Datum des Eingangs: 28.03.2017 / Ausgegeben: 03.04.2017 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/6301 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2498 der Abgeordneten Heide Schinowsky der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/6097 Eigentümerübergang der Braunkohle-Sparte von Vattenfall an die LEAG Holding a.s., EPH, PPF-I Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Es gibt für die Rekultivierung und Sanierung die gesetzliche Verpflichtung. Mehr muss man dazu nicht wissen. Wir werden natürlich darauf achten, dass diese Verpflichtung auch eingehalten wird“, erklärte Ministerpräsident Dietmar Woidke in der aktuellen Stunde zum Verkauf der Braunkohlesparte am 28.04.2016 gegenüber der Öffentlichkeit. Laut einer Akteneinsicht im Januar 2017 durch die Umweltorganisation Greenpeace im Ministerium für Wirtschaft und Energie (MWE) zum Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall gab es in den - mittlerweile in Teilen veröffentlichten Unterlagen - auch eine Verfügung des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) vom 21. November 2014. Darin heißt es unter anderem: „Im Hinblick auf die aus dem Bergwerkseigentum resultierenden Pflichten ist auch der Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit zu fordern. Eine Versagung der Genehmigung kann daher auch erfolgen, wenn der Erwerber des Bergwerkseigentums seine finanzielle Leistungsfähigkeit auch im Hinblick auf die Wiedergutmachung der Oberfläche, nicht nachweisen kann.“ [ … ] „Die Glaubhaftmachung der finanziellen Leistungsfähigkeit erfordert die Darlegung, in welchen Umfang Eigenmittel, Kredite oder Zuschüsse der öffentlichen Hand zur Verfügung stehen und dass die Mittel auch für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche zur Verfügung stehen (z.B. Vorlage von Bilanzen, Bankauskünften, Kreditzusagen etc.)“ Presseinformationen zufolge soll die Verfügung des LBGR keine Beachtung gefunden haben: „Das Brandenburger Wirtschaftsministerium hat eine Verfügung des eigenen Bergamtes ignoriert, mit der EPH gezwungen werden sollte, nachweislich Geld für die Rekultivierung zurückzulegen. Das Ministerium berufe sich stattdessen auf ein Gutachten, erstellt vom Bundesverband Braunkohle. Verfasser sei ausgerechnet jene Wirtschaftskanzlei, die Vattenfall beim Verkauf seiner Braunkohle- Sparte beraten habe. Sie hätte sich demnach selbst ein korrektes Tun bescheinigt.“ (vgl. SäZ. 08.02.2017 http://www.sz-online.de/nachrichten/verbrannte-kohle- 3607647.html) In einer Stellungnahme zu den Vorwürfen von Greenpeace vom 18.01.2017 beruft sich das MWE auf ein aktuelles Rechtsgutachten vom Januar 2017. Siehe: http://www.mwe.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.476072.de Zur Vorbereitung auf das siebenten Treffen zwischen den Länder Brandenburg und Sachsen mit Vattenfall zum Verkauf der Braunkohlesparte am 17.02.2016, heißt es in einem Papier vom MWE: „VEM hat lt. Informationen des LBGR aktuell bergbaubedingte Rückstellungen von ca. 1,2 Mrd. € gebildet. Mit Inanspruchnahme der Erweiterungstagebaue werden für die Rekultivierung ca. 3 Mrd. € benötigt. Die „fehlenden“ 1,8 Mrd. € sollen gem. der bisherigen Planungen bis zum Abschluss Welzow II (ca. 2042) verdient werden. Eine belastbare Größe für das zum Verkauf angebotene, sogenannte Basisszenario wurde von Vattenfall bisher nicht genannt. Es ist jedoch davon auszugehen das auch ohne Welzow II Rekultivierungskosten in der Größenordnung von 3 Mrd. € anfallen werden“. In dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluss der Lausitz Energie Bergbau AG (vormals: Vattenfall Europe Mining AG) wurde im Jahresabschluss der ersten Jahreshälfte 2016 bergbaubedingten Rückstellungen des Bergbaubetreibers in Höhe von 1.482,5 Mio. Euro ausgewiesen .Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) verweist in seinem Wochenbericht 6/7 2017 darauf, dass Unternehmen die finanziell nicht in der Lage sind ausreichende Rückstellungen zu bilden, die Mutterunternehmen für die später anfallenden Kosten der Rekultivierung aufkommen müssen, solange Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge bestehen. Unter Umständen könnten sich Mutterunternehmen durch vorherige Kündigung dieser Verträge oder durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen jedoch der Verantwortung für die Folgekosten entziehen. Das DIW warnt davor, dass auch aufgrund der Vielzahl von Zwischenfirmen unklar ist, inwiefern die EPH (in-)direkt bei einer möglichen Insolvenz der Tochter firmen MIBRAG oder LEAG zur Finanzierung der Verbindlichkeiten herangezogen werden könnten. Mit dem Verkauf der Braunkohlesparte sind Barmittel in Höhe von 1,7 Milliarden Euro an die neuen Eigentümer geflossen. Damit sollte die Finanzierung der Verpflichtungen des verkauften Unternehmens gesichert sein, dass nach der Stilllegung der Tagebaue für die Kosten der Renaturierung aufkommen muss. Außerdem wurde vereinbart, dass zwei Jahre nach der Übernahme kein Geld aus dem Unternehmen abfließen darf und weitere zwei Jahre nur der Ertrag aus dem operativen Geschäft. Vorbemerkungen der Landesregierung: In der Kleinen Anfrage werden neben Zuständigkeiten der Landesregierung auch Sachverhalte angesprochen, die ausschließlich in der Verantwortung der beteiligten Unternehmen liegen und für die die Landesregierung entsprechend nicht originär zuständig ist. Zu Sachverhalten in der Verantwortung der beteiligten Unternehmen kann die Landesregierung nur Auskunft geben, sofern ihr Informationen mittelbar bekannt geworden sind und diese keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse darstellen. Frage 1: Ist der Übergang von der Vattenfall Europe Mining AG auf die LEAG eine deklaratorische Änderung im Handelsregister oder hat der Bergbauunternehmer gewechselt , im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung von Bergwerkseigentum ? zu Frage 1: Mit dem Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall an EPH/PPF war keine rechtsgeschäftliche Veräußerung von Bergwerkseigentum verbunden, sondern es sind die Anteile an den Braunkohlegesellschaften Vattenfall Europe Mining AG und Vattenfall Europe Generation AG von Vattenfall auf EPH/PPF übergegangen. Den aktuellen Handelsregisterauszug hat die Landesregierung bereits mit Drucksache 6/5780 (Antwort auf die Kleine Anfrage 2323, Frage 2) wiedergegeben. Frage 2: Das MWE hat vor dem Verkauf verschiedene Gespräche mit Verkäufer und Käufer geführt. Haben die genannten Vereinbarungen zum Abfluss von Geldern aus den Unternehmen der LEAG in diesen Gesprächen eine Rolle gespielt? Frage 3: Hat das MWE darauf gedrungen, dass das zum Verkauf stehende Unternehmen mit ausreichend Kapital ausgestattet wird und Ausschüttungen an die neuen Gesellschafter begrenzt werden? Falls ja: Warum? Was hätte nach Einschätzung des MWE ohne derartige Vereinbarungen gedroht? Falls nicht: Wie bewertet das MWE das Verhalten der EPH als Gesellschafterin der Mibrag, die in den Jahren nach der Übernahme die operativen Gewinne sowie die Hälfte der Rücklagen aus dem Unternehmen gezogen hat - insgesamt mehr als 400 Millionen Euro? War das kein Anlass, eine vergleichbare Ausschüttungsstrategie der EPH als Gesellschafterin des inzwischen als LEAG firmierenden Unternehmens zu verhindern? zu den Fragen 2 und 3: Das MWE hat stets das Interesse des Landes an einem wirtschaftlich potenten und im Braunkohlegeschäft erfahrenen Käufer herausgestellt, welcher Beschäftigung und Wertschöpfung für die Lausitz sichert, die tarifvertraglichen Verpflichtungen übernimmt und Partner für eine erfolgreiche Strukturentwicklung der Lausitz ist. Auf konkrete