Datum des Eingangs: 28.02.2017 / Ausgegeben: 06.03.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/6123 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2426 der Abgeordneten Raik Nowka und Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/5935 Identifizierung, mehrfach Identitäten und Sozialleistungsbetrug Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Durch die Digitalisierung des Asylverfahrens wurde das integrierte Identitätsmanagement bis Ende Mai 2015 eingeführt, so dass das BAMF und die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg bei der Aufnahme der Asylbewerber alle Daten in einem zentralen Kerndatensystem speichern können. Durch das zentrale Kerndatensystem soll unter anderem auch verhindert werden, dass mehrfache Registrierungen und Inanspruchnahmen von Sozialleistungen stattfinden . Vorbemerkungen der Landesregierung: Das Rollout des „integrierten Identitätsmanagements “ wurde - anders als in der Vorbemerkung der Fragesteller vorgetragen - Ende Mai 2016 abgeschlossen. Seitdem erfolgt die frühzeitige Registrierung von Asylsuchenden im Kerndatensystem unter Nutzung biometrischer Merkmale mithilfe der sog. Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (PIK), die derzeit ausschließlich im gemeinsamen Ankunftszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) zum Einsatz kommen. Der Einsatz von PIK-Stationen in den Kommunen wird landesseitig als nicht zielführend eingeschätzt. Der große Kostenaufwand für die Beschaffung und Bedienung der PIK steht außer Verhältnis angesichts geringer Registrierungszahlen. Zudem können mit den PIK derzeit nur Asylsuchende registriert werden (vgl. § 16 Asylgesetz), nicht aber unerlaubt eingereiste Ausländer (vgl. § 49 Aufenthaltsgesetz). Der Bund hat den Kommunen deshalb entsprechende Alternativvorschläge unterbreitet, die im Laufe des Jahres 2017 von den Kommunen umzusetzen sind. Im Laufe dieses Jahres sollen die technischen Voraussetzungen für die Registrierung nach § 49 Aufenthaltsgesetz sowie nach § 16 Asylgesetz durch die Ausländerbehörden geschaffen werden. Für den Übergang werden entsprechende organisatorische Lösungen umgesetzt (siehe Antwort zu Frage 10). Frage 1: Welche Daten (Personalien, Lichtbilder, Fingerabdrücke, etc.) werden bei der Erstregistrierung durch das BAMF und die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg erhoben? zu Frage 1: Die Erstregistrierung von Asylsuchenden erfolgt im gemeinsamen Ankunftszentrum durch BAMF und ZABH in Eisenhüttenstadt. Im Rahmen der Erstregistrierung werden mithilfe eines Fragebogens Daten mit behördenübergreifender Relevanz erfasst. Dies umfasst allgemeine Angaben (Name, Alter, Geburtsort, Geschlecht , Familienstand, Staatsangehörigkeit, Sprachkenntnisse), Angaben zur Einreise (letzte Anschrift, Ausreise- und Einreiseinformationen, frühere Aufenthalte in Deutschland), Angaben über mitreisende Familienangehörige sowie Angaben über Einkünfte und Vermögen. Angaben zur Religion und Ethnie sowie dem eigenen Gesundheitszustand bzw. dem Gesundheitszustand der Familienangehörigen werden freiwillig erhoben. Weitere Daten können im Laufe des Antragsprozesses ergänzt werden (z. B. berufliche Qualifikation). Darüber hinaus wird die Identität eines Ausländers , der um Asyl nachsucht, durch erkennungsdienstliche Maßnahmen gesichert (§ 16 Absatz 1 Asylgesetz). Dies umfasst Lichtbilder und Abdrücke aller zehn Finger. Frage 2: Ist die gesicherte Feststellung einer Personenidentität ohne biometrische Passbilder und Fingerabdrücke möglich? zu Frage 2: Nein, das sicherste Verfahren zur Identitätsfeststellung ist der Abgleich von Lichtbildern und Fingerabdrücken. Frage 3: Welche Behörden haben Zugriff auf diese Daten? zu Frage 3: Auf die gemäß § 3 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) im Ausländerzentralregister hinterlegten