sind der Landesregierung bekannt? zu Frage 1: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind der Landesregierung die Organisationen „gefangenenhilfe.info“ und „JVA Report“ bekannt, die sich in Brandenburg der „Betreuung“ inhaftierter Rechtsextremisten annehmen. Die Organisation „gefangenenhilfe .info“ ist eine bundesweit organisierte neonationalsozialistische Hilfsorganisation mit Sitz in Schweden. Sie tritt für die Betreuung inhaftierter Neonationalsozialisten und deren dauerhafte Verankerung in der Szene ein. Sie betreibt auf rechtsextremistischen Veranstaltungen regelmäßig Info-Stände und organisiert interne Sportbzw . Solidaritätsveranstaltungen. Im Land Brandenburg wurden in den vergangenen Jahren vereinzelte Aktivitäten festgestellt: 25.10.2014: Demonstration der Gefangenenhilfe in Kooperation mit der NPD in Brandenburg a.d.H. 30.05.2015: Fußballturnier der Gefangenenhilfe in Landkreis Potsdam-Mittelmark Seit dem Rückzug eines führenden Protagonisten sind Aktivitäten der Gefangenenhilfe im Land Brandenburg nicht mehr wahrnehmbar. In Einzelfällen erfolgten in den letzten beiden Jahren auch Kontaktaufnahmeversuche der sog. „Reichsbürger“ zu einzelnen Inhaftierten. In den neunziger Jahren wurden Kontaktaufnahmeversuche sowohl seitens der Inhaftierten als auch der nachgenannten Gruppierungen festgestellt : Hilfsorganisation nationaler Gefangener (HNG) IHV - Internationales Hilfskomitee für nationale politisch Verfolgte und deren Angehörige e.V. Vereinigung „Nationalistische Front“ Arbeitskreis Deutsche Interessen Angriff - Mitteilungsblatt des „Förderwerks mitteldeutsche Jugend“ (FMJ) Brandenburger Beobachter - „Mitteilungsblatt der verbotenen Deutschen Alternative “ (DA) Querschläger - „Das Zine für Kameradinnen und Kameraden der neo-Szene“ Unabhängige Nachrichten - „Nachrichtendienst und Mitteilungsblatt unabhängiger Freundeskreise“ Jail-News - „Das Blatt von Gefangenen für Gefangene“ In der Vergangenheit ergaben sich Hinweise auf Verbindungen rechtsextremer Gefangener untereinander vor allem aus der Auswertung der von der (schließlich im September 2011 durch den Bundesminister des Innern verbotenen) „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)“ herausgegebenen „HNG-Nachrichten“. Diese „HNG-Nachrichten“ enthielten Namenslisten von Gefangenen, die Kontakt zur rechtsextremistischen Szene wünschten, darunter auch von Gefangenen, die in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg einsaßen . Daneben und darüber hinaus kursierten und kursieren entsprechende Namenslisten im Internet - z.T. an Stelle der HNG-Nachrichten -, beispielsweise auf den Seiten eines ebenfalls als eine Art Hilfsorganisation für Gefangene aus der rechtsextremen Szene agierenden sog. „JVA-Reports“ und eines „White Prisoner And Supporter Day“. Bei diesen Listen, in denen zahlreiche Gefangene aus dem Bundesgebiet sowie dem Ausland verzeichnet sind, ist eine relativ hohe personelle Kontinuität auffällig . Nach dem letzten hier bekannten Stand waren auf diesen Listen insgesamt vier Gefangene aus brandenburgischen Justizvollzugsanstalten aufgeführt. Erkenntnisse über eine Vernetzung der in den Listen genannten Gefangenen untereinander liegen hier allerdings nicht vor. Die beiden genannten Seiten sind gegenwärtig serverseitig offline. Allerdings hat eine Recherche ergeben, dass diese Listen auch auf zahlreichen anderen Internetseiten rechtsextremer Kameradschaften weiterverbreitet werden . Kontaktaufnahmeversuche des „Freundeskreis Brandenburg“ sind den Justizvollzugsanstalten nicht zur Kenntnis gelangt. Frage 2: Welche dieser Gruppen waren in der Vergangenheit bzw. sind heute in Brandenburg aktiv? zu Frage 2: Auf die Beantwortung der Frage 1 wird verwiesen. Frage 3: Sind der Landesregierung rechtsextremistische „Kameradschaften“, die innerhalb der brandenburgischen Justizvollzugsanstalten aktiv sind, bekannt? Wenn ja, wie groß sind diese Gruppen und in welcher(n) JVA(en) sind diese tätig? zu Frage 3: Der Landesregierung sind, mit Ausnahme in Beantwortung der Frage 1 beschriebenen Gruppierungen, keine entsprechenden „Kameradschaften“ in Brandenburg bekannt, die aktuell in den brandenburgischen Justizvollzugsanstalten aktiv sind. Frage 4: Wie viele Personen mit rechtsextremistischer Einstellung sind derzeit in brandenburgischen Justizvollzugsanstalten inhaftiert? zu Frage 4: Eine Statistik zu Inhaftierten mit extremistischen