Verkaufsmodalitäten konnte das MWE keinen Einfluss nehmen, da es nicht am Verkaufsprozess beteiligt war und dieser der Vertraulichkeit der Verhandlungspartner unterlag (vgl. Vorbemerkung der Landesregierung). Insofern ist auch das Verhalten der EPH als Gesellschafterin der MIBRAG kein Sachverhalt, den das MWE bewerten musste. Bezüglich des angeblichen Abzugs von mehr als 400 Mio. Euro ist jedoch der Antwort der Regierung des Landes Sachsen -Anhalt auf die Kleine Anfrage 7/332 zu entnehmen, dass die MIBRAG mitgeteilt hat, dass ein handelsrechtlich vorgeschriebener Schritt der Abzinsung für die Rekultivierungsrückstellungen der MIBRAG zu vollziehen war, sodass sich die Rückstellungen deutlich verringert haben (siehe http://padoka.landtag.sachsenanhalt .de/files/drs/wp7/drs/d0649gak.pdf). Frage 4: Wurde das MWE vor der Bekanntgabe des Verkaufs von den beteiligten Unternehmen im April 2016 über die Zahlung der Barmittel in Höhe von 1,7 Milliarden Euro und die Vereinbarung zur Einschränkung der Ausschüttung in den ersten Jahren nach der Übernahme informiert? zu Frage 4: Nein, das MWE wurde vor Bekanntgabe des Verkaufs am 18. April 2016 nicht über Verkaufsmodalitäten, die der Vertraulichkeit der Verhandlungspartner unterlagen , informiert. Frage 5: Wie ist nach Kenntnis des MWE sichergestellt, dass die Barmittel in Höhe von 1,7 Milliarden nach der Stilllegung der Tagebaue tatsächlich zur Renaturierung zur Verfügung stehen? Frage 6: Wie ist nach Kenntnis des MWE sichergestellt, dass die Barmittel bis dahin beim Bergbaubetreiber verbleiben und nicht schon vorher an die Gesellschafter fließen ? zu den Fragen 5 und 6: Nach Kenntnis des MWE wurden die Braunkohlegesellschaften im Zuge des Verkaufsprozesses durch Vattenfall AB finanziell so ausgestattet, dass sie alle Verpflichtungen eigenständig bedienen können. Eine Zweckbindung der Barmittel ist nach Kenntnis des MWE damit nicht verbunden. Außerdem sind nach Kenntnis des MWE mit dem Kaufvertrag Regelungen vereinbart worden, die für einen Zeitraum von fünf Jahren sicherstellen, dass die Finanzmittel bei den Braunkohleunternehmen verbleiben. Dass das Bergbauunternehmen auch nach diesem Zeitraum seinen Vorsorgeverpflichtungen zur Wiedernutzbarmachung der Tagebauflächen nachkommt, wird im Rahmen der künftig zu führenden bergrechtlichen Verfahren sichergestellt werden. Frage 7: Wer hat das Rechtsgutachten, auf das sich das MWE in seiner Stellungnahme vom 18.01.2017 bezieht, in Auftrag gegeben und wer ist der Verfasser des Gutachtens? Gibt es eine eigene juristische Bewertung des MWE oder eine vom MWE in Auftrag gegebenen Rechtsexpertise zur Frage der Rückstellungen? zu Frage 7: Das Rechtsgutachten „Zur erforderlichen Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung im Braunkohlenbergbau“ wurde im Auftrag des DEBRIV Bundesverband Braunkohle durch die Firma Freshfields Bruckhaus Deringer LLP verfasst. Eine eigene oder durch das MWE beauftragte juristische Bewertung zur Frage der Rückstellungen gibt es bisher nicht. Frage 8: Hat die Landesregierung die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erwerbers der Braunkohlesparte geprüft? Wenn ja, mit welchem Ergebnis. Wenn nein, warum nicht? zu Frage 8: Nein. Der Verkauf von Anteilen von einem Unternehmen an ein anderes Unternehmen ist kein Vorgang, der mit einer Prüfpflicht durch das Land einhergeht. Frage 9: Gibt es eine unabhängige Prüfung zur Frage der Sicherheit und der Höhe der Rückstellungen vom Landesrechnungshof Brandenburg (analog zu den gerade stattfindenden Prüfungen vom Sächsischen Rechnungshof) für die einzelnen Tagebaue in Brandenburg? Wenn Nein, bitte mit Begründung warum nicht. Wenn Ja, wann ist mit Ergebnissen zu rechnen? zu Frage 9: Der Landesregierung ist eine derartige Überprüfung durch den Landesrechnungshof Brandenburg nicht