Daten haben die unter § 6 Absatz 1 AZR-Gesetz benannten Behörden Zugriff. Weitere zum Abruf von Daten zugelassene Stellen werden in den §§ 10 ff. AZR-Gesetz benannt. Frage 4: Wie viele Personalisierungsinfrastrukturkomponenten wurden dem Land Brandenburg durch den Bund zur Verfügung gestellt? zu Frage 4: Dem Land Brandenburg wurden 13 Personalisierungsinfrastrukturkomponenten zur Verfügung gestellt. Frage 5: Hat das Land Brandenburg darüber hinaus gehende Bedarfe angemeldet? zu Frage 5: Nein. Frage 6: Hat das Land Brandenburg die Möglichkeit ausgenutzt, dass das BAMF ein begrenztes Kontingent an Peripheriegeräten im Wege der Amtshilfe zur Verfügung stellt? zu Frage 6: Nein. Frage 7: Wurde in Brandenburg bereits die Nachregistrierung der sich im Land befindlichen Asylbewerber, die noch nicht in das förmliche Asylverfahren eintreten konnten, abgeschlossen? Wenn nein, wann wird dies der Fall sein? zu Frage 7: Die Nachregistrierung von Asylbewerbern, die noch keinen Asylantrag stellen konnten, konnte in Brandenburg bis Mitte des Jahres 2016 abgeschlossen werden. Frage 8: Sind die Ausländerbehörden zur Erstregistrierung von Asylbewerbern sowie von unerlaubt eingereisten und aufhältigen Ausländern verpflichtet, wenn diese dort zuerst vorsprechen? zu Frage 8: Ja, die Ausländerbehörden sind zur Erstregistrierung von Asylsuchenden (vgl. § 19 Absatz 2 i. V. m. § 16 Absatz 1 Asylgesetz), aber auch von unerlaubt eingereisten und unerlaubt aufhältigen Ausländern (vgl. § 71 Absatz 4 i. V. m. 49 Absatz 8 und 9 Aufenthaltsgesetz) verpflichtet, wenn diese dort zuerst vorsprechen. Frage 9: Welche der Ausländerbehörden des Landes Brandenburg verfügen über die nötigen technischen Voraussetzungen zur Registrierung im Kerndatensystem mit Fingerabdrücken? zu Frage 9: Bislang verfügt keine Ausländerbehörde über die technischen Voraussetzungen zur Registrierung von Asylbewerbern im Kerndatensystem mit Fingerabdrücken (siehe Vorbemerkungen). Frage 10: Hat das Land Brandenburg organisatorische Maßnahmen ergriffen, damit die bei den nicht entsprechend ausgerüsteten Ausländerbehörden vorsprechenden Asylbewerber sowie unerlaubt eingereisten und aufhältigen Ausländer durch die Erstaufnahmeeinrichtung oder die Polizei registriert werden? zu Frage 10: Bis zur Schaffung der technischen Voraussetzungen in den Ausländerbehörden werden Asylsuchende und unerlaubt eingereiste bzw. aufhältige Ausländer nach Möglichkeit durch eine Polizeidienststelle erkennungsdienstlich behandelt und an eine Stelle mit PIK (Ankunftszentrum) weitergeleitet. Frage 11: Wie viele Asylbewerber wurden jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 durch das BAMF, die Erstaufnahmeeinrichtung, die Ausländerbehörden und die Polizei registriert ? zu Frage 11: Die Registrierung von Asylsuchenden erfolgt ausschließlich in der Erstaufnahmeeinrichtung . Die Zahl ist der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Jahr Registrierungen 2015 34.429 2016 11.024 2017 383 (Stand: 31.01.2017) Frage 12: Mit welchen Systemen und Programmen der Behörden des Landes Brandenburg , der anderen Bundesländer, des Bundes und der EU erlaubt (derzeit und in Zukunft) das Registrierungssystem des Landes einen Datenaustausch? zu Frage 12: Inzwischen nutzt Brandenburg, wie die anderen Bundesländer, auch das Kerndatensystem für die Registrierung von Asylsuchenden. Dieses erlaubt einen Datenaustausch mit den in der Antwort zu Frage 3 benannten Behörden. Der Landesregierung liegen keine Informationen über die jeweiligen Systeme und Program- me vor, die von den Behörden anderer Bundesländer, des Bundes und der EU für diesen Austausch genutzt werden. Frage 13: Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wie viele aller jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 in Brandenburg registrierten oder untergebrachten Asylbewerber , Asylberechtigten, Flüchtlinge, Geduldeten, Ausreisepflichtigen und Zuwanderer mehrfach registriert wurden und hierbei mehrere bzw. verschiedene Identitäten angegeben haben? