Datum des Eingangs:13.02.2015 / Ausgegeben: 18.02.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/629 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 174 des Abgeordneten Christoph Schulze fraktionslos Drucksache 6/405 Brandenburger Neustart in der Sozialpolitik Wortlaut der Kleinen Anfrage 174 vom 14.01.2015: In der ersten Woche des neuen Jahrs 2015 fordert die Partei, die Linke, lautstark einen Neustart in der Sozialpolitik. Die Linke postuliert, dass 10 Jahre nach dem Start der Hartz-IV-Reform ein Neustart in der Sozialpolitik notwendig sei. Das Gesetz zu Hartz IV sei kein „Job-Motor“, sondern ein Motor der sozialen Spaltung. Hartz IV stehe für soziale Kälte und die Reform habe vor allem dazu geführt, dass der Niedriglohnsektor ausgebaut wurde. So stieg nach den Angaben der Links-Partei die Anzahl der Beschäftigten im Niedriglohnbereich von 20,6 % im Jahr 2000 auf 23,1 % im Jahr 2010. Es gebe rund 1,3 Mio. mehr Beschäftigte , die mit einem niedrigen Lohn abgespeist würden, so die Linke. Hartz IV habe nicht mehr Arbeitsplätze geschaffen erklärte die Linke. Die Zahl der Vollzeitstellen sei nicht gestiegen. Stattdessen gebe es mehr Druck auf Arbeitslose, schlechtbezahlte Jobs anzunehmen. Die Partei, die Linke, verwies auf die Zahl der Sanktionen, die seit Einführung von Hartz IV deutlich gestiegen sei. Nach Ansicht der Partei, die Linke, schützt auch der seit Jahresbeginn geltende Mindestlohn von 8,50 € Hartz-IV-Empfänger nicht vor der Armut. Aus diesem Grunde frage ich die Landesregierung: 1. Sieht die Landesregierung Notwendigkeiten für einen Neustart in der Sozialpolitik, insbesondere bei einer grundlegenden Überarbeitung der Hartz-IV-Gesetze? Wenn ja, welche gesetzlichen Änderungen sind aus Sicht der Landesregierung notwendig? 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Harzt-IV-Gesetze kein „Job-Motor“ sind, son- dern ein Motor zur sozialen Spaltung der Gesellschaft? 3. Wie viele Sozialhilfeempfänger gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslo- senhilfeempfänger gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslosengeldemp- fänger gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? Wie viele sozialversicherungspflichtige Ar- beitskräfte gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? 4. Wie viele Sozialhilfeempfänger gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslo- senhilfeempfänger gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslosengeldemp- fänger gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? Wie viele sozialversicherungspflichtige Arbeitskräfte gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? 5. Wie hat sich der Niedriglohnsektor im Land Brandenburg entwickelt? 6. Hat sich aufgrund der Hartz-IV-Gesetze eine Dynamisierung der Wirtschaft gezeigt und wurden mehr Arbeitsplätze geschaffen? Oder wurden Arbeitsplätze eingespart und abgebaut? 7. Wie hat sich die Zahl der Vollzeitstellen im Land Brandenburg entwickelt? 8. Wie hat sich die Zahl der Sanktionen im Zeitraum 2008 bis 2013 im Land Brandenburg gegen Hartz IV-Empfänger, die Auflagen nicht nachgekommen sind, entwickelt? 9. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung im Hinblick auf die Auswirkung des Mindest- lohns von 8,50 € auf Hartz-IV-Empfänger und weitere Entwicklung von Armut? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Sieht die Landesregierung Notwendigkeiten für einen Neustart in der Sozialpolitik, insbesondere bei einer grundlegenden Überarbeitung der Hartz-IV-Gesetze? Wenn ja, welche gesetzlichen Änderungen sind aus Sicht der Landesregierung notwendig? Frage 2: Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Harzt-IV-Gesetze kein „Job-Motor“ sind, sondern ein Motor zur sozialen Spaltung der Gesellschaft? zu Frage 1 und 2: Die Fragen werden zusammen beantwortet. Ziel des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt war es gemäß