Datum des Eingangs: 13.02.2015 / Ausgegeben: 18.02.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/630 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 190 der Abgeordneten Diana Bader Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/441 Weiterentwicklung der Frauenhausarbeit in Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 190 vom 19.01.2015: Weiterentwicklung der Frauenhausarbeit in Brandenburg Am 25. November 2014, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“, haben Landtag und Landesregierung mit dem Hissen der Flagge „Frei leben – ohne Gewalt“ gemeinsam ein öffentliches Zeichen gesetzt. Im März dieses Jahres kann das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. - ein Zusammenschluss von Frauenhäusern und Frauennotwohnungen im Land Brandenburg - auf 20 Jahre Frauenhausarbeit zurückblicken. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung die personelle und finanzielle Situation der Brandenburger Frauenhäuser ein? 2. Wie viele Frauen und Kinder haben 2013 und 2014 Zuflucht und Beratung in Frauenhäusern und Notwohnungen gesucht? 3. Nach welchen Kriterien wird der Bedarf an Frauenhausplätzen festgestellt? 4. Wie viele Plätze in Frauenhäusern bzw. Frauennotwohnungen sind bereits barrierefrei? 5. Gibt es Sanierungs- bzw. Erweiterungsbedarf auch mit Blick auf Barrierefreiheit? 6. Sind im Haushalt 2015/16 Erhöhungen der Landesmittel zur Förderung der Frauenhäuser angemeldet worden? 7. Ist eine Erhöhung des Landesanteils für tarifliche Anpassungen der Entlohnung der Beschäftigten bei freien Trägern geplant? 8. Gibt es spezielle Fachkräfte, die mit den von häuslicher Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen arbeiten? 9. In welchem Zeitraum erfolgt eine Fortschreibung des Aktionsplanes 2011 bis 2014 der Landes- regierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Im Land Brandenburg besteht ein flächendeckendes Netz von Schutzeinrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder. Dazu zählen zum einen Frauenhäuser, zum anderen Beratungsstellen für Frauen mit angeschlossenen Zufluchtswohnungen und spezielle Beratungsstellen. Ambulante Beratung und stationäre Aufenthalte in Zufluchtsstätten sind somit ganz überwiegend miteinander verbunden . Das Land Brandenburg fördert Zufluchts- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder, wenn die entsprechenden Fördervoraussetzungen vorliegen. Frage 1: Wie schätzt die Landesregierung die personelle und finanzielle Situation der Brandenburger Frauenhäuser ein? zu Frage 1: Gemäß den internen Fördergrundsätzen des damaligen Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie (MASF) für die Gewährung von Zuwendungen an die Landkreise und kreisfreien Städte für Zufluchts - und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder (Kapitel 07 080 Titel 633 65 „Zuweisungen an Landkreise und kreisfreie Städte“) vom 26. August 2014 ist die Förderung von Zufluchts- und Beratungsangeboten abhängig davon, dass die Erstempfänger – die Landkreise und kreisfreien Städte – Mindeststandards bei der personellen Ausstattung der Angebote erfüllen. Das Zufluchts - oder Beratungsangebot muss mindestens eine Mitarbeiterin beschäftigen, die die staatliche Anerkennung als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin besitzt oder über gleichwertige Voraussetzungen oder einschlägige Berufserfahrung verfügt. Insgesamt soll jeder Erstempfänger für seine Zufluchts- und Beratungsangebote Mitarbeiterinnen im Umfang von mindestens zwei Vollzeitstellen beschäftigen. Das Land Brandenburg fördert im Rahmen der Festbetragsfinanzierung bis zu 80 v. H. der Personalkosten für eine Mitarbeiterin in einem Zufluchts- und Beratungsangebot eines Landkreises/einer kreisfreien Stadt. Dabei ist Bemessungsgrundlage für die Förderung der Personalkosten der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder für das Tarifgebiet Ost (TV-L). Als Obergrenze für die Förderung von Personalausgaben für die Mitarbeiterinnen gilt die vom Ministerium der Finanzen festgelegte Höhe der Personaldurchschnittskosten für Tarifbeschäftigte vom 01.01.2014 der Entgeltgruppe E 9. Sachkosten der Zufluchts- und Beratungsangebote können in einer Höhe von bis zu 20 v. H. der bewilligten Personalausgaben gefördert werden. Daneben finanziert das Land Brandenburg alle Sachkosten des Zufluchts - und Beratungsangebots, die zum Betrieb der Angebote notwendig und der Höhe nach angemessen sind, wie bspw. Miet- und Mietnebenkosten, Instandhaltungskosten, Kosten für gesetzliche Pflichtversicherungen, Büro- und Verbrauchsmaterial, Reisekosten und Fortbildungskosten. Der Förderhöchstbetrag beträgt je