Datum des Eingangs: 07.03.2017 / Ausgegeben: 13.03.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/6164 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2466 des Abgeordneten Danny Eichelbaum der CDU-Fraktion Drucksache 6/6015 Einsatzmittel Wachtmeister Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Justizwachtmeister sind bei Einlasskontrollen an Gerichten immer mehr Gewalt ausgesetzt. Ihnen steht jedenfalls der sog. Einsatzstock (EKA) zur Verfügung, der gem. § 1 WaffG eine Waffe ist. Der Einsatzstock kann zum Einen für erhebliche Verletzungen (beispielsweise Knochenbrüche) führen, erfordert aber andererseits auch, dass die Wachtmeister sich dem Angreifenden stark nähern, sich also selbst einer erhöhten Verletzungsgefahr aussetzen. Andere Bundesländer, wie beispielsweise Baden- Württemberg, übertragen den Justizwachtmeistern im Rahmen der Notwendigkeit ihrer Aufgabenwahrnehmung polizeiliche Befugnisse (wie beispielsweise Sicherstellung und Beschlagnahme gefährlicher Gegenstände) und gewähren weitere Hilfsmittel, wie den Einsatz von Reizsprühgeräten . Frage 1: Wie viele Vorfälle von Gewalt gab es in den letzten 5 Jahren an den Brandenburger Gerichten (bitte aufschlüsseln nach Gericht und Art der Gewalt)? zu Frage 1: In den letzten fünf Jahren hat es in der Gerichtsbarkeit 19 Vorfälle mit Gewaltanwendung gegeben, und zwar: Gericht Art der Gewaltanwendung Anzahl AG Perleberg Tätliche Angriffe gegen JWM oder Prozessbeteiligte 8 AG Brandenburg a.d.H. Tätl. Angriff u. Körperverletzung zum Nachteil Prozessbeteiligter 1 AG Senftenberg Tätliche Angriffe gegen JWM bei Vorführungen 3 AG Cottbus Tätlicher Angriff gegen Richterin Körperverletzung z.N. Prozessbeteiligte 1 1 AG Fürstenwalde/Spree Tätlicher Angriff gegen JWM bei Vorführung 1 AG Luckenwalde Tätlicher Angriff gegen JWM bei Vorführung 1 AG Frankfurt (Oder) Tätl. Angriff und Körperverletzung z.N. einer Richterin 1 AG Strausberg Tätl. Angriff und Körperverletzung z.N. eines Rechtsanwalts 1 AG Zossen Tätl. Angriff gegen Richterin 1 19 Anmerkung: Es sind nur Vorfälle genannt, die sich gegen Personen richteten und zweifelsfrei als Gewaltanwendungen zu werten sind. Frage 2: Wie oft kam der Einsatzstock in den letzten 5 Jahren zum Einsatz (bitte aufschlüsseln nach Gericht)? zu Frage 2: Der Einsatzstock kam in den letzten fünf Jahren nicht zum Einsatz. Frage 3: Auf welche gesetzliche Rechtsgrundlage stützt sich der Einsatz des Einsatzstocks ? zu Frage 3: Da der Justizwachtmeisterdienst im räumlichen Bereich des Gerichts wie die Polizei im öffentlichen Raum mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung und der Gefahrenabwehr betraut ist, ergibt sich die gesetzliche Ermächtigung aus der analogen Anwendung des § 61 Abs. 1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG) mit der Einschränkung, dass bei Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Waffen entsprechend der früheren Fassung des VwVGBbg nur der Einsatz von Schlagstöcken zulässig ist. Um die Eingriffsbefugnisse des Justizwachtmeisterdienstes innerhalb des Aufgabenspektrums der Vorführung von Gefangenen, der Ausführung von sitzungspolizeilichen Anordnungen und der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in Gerichten und Staatsanwaltschaften in der gebotenen Klarheit zu regeln, wird im Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz derzeit ein Entwurf für ein eigenständiges Gesetz über die Befugnisse des Justizwachtmeisterdienstes erarbeitet. Im Rahmen dieses Gesetzes soll eine ausdrückliche Ermächtigung zum Einsatz von Schlagstöcken und ggfls. (s. Antwort zu Frage 5) Reizstoffsprühgeräten vorgesehen werden. Frage 4: Welche sonstigen Hilfsmittel stehen den Justizwachtmeistern zur Verfügung , um sich gegen etwaige Angreifer zu wehren bzw. Gewalt in den Gerichtsgebäuden zu unterbinden? zu Frage 4: Neben dem Einsatzstock sind Justizwachtmeister mit Hand- und Fußfesseln und Vorführzangen ausgestattet. Außerdem verfügen sie, soweit sie der Ordentlichen Gerichtsbarkeit angehören, über ballistische Schutzwesten. Für die Justizwachtmeister des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg sowie der Verwaltungsgerichte werden solche Schutzwesten z.Zt. beschafft. Die Justizwachtmeister der Ordentlichen Gerichtsbarkeit sind, soweit sie im Sitzungs- und Vorführdienst sowie bei Einlasskontrollen eingesetzt werden, in der waffenlosen Kampfesweise geschult . Frage 5: Falls es keine milderen Mittel gibt: Ist die Einführung solcher geplant? Wenn ja, welche Mittel sollen innerhalb welchen Zeitrahmens eingeführt werden? zu Frage 5: Es wird derzeit geprüft, ob Reizstoffsprühgeräte zugelassen werden. Frage 6: Können Justizwachtmeister Identitätsfeststellungen vornehmen, um im Einzelfall Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, insbesondere wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an dem Amtsgebäude Straftaten begangen werden sollen? und ggf. Personen vorläufig festnehmen? zu Frage 6: Justizwachtmeister können Identitätsfeststellungen im Rahmen der Justizverwaltung oder im Rahmen von sitzungspolizeilichen Anordnungen des zuständigen Gerichts durchführen. Die Rechtsgrundlage für die Anordnung und Vornahme von Identitätsfeststellungen im Rahmen der Justizverwaltung etwa bei Zugangskontrollen zum Gericht bildet das öffentlich-rechtliche Hausrecht des Gerichtsvorstands. Das Hausrecht ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und lässt sich zudem aus §§ 903, 1004, 862 BGB analog ableiten. Das Hausrecht gestattet zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs verhältnismäßige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude (Bundesverwaltungsgericht , NJW 2011, 2530). Vom Hausrecht umfasst sind u.a. auch die allgemeine Kontrolle der Personalien (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 26. September 2011 – 1 K 680.09 –, zitiert nach juris) und die Verweisung aus dem Dienstgebäude bei Verweigerung der Zugangskontrolle (Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg, Urteil vom 26. Oktober 2010 – OVG 10 B 2.10 –, zitiert nach juris). Für die Anordnung und Vornahme von Identitätsfeststellungen im Rahmen der Sitzungspolizei etwa auf der Grundlage einer sitzungspolizeilichen Verfügung bilden die §§ 176 ff GVG die Rechtsgrundlage. Die Voraussetzungen für die Befugnis zur vorläufigen Festnahme ergeben sich aus § 127 Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung (StPO). Danach hat jedermann das Recht zur vorläufigen Festnahme einer Person, wenn diese auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und der Flucht verdächtig ist oder ihre Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Die Befugnis, Personen auf Anordnung des Gerichts zur Ordnungshaft abzuführen, ergibt sich aus § 177 Absatz 1 Satz 1 GVG. Frage 7: Können die Wachtmeister Personen bzw. mitgeführte Taschen durchsuchen ? zu Frage 7: Ja, entsprechend den Antworten zu Fragen 6 und 8. Frage 8: Können sie gefährliche Gegenstände sicherstellen oder beschlagnahmen? zu Frage 8: Soweit die Justizwachtmeister im Rahmen von sitzungspolizeilichen Anordnungen des Gerichts nach §§ 176 ff GVG handeln, können sie auch Gegenstände sicherstellen und beschlagnahmen. Die Sitzungspolizei bietet die Grundlage für Maßnahmen auch sicherheitsrechtlicher Natur. Notwendig ist aber ein hinreichender persönlicher, räumlicher und zeitlicher Bezug zu einer bestimmten Sitzung des Gerichts (vgl. Bundesverfassungsgericht, NJW 1978, 1048).