der Gesetzesbegründung , die bis dato für erwerbsfähige hilfebedürftige Personen parallel bestehende Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einem gemeinsamen Sozialleistungssystem, der Grundsicherung für Arbeitsuchende , zusammen zu führen und eine intensivere Unterstützung der Berechtigten bei der Eingliederung in Arbeit zu ermöglichen. Auf diese Weise sollten Systemungerechtigkeiten, wie insbesondere ein ungleicher Zugang zum Arbeitsmarkt und zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, zu ungleicher sozialer Absicherung und zu unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten (Sozialgericht/ Verwaltungsgericht) beseitigt und eine Effizienz- und Transparenzsteigerung im Hinblick auf die Verwaltung erreicht werden. Indem seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende allen erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen im Wesentlichen die Eingliederungsinstrumente des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zuzüglich spezieller Eingliederungsinstrumente des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur Verfügung stehen und für ihre Eingliederung in Arbeit genutzt werden können, sind Zugangschancen zu Beschäftigung teils erstmals geschaffen, teils erweitert worden. Die Zahl der Personen, die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, ist seit 2005 signifikant gesunken. Dennoch ist weiterhin ein großer Personenkreis im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende über längere und lange Zeit auf Unterstützungsleistungen angewiesen. Darüber hinaus findet sich insbesondere bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein hoher Anteil an Personen , der über längere Zeit ohne Beschäftigung ist. Diese Menschen bedürfen einer intensiveren Unterstützung, insbesondere die auf Sozialleistungsbezug angewiesenen Kinder. Hier anzusetzen ist aus Sicht der Landesregierung eine der Schwerpunktaufgaben für die neue Wahlperiode . Erste Umsetzungsschritte in diese Richtung sind bereits absolviert. So wird das Land Brandenburg beispielsweise entsprechend der Investitionsprioritäten des ESF-OP die Erwerbsintegration von Langzeitarbeitslosen sowie erwerbslosen Familien mittels des ESF-Förderprogramms „Integrationsbegleitung für Langzeitarbeitslose und Familienbedarfsgemeinschaften in Brandenburg“ unterstützen. Darüber hinaus werden weitere Möglichkeiten zur Förderung, beispielsweise von Sozialbetrieben, geprüft . Die Landesregierung sieht in diesem Zusammenhang aber auch die Notwendigkeit zur Überarbeitung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erste Ansätze finden sich in den Ergebnissen der Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zur Rechtsvereinfachung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und in Vorschlägen der Länder zur Überarbeitung wesentlicher Förderinstrumente. Um darüber hinaus eine adäquate Betreuung durch die Jobcenter sicherstellen und dem gesetzlich verankerten Grundsatz des „Förderns und Forderns“ gerecht werden zu können, bedarf es einer auskömmlichen finanziellen Ausstattung der Jobcenter. Da es sich bei dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende jedoch um ein Bundesgesetz handelt, liegt die Hauptverantwortung beim Bund. Ob und wann dieser einen Entwurf zur Überarbeitung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorlegen wird, bleibt zunächst abzuwarten. Sodann kann die Landesregierung weitere Schritte prüfen. Frage 3: Wie viele Sozialhilfeempfänger gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslosenhilfeempfänger gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslosengeldempfänger gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? Wie viele sozialversicherungspflichtige Arbeitskräfte gab es im Jahr 2000 im Land Brandenburg? Frage 4: Wie viele Sozialhilfeempfänger gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslosenhilfeempfänger gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? Wie viele Arbeitslosengeldempfänger gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? Wie viele sozialversicherungspflichtige Arbeitskräfte gab es im Jahr 2012 im Land Brandenburg? zu Frage 3 und 4: Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Vorbemerkung: Die Anfrage bezieht sich auf die Zahl der Sozialleistungsempfänger und -empfängerinnen in unterschiedlichen sozialen Absicherungssystemen, die in dem vorliegend zu betrachtenden Zeitraum -gefragt ist nach Daten aus den Jahren 2000 und 2012- zum Teil erheblichen gesetzlichen Änderungen unterlagen. So wurden mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt die zuvor für erwerbsfähige hilfebedürftige Personen bestehenden Hilfesysteme der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zu einer Grundsicherung für Arbeitsuchende (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) zusammengelegt . Das Hilfesystem der Arbeitslosenhilfe entfiel dabei ersatzlos. Angaben zur Anzahl der Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen im Land Brandenburg im Jahr 2000 und im Jahr 2012 im Land Brandenburg können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Tabelle 1: Sozialhilfeempfänger im Land Brandenburg Sozialhilfeempfänger im Land Brandenburg im Jahr 2000 (geltendes Recht: BSHG) im Jahr 2012 (geltendes Recht: SGB XII) Empfänger von Laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU)* 58.578 9.149 davon außerhalb von Einrichtungen in Einrichtungen 58.095 483 3.081 6.068 Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Kapitel 4 SGB XII) 0 21.683 davon vollerwerbsgemindert 18 bis unter 65 Jahren 65 Jahre und älter 0 0 0 14.504 7.179 Empfänger von Hilfen nach Kapitel 5 bis 9 SGB XII bzw. Empfänger von Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Abschnitt 3 BSHG 25.318 33.210 darunter Eingliederungshilfe für behinderte Menschen Hilfe zur Pflege 15.658 4.055 24.710 7.717 * Im Jahr 2000 gab es die Hilfeart Grundsicherung noch nicht. Die Zahl der Empfänger der HLU umfasst im Jahr 2000 auch diejenigen Personen, die im Jahr 2012 den Grundsicherungsempfänger nach Kapitel 4 SGB XII zuzuordnen sind. Bezogen auf die Anzahl der Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger und -empfängerinnen muss vorab festgestellt werden, dass für das Jahr 2000 keine Daten zum Bestand der Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vorliegen. Es werden daher in der nachfolgenden Tabelle alternativ die Daten für das Jahr 2001 angegeben. Tabelle 2: Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe im Land Brandenburg Jahresdurchschnittswert Bestand Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe 2001 105.257 110.619 2012 37.127 - © Statistik der Bundesagentur für Arbeit Erstellungsdatum: 19.01.2015, Statistik-Service Ost, Auftragsnummer 197879 Beim Vergleich der Zahlen der Arbeitslosengeldempfängerinnen und -empfänger ist zu beachten, dass sich auch bezüglich dieser Versicherungsleistung die rechtlichen Grundlagen stark verändert haben (insbesondere veränderte Anspruchsdauer). Daher sind diese Zahlen nur eingeschränkt miteinander vergleichbar. Die Angaben zur Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Tabelle 3: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (SvB) am Arbeits- und Wohnort im Land Brandenburg Stichtag 30. Juni Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Bestand) Arbeitsort 1) Wohnort 2) 2000 809.269 900.134 2012 783.785 920.828 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit Erstellungsdatum: 19.01.2015, Statistik-Service Ost, Auftragsnummer 197879 1) Arbeitsort (AO): Alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in der betreffenden Region arbeiten, unabhängig vom Wohnort. 