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 13: Nein. Ob eine Person mehrmals bzw. mit mehreren Identitäten registriert wurde, ließ sich in der Vergangenheit erst im Zuge der Vorsprache beim BAMF erkennen, da dort erstmals ein Abgleich von Fingerabdrücken möglich war. Dies aber auch nur dann, wenn diese Person bereits einen Asylantrag gestellt hatte und deren Fingerabdrücke hinterlegt waren. Über Mehrfachidentitäten, die auf diese Weise aufgedeckt wurden, wurde die Erstaufnahmeeinrichtung vom BAMF nur in wenigen Fällen informiert. Die ZABH hat diese Fallzahlen nicht statistisch erfasst. Frage 14: Hat Brandenburg die Daten aller registrierten oder untergebrachten Asylbewerber , Asylberechtigte, Flüchtlinge, Geduldete, Ausreisepflichtige und Zuwanderer mit den Daten anderer Behörden des Landes, der anderen Bundesländer, des Bundes und der EU abgeglichen? Wenn nein, in wie vielen und was für Fällen ist dies geschehen bzw. nicht geschehen? zu Frage 14: Der mit der Einführung des integrierten Identitätsmanagements ermöglichte Datenabgleich im Kerndatensystem wird seit Mitte des Jahres 2016 bei der Registrierung sämtlicher Asylbewerber praktiziert. Aufgrund des Umstands, dass in Brandenburg vergleichsweise zeitnah die Antragstellung beim BAMF möglich war und in diesem Zusammenhang auch ein Datenabgleich erfolgte, war ein rückwirkender Datenabgleich für Asylbewerber, die vor der Einführung des integrierten Identitätsmanagements registriert wurden, nicht mehr erforderlich. Für Ausländer, die das Asylverfahren bereits durchlaufen hatten, wurde der Datenabgleich bereits im Asylverfahren durchgeführt. Für Ausländer, die keinen Asylantrag gestellt haben, sich nicht unerlaubt im Land aufhalten und nicht ausreisepflichtig sind, ist ein Datenabgleich nicht möglich (keine Pflicht zur erkennungsdienstlichen Behandlung). Frage 15: Hat der Datenaustausch und -abgleich dazu geführt, dass Asylbewerber, Asylberechtigte, Flüchtlinge, Geduldete, Ausreisepflichtige und Zuwanderer mit mehreren bzw. verschiedenen Identitäten aufgedeckt wurden? Frage 16: Hat der Datenaustausch und -abgleich dazu geführt, dass die mehrfache Beantragung von Sozialleistungen durch Asylbewerber, Asylberechtigte, Flüchtlinge, Geduldete, Ausreisepflichtige und Zuwanderer aufgedeckt wurde? zu den Fragen 15 und 16: Für den ab Mitte des Jahres 2016 in der Erstaufnahme erfolgten Datenaustausch ist dies zu bejahen (siehe Antwort zu Frage 13). Für den übrigen Personenkreis liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor (siehe Antwort zu Frage 14). Frage 17: Besteht die Möglichkeit des bundesweiten und auch europaweiten Datenabgleiches anlässlich der Aufnahme in den Sozialleistungsbezug? zu Frage 17: Ein bundesweiter Datenabgleich ist nach § 9 Abs. 5 AsylbLG in Verbindung mit § 118 SGB XII grundsätzlich möglich. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften der Sozialhilfedatenabgleichsverordnung. Die Möglichkeit eines europaweiten Abgleichs gibt es nicht. Frage 18: Wie viele Fälle des Sozialleistungsbetruges durch Asylbewerber, Asylberechtigte , Flüchtlinge, Geduldete, Ausreisepflichtige und Zuwanderer wurden jeweils in den Jahren 2015 bis 2017 angezeigt? In wie vielen Fällen wurden Ermittlungen eingeleitet, die Verfahren eingestellt, Anklage erhoben und Verurteilungen ausgesprochen ? zu Frage 18: Die Beantwortung der Fragestellung erfolgt auf der Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die nachstehenden Zahlen beziehen sich ausschließlich auf polizeilich abgeschlossene Ermittlungsverfahren des Sozialleistungsbetruges gemäß § 263 Strafgesetzbuch (StGB), da die PKS in der Lage ist, Fälle des