Datum des Eingangs: 22.03.2017 / Ausgegeben: 27.03.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/6272 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2496 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher und Benjamin Raschke der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/6089 Einstufungskriterien für „Gefährder“ Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Seit dem Terroranschlag des islamistischen Attentäters Anis Amri am 19. Dezember 2016 in Berlin sind so genannte „Gefährder“ noch stärker im Fokus der sicherheitspolitischen Diskussion. In der schwierigen Abwägung , welche Maßnahmen zu einer verbesserten Sicherheitslage beitragen und welche Grundrechtseingriffe sie nach sich ziehen, ist eine exakte Definition des „Gefährder “-Begriffes unabdingbar. Frage 1: Woher stammt der Begriff des „Gefährders“ – warum werden die entsprechenden Personen beispielsweise nicht alternativ als „gewaltbereite Extremisten“, „mögliche Gefährder“ oder ähnliches eingestuft? zu Frage 1: Der Begriff „Gefährder“ entstammt dem polizeilichen Kontext und ist hinsichtlich des Begriffsinhaltes aufgrund eines Beschlusses der AG Kripo im Jahr 2004 bundeseinheitlich abgestimmt. Frage 2: Wie ist der Begriff des „Gefährders“ definiert? zu Frage 2: „Gefährder“ im polizeifachlichen Sinne ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO, begehen wird. Frage 3: Welche konkreten Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass eine Person politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung, begehen wird oder begehen könnte? zu Frage 3: Dies ist stets vom Einzelfall abhängig. Eine Beurteilung erfolgt durch verschiedene beteiligte Bundes- und Landessicherheitsbehörden in einem individuellen Abstimmungsprozess. Frage 4: Handelt es sich bei „Gefährdern“ um Personen, von denen nachweisbar Gefahren von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung, ausgehen, oder um Personen, von denen solche Gefahren eventuell, möglicher Weise, vermutlich oder wahrscheinlich ausgehen? zu Frage 4: Es wird auf die Antwort zur Frage 2 verwiesen. Frage 5: Ist der Begriff des „Gefährders“ in Brandenburg gleich definiert wie in allen anderen Bundesländern und im Bund? Falls Nein: Hält es die brandenburgische Landesregierung für erforderlich, eine bundeseinheitliche Definition festzulegen und auf welche Weise und seit wann arbeitet sie darauf hin? zu Frage 5: Der Begriff „Gefährder“ ist bundesweit einheitlich definiert. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Frage 6: Ist der Begriff des „Gefährders“ europaweit gleich definiert? Falls Nein: Hält es die brandenburgische Landesregierung für erforderlich, eine europaweit einheitliche Definition festzulegen und auf welche Weise und seit wann arbeitet sie darauf hin? zu Frage 6: Derzeit gibt es keine EU-einheitliche Definition des Begriffs „Gefährders“. Der bundesweit einheitliche Begriff orientiert sich an den rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland. Er gilt ausschließlich im polizeilichen Bereich und ist insoweit auch nicht auf andere Staaten anwendbar. Eine einheitliche Definition wäre grundsätzlich wünschenswert, kann rechtliche Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten und unterschiedliche Ansätze in der Betrachtung des Phänomens durch Polizei und Nachrichtendienste jedoch nicht überdecken und dürfte angesichts der unterschiedlichen Rahmenbedingungen nicht ohne Weiteres zu erzielen sein. Die Landesregierung beteiligt sich an der länderübergreifenden und europaweiten Gremienarbeit entsprechend. Frage 7: Wer bzw. welche staatlichen Stellen stufen Personen als „Gefährder“ ein? zu Frage 7: Im Land Brandenburg erfolgen die entsprechenden Ein- und Ausstufungen durch das Landeskriminalamt. Frage 8: Wie läuft das Prüfungsverfahren konkret ab, in dem entschieden wird, ob eine Person als „Gefährder“ eingestuft wird? Frage 9: Werden bei der „Gefährder“-Einstufung Hinweise von ausländischen Nachrichten - und Geheimdiensten als Fakten einbezogen oder werden solche Hinweise einer Prüfung unterzogen – wie fließen solche Hinweise konkret in das Prüfungsverfahren ein, in dem entschieden wird, ob eine Person als „Gefährder“ eingestuft wird? zu den Fragen 8 und 9: Dem Verfahren liegen ausschließlich Maßnahmen des polizeitaktischen Handelns im jeweiligen Einzelfall zugrunde. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 3 hingewiesen. Frage 10: Werden Hinweise von Nachrichten- und Geheimdiensten aus nicht demokratischen Staaten gleich behandelt bzw. gewertet wie solche aus Staaten, welche die Kriterien eines demokratischen Rechtsstaates erfüllen? Frage 11: Gibt es Erfahrungswerte, wie zuverlässig Hinweise ausländischer Nachrichten - und Geheimdienste sind, die auf mögliche „Gefährder“ hindeuten? Wie unterscheiden sich gegebenenfalls die Hinweise aus nicht demokratischen Staaten und aus Staaten, welche die Kriterien eines demokratischen Rechtsstaates erfüllen, bezüglich ihrer Zuverlässigkeit? zu den Fragen 10 und 11: Das Landeskriminalamt berücksichtigt bei der Einstufung von Personen als „Gefährder“ ausschließlich Daten unter Beachtung der erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen. Über die Zuverlässigkeit der Informationen werden ausschließlich im Einzelfall jeweils Beurteilungen getroffen, die in die Ableitung der weiteren Maßnahmen einfließen. Frage 12: Werden nur Personen im Bereich des islamistischen Extremismus als „Gefährder “ eingestuft oder auch Personen in anderen Extremismus-Bereichen wie etwa im Bereich des Recht- oder Linksextremismus? Warum gibt es die „Gefährder“- Einstufung auch in anderen Extremismus-Bereichen oder warum nicht? zu Frage 12: Die „Gefährder“-Definition gilt für alle Phänomenbereiche der Politisch motivierten Kriminalität (PMK). Frage 13: Werden Personen aus dem Bereich des islamistischen Extremismus, die aus Kriegseinsätzen wie etwa in Syrien kommen, automatisch als „Gefährder“ eingestuft ? Frage 14: Sind rechtsextremistische Personen, die beispielsweise auf dem Balkan oder in Südafrika bewaffnet gekämpft haben, automatisch als „Gefährder“ eingestuft worden? zu den Fragen 13 und 14: Nein, eine automatische Einstufung erfolgt nicht; stets liegt eine Einzelfallprüfung anhand der polizeilichen Gefährderdefinition zugrunde. Frage 15: Wie viele Personen sind von brandenburgischen Sicherheitsbehörden bisher in welchem Zeitraum als „Gefährder“ eingestuft worden (bitte nach Extremismus- Bereichen aufschlüsseln)? Frage 16: Wie viele „Gefährder“ halten sich derzeit in Brandenburg auf (bitte nach Extremismus-Bereichen aufschlüsseln)? zu den Fragen 15 und 16: In Brandenburg sind bisher ausschließlich Personen des islamistischen Spektrums als „Gefährder“ eingestuft worden. Die Zahl der „Gefährder “ liegt in Brandenburg gegenwärtig im unteren zweistelligen Bereich. Angaben zu Zeiträumen können nicht erfolgen, da die Einstufungen ein laufender Prozess sind und somit Schwankungen unterliegen. Frage 17: Wie viele Personen aus dem Bereich des islamistischen Extremismus werden derzeit in Brandenburg per Haftbefehl gesucht, wie viele von ihnen gelten als gewaltbereit und/oder militant und wie viele von ihnen sind als „Gefährder“ einge- stuft? Falls keine der flüchtigen Personen aus dem Bereich des islamistischen Extremismus als „Gefährder“ eingestuft sein sollte: Warum nicht? zu Frage 17: Mit Stand 7. März 2017 sind vier Personen, welche dem Phänomenbereich des islamistischen Extremismus zugerechnet werden, auf Basis von Vollstreckungshaftbefehlen zur Vollstreckung von Ersatzfreiheitstrafen zur Festnahme ausgeschrieben . Den ursprünglichen Geldstrafen lag in keinem Fall eine Straftat der Politisch motivierten Kriminalität zu Grunde. Eine dieser vier Personen ist als gewaltbereit und zugleich als „Gefährder“ des islamistischen Spektrums eingestuft. Frage 18: Wie viele rechtsextremistische Personen werden derzeit in Brandenburg per Haftbefehl gesucht, wie viele von ihnen gelten als gewaltbereit und/oder militant und wie viele von ihnen sind als „Gefährder“ eingestuft? Falls keine der flüchtigen rechtsextremistischen Personen als „Gefährder“ eingestuft sein sollte: Warum nicht? zu Frage 18: Mit Stand 7. März 2017 sind 15 Personen, welche dem Phänomenbereich des Rechtsextremismus zugerechnet werden, per Haftbefehl zur Festnahme ausgeschrieben. In 12 Fällen handelt es sich um Vollstreckungshaftbefehle zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe. In fünf Fällen liegen den Strafen Taten der Politisch motivierten Kriminalität zugrunde. Zwei Personen sind als gewaltbereit eingestuft . Die Voraussetzungen zur Einstufung als „Gefährder“ liegen in keinem der Fälle vor. Frage 19: Wie viele linksextremistische Personen werden derzeit in Brandenburg per Haftbefehl gesucht, wie viele von ihnen gelten als gewaltbereit und/oder militant und wie viele von ihnen sind als „Gefährder“ eingestuft? Falls keine der flüchtigen linksextremistischen Personen als „Gefährder“ eingestuft sein sollte: Warum nicht? zu Frage 19: Mit Stand 7. März 2017 ist eine Person, welche dem Phänomenbereich des Linksextremismus zugerechnet wird, auf Basis eines Vollstreckungshaftbefehls zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe zur Festnahme ausgeschrieben. Der Strafe liegt ein Verstoß gegen das Waffengesetz (Mitführen eines Schlagringes) zugrunde . Die Person ist weder als gewaltbereit noch als „Gefährder“ im Phänomenbereich des Linksextremismus eingestuft Frage 20: Wird im Regelfall ermittelt, ob „Gefährder“ sich im Umgang mit Schusswaffen und/oder Sprengstoff auskennen bzw. daran ausgebildet wurden? Falls nein, warum nicht? zu Frage 20: Ja.