2) Wohnort (WO): Alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in der betreffenden Region wohnen, unabhängig vom Arbeitsort. Da Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfe wohnortbezogen geleistet und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gewöhnlich nach dem Arbeitsort ausgewertet werden, werden die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wohn- und Arbeitsort ausgewiesen. Frage 5: Wie hat sich der Niedriglohnsektor im Land Brandenburg entwickelt? zu Frage 5: Vorbemerkung: Zur Darstellung der Entwicklung der Anzahl an Beschäftigten in Brandenburg mit einem Niedriglohn wird auf die Daten der Bundesagentur für Arbeit zur Niedriglohnschwelle abgestellt. Hierzu liegen Daten bis zum Jahr 2013 vor. Als Niedriglohn wird gemäß der dafür verwendeten Definition der OECD ein Stundenentgelt bezeichnet, das geringer ist als zwei Drittel des mittleren Lohns aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten. Seit 2004 ist der Anteil der Personen, die im Niedriglohnbereich oder, wie es in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit heißt, im unteren Entgeltbereich, beschäftigt sind, an allen sozialversicherungspflichtigen Personen relativ konstant. Die Angaben zur Höhe der ostdeutschen Schwelle für den unteren Entgeltbereich (diese wird für das Land Brandenburg angewandt), zur Anzahl der betroffenen Beschäftigten im Land Brandenburg und ihr Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten im Land Brandenburg sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Tabelle 4: Anteil der Vollzeitbeschäftigten am Arbeitsort bezogen auf die ostdeutsche Schwelle des unteren Niedriglohnbe- reiches1) im Land Brandenburg Stichtag 31.12. ostdeutsche Schwelle des unteren Entgeltbereichs in € 2) Personen im unteren Entgeltbereich (Ost) im Land Brandenburg ) absolut Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in Prozent 2000 1.235 113.437 18,7 2001 1.271 114.267 19,1 2002 1.303 112.781 19,7 2003 1.313 112.618 20,3 2004 1.326 112.124 21,0 2005 1.328 112.214 21,4 2006 1.316 112.987 21,0 2007 1.326 114.067 21,0 2008 1.352 117.212 21,5 2009 1.367 116.859 21,4 2010 1.379 118.025 21,2 Umstellung der Erhebungsinhalte 3) 2012 1.499 104.917 19,9 2013 1.545 102.235 19,5 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit Erstellungsdatum: 16.01.2015, Statistik-Service Ost, Auftragsnummer 197836 1) Nicht revidierte Daten. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weicht von den aktuellen revidierten Daten ab (in Tabelle 2 und 4 werden die revidierten Daten verwendet). Hintergrund: Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit hat am 28. August 2014 eine Revision der Beschäftigungsstatistik durchgeführt. Von der Revision betroffen sind ausschließlich die Ergebnisse über sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte, einschließlich Auswertungen über Pendler, Entgelte, Altersteilzeit (nur was die Daten aus der Beschäftigungsstatistik betrifft) sowie Betriebe. 2) In Anlehnung an die Definition der OECD liegt die Schwelle des unteren Entgeltbereichs bei 2/3 des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten (ohne Auszubildende). 3) Mit der Umstellung der Erhebungsinhalte 2011/2012 entstand ein „Bruch“ in der Zeitreihe d.h. mit der Umstellung hat sich das Verhältnis von Voll- und Teilzeitbeschäftigung verschoben. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigung wurde deutlich höher. Ergänzend kann hinzugefügt werden, dass ca. 355.000 Beschäftigte in Brandenburg vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weniger als 8,50 € erhalten haben, also fast jeder Dritte (30,7 Prozent). Diese Zahlen beziehen sich auf alle abhängig Beschäftigten (d.h. auch Teilzeitbeschäftigte, einschl. Minijobs ) und basieren auf einer Auswertung des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) vom März 2014 auf Basis des sozioökonomischen Panels (IAQ-report 02/2014). Frage 6: Hat sich aufgrund der Hartz-IV-Gesetze eine Dynamisierung der Wirtschaft gezeigt und