Landkreis oder kreisfreier Stadt maximal 50.000 Euro pro Jahr. Die Förderung von Personal- und Sachausgaben von Zufluchts- und Beratungsangeboten erfolgt unter der Voraussetzung, dass die Landkreise und kreisfreien Städte die erforderliche Gesamtfinanzierung der Zufluchts- und Beratungsangebote sicherstellen, wobei der Eigenanteil der Erstempfänger an den zuwendungsfähigen Gesamtausgaben mindestens 40 v. H. betragen soll. Zum Eigenanteil des Erstempfängers gehören auch Finanzierungsanteile von (kreisangehörigen) Kommunen. Als dritte Säule der Finanzierung der Zufluchts- und Beratungsangebote dienen Mietzahlungen der betroffenen Frauen, Kosten der Unterkunft im Sinne des SGB II, SGB XII und AsylbLG im Sinne einer Tagessatzfinanzierung sowie Spenden und Sponsoringleistungen. Im Land Brandenburg erfolgt somit die Finanzierung der Frauenhäuser und anderen Zufluchtsangebote im Wege einer Mischfinanzierung ebenso wie in den meisten der übrigen Bundesländer auch. Die Landesregierung sieht sich in der Verantwortung, für ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Netz an Zufluchts- und Beratungsangeboten mit zu sorgen. Der Landesanteil an der Förderung der Zufluchts- und Beratungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und Kinder ist seit elf Jahren konstant geblieben. Die Entscheidung, wieviel Personal insgesamt in einer Einrichtung erforderlich ist und wie hoch die Finanzausstattung eines Zufluchtsangebots aussehen muss, liegt im Rahmen der Daseinsvorsorge in kommunaler Gesamtverantwortung. Frage 2: Wie viele Frauen und Kinder haben 2013 und 2014 Zuflucht und Beratung in Frauenhäusern und Notwohnungen gesucht? zu Frage 2: Im Jahr 2013 haben insgesamt 603 Frauen und 531 Kinder Zuflucht in einem Frauenhaus/einer Zufluchtswohnung gesucht. Zusätzlich wurden 2.700 Frauen sowie 215 Kinder und Jugendliche von den Frauenhausmitarbeiterinnen beraten. Für das Jahr 2014 liegen der Landesregierung noch keine Zahlen vor. Frage 3: Nach welchen Kriterien wird der Bedarf an Frauenhausplätzen festgestellt? zu Frage 3: Eindeutige Einzelkriterien zur Feststellung des Bedarfs an Frauenhausplätzen gibt es nicht, wie auch schon im Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, der Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder (BT-Drs. 17/10500) vom 16.08.2012 festgestellt wurde. Im Jahr 2003 fand im Land Brandenburg eine grundlegende Überprüfung der Bedarfe an Plätzen an Frauenhäusern und Zufluchtsangeboten statt. Der Bedarf an stationären Plätzen wird von den Trägern der Frauenhäuser/Zufluchtswohnungen gemeinsam mit den Landkreisen und kreisfreien Städten in Abstimmung mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) festgelegt . Die Inanspruchnahme der stationären Plätze in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen in den letzten zehn Jahren zeigt, dass deren Anzahl im Land Brandenburg ausreichend ist. Platzmangel war in den Jahren im Land Brandenburg kein Grund dafür, Frauen nicht in ein Frauenhaus aufzunehmen. Die tatsächliche Inanspruchnahme ist allerdings nur ein Kriterium für die Feststellung von Bedarfen. Auch auf internationaler Ebene gibt es keine eindeutigen Kriterien für eine geeignete personelle Ausstattung von Frauenhäusern. In Art. 23 der „Convention on preventing and combating violence against women and domestic violence“ des Europarates (Convention CETS No. 210) haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, geeignete, leicht zugängliche Schutzunterkünfte in ausreichender Zahl einzurichten. Im Abschlussbericht einer dazu eingerichteten Task force des Europarates wurde empfohlen, Frauenhausplätze in einer Größenordnung von 1 : 7.500 bzw. 1 : 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern einzurichten (vgl. Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, der Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder, S. 256). Das bedeutet, dass bei Frauenhausplätzen in einem Verhältnis von einem Platz für eine Frau und ihre Kinder auf 7.500 bzw. 10.000 Einwohnern/-innen auszugehen ist. Diese Anforderungen sind im Land Brandenburg erfüllt. Hier kommen 2,22 Frauenhausplätze auf 10.000 Frauen (so der Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, der Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder, S. 47). Zusätzlich sind auch regionale Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Frage 4: Wie viele Plätze in Frauenhäusern bzw. Frauennotwohnungen sind bereits barrierefrei? zu Frage 4: Rollstuhlgerechte Plätze gibt es in den Frauenhäusern in Potsdam und Cottbus, demnächst auch in Brandenburg (Havel). Dabei handelt es sich um größere Frauenhäuser im Land Brandenburg. Frage 5: Gibt es Sanierungs- bzw. Erweiterungsbedarf auch mit Blick auf Barrierefreiheit? zu Frage 5: Nach einem Beschluss der 22. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und –minister, - senatorinnen und –senatoren der Länder (GFMK) vom 14./15.06.2012 sind barrierefreie, bedarfsgerechte Zugänge zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Frauen und Mädchen mit Behinderung herzustellen und behindertengerechte Nutzung der Angebote zu gewährleisten. Dazu gehören neben baulichen Voraussetzungen auch Informationsmaterial oder Websites in einfacher Sprache. Gemäß den internen Fördergrundsätzen des damaligen MASF für die Gewährung von Zuwendungen an die Landkreise und kreisfreien Städte für Zufluchts- und Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder vom 26. August 2014 haben die Landkreise und kreisfreien Städte als Erstempfänger der Landesförderung darauf hinzuwirken, dass die geförderten Zufluchts- und Beratungsangebote für Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen zugänglich sind. Mit dem Förderantrag für das Jahr 2015 waren die Maßnahmen darzustellen, mit denen Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen der Zugang zu den geförderten Angeboten ermöglicht wird. Eine Verpflichtung zu einem sofortigen barrierefreien Umbau der Frauenhäuser bzw. Zufluchtswohnungen war damit nicht verbunden, was angesichts der Tatsache, dass Investitionsmittel in den Kommunen nicht immer vorhanden sind oder die Häuser unter Denkmalschutz stehen, auch nicht ganz leicht umzusetzen wäre. Für 2015 plant der Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V., einen Förderantrag an das MASGF zu stellen, mit dem ein Projekt zur Erstellung von Informationsmaterialien in leichter Sprache für alle Frauenhäuser im Land Brandenburg umgesetzt werden soll. Bei künftig anstehenden baulichen Sanierungen von Frauenhäusern/Zufluchtswohnungen soll die Frage der Barrierefreiheit besonders in den Fokus genommen werden. Frage: 6 Sind im Haushalt 2015/16 Erhöhungen der Landesmittel zur Förderung der Frauenhäuser angemeldet worden? zu Frage 6: Die Frage einer Mittelerhöhung bleibt dem noch laufenden Haushaltsaufstellungsverfahren vorbehalten, an dessen Ende der Beschluss des Landtages zum Landeshaushalt 2015/2016 steht. Frage 7: Ist eine Erhöhung des Landesanteils für tarifliche Anpassungen der Entlohnung der Beschäftigten bei freien Trägern geplant? zu Frage 7: Über die Entscheidung, tarifliche Anpassungen bei den Gehältern der Beschäftigten vorzunehmen, entscheiden die Träger der Frauenhäuser. Eine automatische Erhöhung des Landesanteils bei steigenden Tariflöhnen ist nicht vorgesehen. Frage 8: Gibt es spezielle Fachkräfte, die mit den von häuslicher Gewalt betroffenen Mädchen und Jungen arbeiten ? zu Frage 8: Alle Frauenhäuser halten – wenn auch in einem sehr unterschiedlichen Ausmaß – Angebote für Kinder und Jugendliche vor. Ob es eigenständige Unterstützungsangebote gibt, ist abhängig von Ressourcen der Frauenhäuser. Die Arbeit mit den Kindern wird in der Regel von den Mitarbeiterinnen im Frauenbereich mit geleistet. Ein Teil der Frauenhausmitarbeiterinnen verfügt zwar über die entsprechende Qualifikation für eine Arbeit mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen, sie haben aber keine zeitlichen Ressourcen für diese spezifische Arbeit mit den gewaltbetroffenen Kindern. Lediglich im Frauenhaus Potsdam gibt es eine eigenständige, entsprechend für die Arbeit mit Kindern qualifizierte Mitarbeiterin, die eigene Angebote für die von häuslicher Gewalt betroffenen Kinder und Jugendlichen zur Verarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen vorhält. Diese Angebote gehen deutlich über Kinderbetreuung und Freizeitaktivitäten hinaus. Für das Jahr 2015 beabsichtigt das MASGF, den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag aufzugreifen, die Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe zu stärken, und will über eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Frauenhäusern und der Kinder- und Jugendhilfe Gespräche mit dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport führen. Frage 9: In welchem Zeitraum erfolgt eine Fortschreibung des Aktionsplans 2011 bis 2014 der Landesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder? zu Frage 9: Im MASGF wird zurzeit der bisher geltende Aktionsplan der Landesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder 2011 bis 2014 (LAP) mit dem Begleitgremium zum LAP ausgewertet . Eine Fortschreibung des LAP ist im Rahmen der Weiterentwicklung des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms gegenwärtig für das Jahr 2016 vorgesehen.