Sozialleistungsbetruges explizit abzubilden. Für die Darstellung des Sozialleistungsbetruges gem. § 263 StGB durch Asylbewerber, Asylberechtigte, Flüchtlinge, Geduldete, Ausreisepflichtige und Zuwanderer1 im Land Brandenburg können nur die der Polizei bekannt gewordenen Straftaten als Grundlage genommen werden. Seit wann die nachfolgend aufgeführten Tatverdächtigen mit dem Status „Zuwanderer“ in Deutschland bzw. Brandenburg aufhältig waren, ist aus der PKS nicht zu entnehmen. Jahr Aufenthaltsstatus Erfasste Fälle Tatverdächtige 2015 Zuwanderer davon: 6 6 - Asylbewerber 5 5 - International/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte 0 0 - Duldung, Kontingentflüchtlinge 1 1 - Unerlaubter Aufenthalt 0 0 2016 Zuwanderer davon: 16 16 - Asylbewerber 13 13 - International/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte) 0 0 - Duldung, Kontingentflüchtlinge 1 1 - Unerlaubter Aufenthalt 2 2 Die Zahlen für 2016 stehen bis zur Veröffentlichung der PKS unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit. Eine unterjährige Darstellung der PKS-Daten für das Jahr 2017 wird an dieser Stelle nicht vorgenommen. Gemäß einer Vereinbarung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern soll eine unterjährige Veröffentlichung von PKS-Daten unterbleiben. Das liegt insbesondere darin begründet, dass die PKS-Zahlen eines Berichtsjahres erst im darauffolgenden Jahr (Jahresanfang) endgültig feststehen und unterjährig erhobene Daten nicht valide sind. In den entsprechenden staatsanwaltschaftlichen bzw. gerichtlichen Verfahrens- Zuwanderer sind Personen, die als Angehörige eines Nicht-EU-Staates einzeln oder in Gruppen in das Bundesgebiet einreisen, um sich hier vorübergehend oder dauerhaft aufzuhalten. Tatverdächtige Zuwanderer im Sinne dieser Definition werden in der PKS mit Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „Duldung“, „Kontingentflüchtling/Bürgerkriegsflüchtling“ und „unerlaubter Aufenthalt“ registriert. Tatverdächtige mit positiv abgeschlossenem Asylverfahren, die als „international/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“ anerkannt sind, werden unter dem Sammelbegriff „sonstiger erlaubter Aufenthalt“ erfasst. registern liegen keine statistischen Daten zu dieser Frage vor, da dort keine Kategorisierung nach Asylbewerbern, Asylberechtigten, Flüchtlingen, Geduldeten, Ausreisepflichtigen oder Zuwanderern erfolgt. Zudem existiert im Strafrecht kein spezifischer Tatbestand eines „Sozialleistungsbetruges“. Diese Fälle werden wie andere Betrugstaten allgemein unter dem Straftatbestand des § 263 StGB erfasst. Frage 19: Sind der Landesregierung oder den ihr untergeordneten Behörden Anhaltpunkte für weitere Fälle des Sozialleistungsbetruges bekannt? zu Frage 19: Für die in den vorherigen Fragen bezeichneten Personengruppen ist dies zu verneinen. Frage 20: Welche Anhaltspunkte führen zu Ermittlungen hinsichtlich des Tatbestandes des Sozialleistungsbetruges? zu Frage 20: Grundsätzlich sind die Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet, wenn ein entsprechender Anfangsverdacht besteht, d. h. es müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Das Vorliegen dieser Anhaltspunkte ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Statistische Daten hierzu liegen nicht vor. Frage 21: Wie wird aus Sicht des Ministeriums des Innern und für Kommunales sichergestellt , dass Asylbewerber, Asylberechtigte, Flüchtlinge, Geduldete, Ausreisepflichtige und Zuwanderer nicht unter Nutzung mehrerer Identitäten Sozialleistungen beantragen? zu Frage 21: Mit der Einrichtung von Ankunftszentren in allen Bundesländern werden die Stammdaten und biometrischen Merkmale von Asylsuchenden frühzeitig erfasst und zentral gespeichert. Über die eindeutige Zuordnung von Personen zu Fingerabdrücken können Mehrfachidentitäten unterbunden werden.