wurden mehr Arbeitsplätze geschaffen? Oder wurden Arbeitsplätze eingespart und abgebaut? zu Frage 6: Die Arbeitsmarktdaten belegen, dass seit 2005 sowohl die Anzahl der Erwerbstätigen insgesamt, als auch die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zugenommen hat. Während im Zeitraum von 2005 bis 2013 die Anzahl der Erwerbstätigen um 5,6 Prozent zunahm, erreichte die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sogar ein Wachstum von 11,5 Prozent. In diesem Zusammenhang muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass diese Zuwächse mit einem Anstieg sogenannter „atypischer“ Beschäftigungen einherging (gemeint sind klassische Teilzeit, Mini- und Midijobs, Leiharbeit, befristete Beschäftigung). Machten diese Beschäftigungen in 2005 noch einen Anteil von 28 Prozent der Beschäftigungen aus, waren es 2013 bereits 38 Prozent. Einen besonderen Umfang nimmt dabei die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung ein, die mit 15 Prozent nicht nur den größten Anteil an allen atypischen Beschäftigungsverhältnissen aufweist, sondern auch wesentlich zum Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung beigetragen hat. Der ursächliche Zusammenhang zwischen den Arbeitsmarktreformen der Jahre 2002 bis 2005, zu denen auch das als „Hartz IV“ bezeichnete Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt gehört, und der positiven Arbeitsmarktentwicklung, ist umstritten. So ist das Arbeitsvolumen von 2005 bis 2013 in Brandenburg lediglich um 1,4 Prozent gestiegen. In wissenschaftlichen Untersuchungen werden neben den Arbeitsmarktreformen deshalb auch die Reform des Altersübergangs und insbesondere der Rückgang der Tarifbindung sowie die wirtschaftliche Entwicklung als wichtige Ursachen für das Wachstum von Beschäftigung und den Rückgang der Arbeitslosigkeit identifiziert. Frage 7: Wie hat sich die Zahl der Vollzeitstellen im Land Brandenburg entwickelt? zu Frage 7: Die Entwicklung der Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist folgender Tabelle zu entnehmen. Tabelle 5: Entwicklung der Vollzeitbeschäftigten im Land Brandenburg Stichtag 30.06. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte davon in Vollzeit absolut in Prozent 2001 779.312 658.315 84,5 2002 763.213 397.944 83,9 2003 735.443 611.564 83,2 2004 719.517 590.102 82,0 2005 703.981 571.435 81,2 2006 715.535 367.899 80,6 2007 735.363 381.715 80,3 2008 751.393 392.202 79,7 2009 739.356 380.763 78,7 2010 761.858 592.551 77,8 20111) 774.154 X X 20121) 783.785 X X 20131) 785.472 405.202 72,3 Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik, Zeitreihe über sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Insgesamt und Auszubildende sowie geringfügig Beschäftigte nach ausgewählten Merkmalen, Nürnberg, Datenstand Dezember 2014, eigene Berechnungen 1) Hinweis: Aufgrund der Umstellung der Erhebungsinhalte ist ein statistischer Nachweis der „Arbeitszeit“ für den 30.06.2011 und 30.06.2011 nicht möglich. Der Anteil der Teilzeitarbeit ist nach Einführung des neuen Tätigkeitsschlüssels deutlich höher. Die Daten des Jahres 2013 sind daher nur eingeschränkt mit Vorjahren vergleichbar. Siehe methodische Hinweise der Bundesagentur für Arbeit: http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Grundlagen/Methodenberichte/Beschaeftigungsstatistik/Methodeberichte-Beschaeftigungsstatistik-Nav.html Frage 8: Wie hat sich die Zahl der Sanktionen im Zeitraum 2008 bis 2013 im Land Brandenburg gegen Hartz IV-Empfänger, die Auflagen nicht nachgekommen sind, entwickelt? zu Frage 8: Vorbemerkung: Die zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende erheben laufend die für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende erforderlichen Daten und übermitteln diese an die Bundesagentur für Arbeit (siehe § 51b Zweites Buch Sozialgesetzbuch). Dies umfasst auch Angaben zu Grund, Art und Umfang von Sanktionen nach