Einstellungen wird nicht geführt. Die Justizvollzugsanstalten erfassen diejenigen Inhaftierten, bei welchen auf Grund von strafrechtlichen Erkenntnissen, Erkenntnissen im Zuge des Aufnahmeverfahrens , bei Jugend- und Strafgefangenen im Ergebnis des Diagnoseverfahrens nach § 13 BbgJVollzG oder wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Aktivitäten während der Haft manifeste Anhaltspunkte für rechtsextremistische Gefährdungen bestehen. Hiernach sind in den Justizvollzugsanstalten des Landes wenigstens 38 Gefangene untergebracht, die diesem Spektrum zugerechnet werden können. Frage 5: Sind der Landesregierung Vorfälle bekannt, wonach in brandenburgischen Gefängnissen Personen, die zuvor keine rechtsextremen Positionen teilten, gezielt durch Rechtsextremisten angeworben wurden? Wenn ja, um welche Vorfälle handelt es sich? Waren die Anwerbungsversuche erfolgreich? zu Frage 5: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass Personen, die zuvor keine rechtsextremen Positionen teilten, gezielt durch Rechtsextremisten angeworben wurden. Frage 6: Was unternehmen die Justizvollzugsanstalten, um Aktivitäten und Anwerbungsversuche durch rechtsextreme Gefangene innerhalb der Justizvollzugsanstalten zu erkennen und zu unterbinden? zu Frage 6: Die Justizvollzugsanstalten sind bemüht, bereits bei der Aufnahme rechtsextremistische Gefangene zu identifizieren. Abhängig vom Status als Untersuchungsgefangene oder Jugend- oder Strafgefangene erfolgen folgende Prüfungen bzw. werden folgende Maßnahmen getroffen: Sichtung der Vollstreckungsunterlagen bei jeder neuen Inhaftierung sowie Aufnahme nach einer Verlegung Bewertungen im Rahmen jedes Diagnoseverfahrens nach § 13 BbgJVollzG bei Jugend- und Strafgefangenen Bewertungen im Rahmen der Vollzugsplanerstellungen und -fortschreibungen bei allen Jugend- und Strafgefangenen Prüfungen von Anhaltspunkten bei sämtlichen Außenkontakten (Besuche, Schriftverkehr) Prüfungen von Anhaltspunkten bei sämtlichen Innenkontakten (Unterbringung, Behandlungsmaßnahmen, Arbeit und Beschäftigung sowie Freizeit) Bei entsprechenden Erkenntnissen werden im Einzelfall Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Unterbindung von rechtsextremistischen Aktivitäten und Strukturen ergriffen, bis hin zu Sicherungsmaßnahmen, Überwachung bzw. Untersagung von Besuchen, Überwachung des Schriftwechsels bzw. Anhalten von Schreiben Ggf. werden polizeiliche Maßnahmen und strafrechtliche Ermittlungen angeregt . Frage 7: Ergreift die Landesregierung konkrete Maßnahmen, um den Kontakt rechtsextremistischer Organisationen der „Gefangenenbetreuung“ außerhalb der Justizvollzugsanstalten mit Inhaftierten zu reduzieren bzw. gänzlich zu unterbinden? Wenn ja, welche? zu Frage 7: Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nach dem Brandenburgischen Justizvollzugsgesetz werden durch die Justizvollzugsanstalten bei entsprechenden Kontaktaufnahmeversuchen die angemessenen Maßnahmen getroffen. Hierzu zählen insbesondere Überwachung bzw. Untersagung von Besuchen Überwachung des Schriftwechsels Anhalten von Schreiben Nichtaushändigung von Propagandamaterial, Zeitschriften, Buchsendungen usw. Frage 8: Was unternimmt die Landesregierung darüber hinaus, um der Verbreitung und Verfestigung rechts-extremistischen Gedankengutes in den brandenburgischen Justizvollzugsanstalten entgegenzuwirken? zu Frage 8: Im Justizvollzug des Landes Brandenburg sind Radikalisierungen bisher eher als Gefährdungen im rechten Spektrum aufgetreten. Im Jugendvollzug wurde vor diesem Hintergrund bereits vor über 10 Jahren ein Deradikalisierungstraining für rechtsextremistisch gefährdete junge Gefangene implementiert. Im Erwachsenenvollzug kamen und kommen bei Bedarf Einzeltrainings zur Anwendung. Zukünftig sollen solche Einzeltrainings auch das bisherige Gruppenangebot im Jugendvollzug ersetzen, da dadurch flexiblere Einsatzmöglichkeiten gewährleistetet werden können. Die Einzeltrainings können auch bei Radikalisierungen im linken oder islamistischen Spektrum Anwendung finden. Daneben werden die Bediensteten im Umgang mit Radikalisierungen geschult. Künftig sollen die Deradikalisierungsmaßnahmen weiter ausgebaut werden. Hierzu sollen zusätzliche Mittel aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ eingeworben werden. Ansprechpartner für entsprechende Angebote war in den letzten Jahren der Verein „Violence Preven-tion Network.