den §§ 31 bis 32 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (siehe § 1 der Verordnung zur Erhebung der Daten nach § 51b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch). Zur Beantwortung der Frage 8 wurde daher auf die aktuellste verfügbare Statistik der Bundesagentur für Arbeit zurückgegriffen, die nachfolgend abgebildet ist. Tabelle 6: Leistungskürzung durch Sanktion (Zeitreihe Brandenburg ) Berichtszeitraum Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb) insgesamt eLb unter 25 Jahre Bestand eLb mit mindestens einer Sanktion Leistungskürzung durch Sanktion in % 1) Durchschnittliche Höhe der Kürzungen durch Sanktion in Euro (bezogen auf alle eLb mit mindestens einer Sanktion) Bestand eLb mit mindestens einer Sanktion Leistungskürzung durch Sanktion in % 1) Durchschnittliche Höhe der Kürzungen durch Sanktion in Euro (bezogen auf alle eLb mit mindestens einer Sanktion) Gesamtleistung darunter Gesamtleistung darunter Kürzung Regelleistung (inkl. Mehrbedarf) Kürzung Leistungen für Unterkunft und Heizung Kürzung Regelleistung (inkl. Mehrbedarf) Kürzung Leistungen für Unterkunft und Heizung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahresdurchschnitt 2013 5.650 21,8 110 97 12 1.480 32,0 139 112 27 Jahresdurchschnitt 2012 5.414 21,6 110 97 13 1.486 33,2 147 117 30 Jahresdurchschnitt 2011 5.352 24,7 123 107 16 1.629 38,5 166 131 35 Jahresdurchschnitt 2010 5.072 27,5 133 114 17 1.602 42,7 177 139 38 Jahresdurchschnitt 2009 4.756 28,8 136 116 19 1.611 44,9 184 145 39 Jahresdurchschnitt 2008 4.945 30,6 141 120 19 1.856 46,9 190 150 39 Jahresdurchschnitt 2007 4.893 31,1 142 124 15 2.164 44,6 184 156 27 2014 September 5.263 20,3 110 99 11 1.235 31,2 145 120 25 August 5.371 20,7 111 98 13 1.316 33,0 152 122 30 Juli 5.231 20,3 109 97 12 1.259 31,2 145 118 27 Juni 5.243 20,1 108 96 12 1.314 31,0 143 116 27 Mai 5.313 19,8 107 96 11 1.349 29,6 138 113 25 April 5.484 20,4 110 99 11 1.476 30,9 145 121 24 März 5.233 20,2 110 98 11 1.398 30,5 144 119 25 Februar 5.309 20,2 109 98 11 1.402 30,3 141 115 26 Januar 5.510 19,8 106 95 11 1.393 29,2 134 109 25 2013 Dezember 5.600 20,2 107 95 12 1.438 28,6 130 104 26 November 5.676 21,2 108 96 12 1.393 30,7 133 107 26 Oktober 5.836 21,5 108 96 12 1.415 31,5 135 110 26 September 5.896 22,0 108 96 12 1.447 32,3 137 112 25 August 5.849 22,2 108 96 12 1.543 32,7 138 113 25 Juli 5.971 24,3 110 98 12 1.678 34,7 137 113 24 Juni 5.607 22,6 110 97 13 1.530 32,8 139 111 28 Mai 5.595 22,2 109 97 12 1.457 32,7 139 112 27 April 5.468 21,0 110 97 13 1.439 31,6 144 115 30 März 5.406 21,3 112 99 13 1.440 31,4 143 116 27 Februar 5.550 22,0 115 101 14 1.521 32,9 152 120 31 Januar 5.347 21,5 112 98 14 1.461 32,0 145 115 30 2012 Dezember 5.452 21,9 112 98 14 1.483 34,1 150 119 31 November 5.528 21,6 109 94 15 1.466 32,6 139 107 32 Oktober 5.449 21,0 107 93 14 1.385 31,5 136 106 30 September 5.489 21,2 107 94 13 1.465 31,4 137 106 31 August 5.382 21,6 109 96 14 1.501 32,5 141 110 31 Juli 5.363 21,4 108 95 13 1.538 32,9 145 116 29 Juni 5.347 21,5 112 98 14 1.461 32,0 145 115 30 Mai 5.212 21,3 109 97 13 1.473 32,7 145 117 28 April 5.482 21,4 111 98 12 1.564 32,8 149 122 27 März 5.328 21,6 112 99 13 1.459 34,4 155 126 29 Februar 5.573 22,0 114 102 13 1.496 35,2 162 132 30 Januar 5.353 22,4 116 101 14 1.454 36,2 164 130 33 2011 Dezember 5.565 23,2 116 102 14 1.526 36,6 162 130 32 November 5.332 22,7 114 100 14 1.439 35,3 154 123 30 Oktober 5.360 22,8 115 101 14 1.485 35,8 157 125 32 September 5.152 22,3 111 97 15 1.503 35,1 150 118 32 August 5.550 22,8 113 98 16 1.781 34,5 149 118 31 Juli 5.094 24,1 119 102 17 1.643 36,8 157 121 36 Juni 5.311 25,7 126 108 18 1.735 39,3 168 130 39 Mai 5.175 26,2 128 111 18 1.778 40,1 173 136 37 April 5.385 26,9 133 115 18 1.775 41,3 178 142 36 März 5.220 26,4 132 115 16 1.626 40,5 177 143 34 Februar 5.418 26,9 134 117 16 1.636 43,0 183 148 35 Januar 5.666 26,5 131 114 17 1.620 42,9 180 141 40 2010 Dezember 5.285 27,6 134 114 18 1.525 43,1 179 138 40 November 5.125 27,4 132 114 17 1.496 43,1 177 136 40 Oktober 5.083 27,5 132 112 18 1.513 43,0 174 135 39 September 5.274 27,2 131 112 17 1.589 42,8 175 137 38 August 5.256 27,2 131 112 18 1.634 42,1 176 135 39 Juli 5.040 27,5 133 113 18 1.593 41,5 173 134 38 Juni 4.971 27,2 131 112 17 1.575 42,1 173 135 37 Mai 5.035 27,2 132 114 17 1.620 42,2 175 139 36 April 4.913 26,8 132 113 17 1.588 41,8 178 142 36 März 4.913 27,7 135 116 17 1.695 42,8 180 144 35 Februar 4.948 28,2 137 118 18 1.685 43,6 183 145 37 Januar 5.025 28,1 136 117 17 1.709 43,8 178 141 37 2009 Dezember 5.025 27,9 134 116 17 1.698 42,7 175 141 34 November 4.789 28,3 135 116 17 1.581 42,6 173 138 35 Oktober 4.757 27,6 132 114 17 1.464 42,1 171 135 35 September 4.879 28,5 136 116 18 1.573 44,0 180 142 38 August 5.073 28,0 133 114 17 1.689 43,2 177 139 37 Juli 4.674 29,0 138 117 19 1.586 44,9 189 147 41 Juni 4.642 29,1 136 114 20 1.645 45,8 188 146 42 Mai 4.440 29,5 138 117 20 1.577 46,0 189 147 42 April 4.582 29,4 138 117 20 1.620 46,1 188 148 40 März 4.612 29,4 139 118 20 1.617 47,1 194 151 43 Februar 4.777 29,4 138 117 19 1.628 47,1 191 150 40 Januar 4.819 29,9 139 118 19 1.656 47,3 192 152 40 2008 Dezember 4.992 29,7 138 117 20 1.713 46,9 189 150 39 November 5.113 29,6 137 118 18 1.758 45,9 187 149 38 Oktober 5.169 29,1 136 117 18 1.772 44,8 185 147 38 September 5.431 29,0 135 115 18 2.006 44,5 182 144 38 August 5.146 29,3 135 115 18 1.960 44,8 180 142 38 Juli 4.799 29,6 136 115 19 1.821 46,3 185 144 41 Juni 4.542 30,7 139 118 20 1.787 47,0 187 147 40 Mai 4.677 30,9 141 121 19 1.863 46,6 187 149 38 April 4.749 31,7 145 123 20 1.876 47,5 191 152 39 März 5.010 32,9 151 129 21 1.982 49,0 198 158 39 Februar 4.876 32,9 152 129 20 1.863 49,8 201 160 40 Januar 4.837 32,7 150 127 20 1.871 49,2 200 159 40 1) Anteil der Kürzung durch die aktuell wirksamen Sanktionen einer Person an dem laufenden Leistungsanspruch, den die Person ohne Sanktionierung gehabt hätte © Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Zeitreihe zu Sanktionen nach Ländern Januar 2007 bis September 2014 Frage 9: Welche Auffassung vertritt die Landesregierung im Hinblick auf die Auswirkung des Mindestlohns von 8,50 € auf Hartz-IV-Empfänger und weitere Entwicklung von Armut? zu Frage 9: Die Landesregierung begrüßt die mit dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vorgenommene Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € je Zeitstunde zum 01.01.2015 ausdrücklich . Wie in der Antwort zu Frage 5 dargestellt, haben ca. 355.000 Beschäftigte in Brandenburg vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weniger als 8,50 € erhalten. Dies betrifft unter Umständen auch d ie im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende in abhängiger Beschäftigung erwerbstätigen leistungsberechtigten Personen. Nach der aktuellsten Statistik der Bundesagentur für Arbeit (erwerbstätige Arbeitslosengeld II-Bezieher, August 2014) waren im Mai 2014 von den 185.895 erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen in Brandenburg 61.753 erwerbstätig, davon 56.420 in abhängiger Beschäftigung . Mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wird für einen nicht unerheblichen Teil der Beschäftigten in Brandenburg, auch derer, die auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen sind, die Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Einkommenssituation eröffnet. Wie konkret sich die Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die Einkommenssituation der Beschäftigten und ihrer Familien in Brandenburg, auch derer, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, gestalten werden, kann allerdings mit Verweis auf die noch kurze Geltungsdauer des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns noch nicht abschließend eingeschätzt werden.