bekannt. Die Gründe dafür entziehen sich der Kenntnis der Landesregierung, da der Landesrechnungshof als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle nur dem Gesetz unterworfen ist. Frage 10: Wie ist der Stand der Umsetzung des Anfang Juli 2016 von der Regierungskoalition angekündigten Gutachtens, ob die Kosten für Folgeschäden aus dem Braunkohleabbau bei der öffentlichen Hand hängenbleiben könnten? (vgl. rbb 05.07.16 „Studie soll Schlupflöcher für Kohle-Firmen aufspüren“) zu Frage 10: Die Vergabe eines Gutachtens über die Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche im Lausitzer Braunkohlebergbau durch das Land Brandenburg und den Freistaat Sachsen wird gegenwärtig vorbereitet. Frage 11: Auf Grundlage welcher Berechnungen, Gutachten oder wissenschaftlichen Untersuchungen werden vom Wirtschaftsministerium angegebenen Rekultivierungskosten in Höhe von 3 Mrd. Euro - in den Varianten mit dem neuen Tagebau Welzow Süd II oder ohne den neuen Tagebau Welzow II - prognostiziert? Wo können die Unterlagen eingesehen werden bzw. wo wurde das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht ? Frage 12: Auf Grundlage welcher Berechnungen, Gutachten oder wissenschaftlichen Untersuchungen kann die Landesregierung davon ausgehen, dass die fehlenden Milliarden Euro für die Rekultivierung mit der Braunkohleverstromung noch erwirtschaftet werden? Wo können die Unterlagen eingesehen werden bzw. wo wurde das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? zu den Fragen 11 und 12: Bei dem genannten Wert handelt es sich um eine äußerst grobe Schätzung der summarischen Kosten für die Wiedernutzbarmachung im Lausitzer Braunkohlerevier. Eine wissenschaftlich fundierte Konkretisierung erwartet die Landesregierung von dem vorgesehenen Gutachten (vgl. Antwort zu Frage 10). Frage 13: Bestehen zwischen den Bergbauunternehmen LEAG und dem Mutterunternehmen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge um im Falle einer Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz der Tochter die Rekultivierung sichergestellt ist? (Hinweis: Die Fragen 10 bis 13 wurden in der parlamentarische Anfrage Drucksache 6/5780 durch die Landesregierung nur unzulänglich mit dem Hinweis beantwortet, dass es keine Anhaltspunkte für die Nichterfüllung gesetzlichen Verpflichtungen gibt. Die Fragen bezogen sich jedoch nicht darauf, ob die Landesregierung „Anhaltspunkte “ sieht. Daher werden die Fragen erneut gestellt mit der Bitte um eine möglichst konkrete Antwort) zu Frage 13: Zu der Frage, ob zwischen der LEAG und ihrem Mutterunternehmen Gewinnabführungsverträge bestehen, liegen der Landesregierung gegenwärtig keine Kenntnisse vor. Der Sachverhalt wird erst im Rahmen künftiger bergrechtlicher Verfahren näher zu betrachten sein. Frage 14: Ist sichergestellt und wenn ja wie, dass die Eigentümer im Falle einer Insolvenz der „Lausitz Energie Bergbau AG“ oder „Lausitz Energie Kraftwerke AG“ zur Finanzierung möglicher Verbindlichkeiten herangezogen werden können? Frage 15: Gibt es eine sogenannte „Patronatserklärung“ von EPH, PPF-i oder Prager „LEAG Holding a. s.“ im Falle einer Insolvenz der „Lausitz Energie Bergbau AG“ oder der „Lausitz Energie Kraftwerke AG“? Frage 16: Wenn nicht, wird die Landesregierung von den Eigentümern der Lausitzer Bergbauunternehmen eine normierte schuldrechtliche Erklärung im Gesellschaftsrecht verlangen? (Dadurch soll ein Unternehmen oder eine kommunale Gebietskörperschaft („Patron“) versichern, dass eine kreditnehmende Tochtergesellschaft ihre Verpflichtungen erfüllt. Frage 17: Wenn auf eine sogenannte „Patronatserklärung“ gänzlich verzichtet werden soll, warum wird diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen? zu den Fragen 14 bis 17: Eine Patronatserklärung liegt nicht vor. Mögliche Vorkehrungen gegen ein Insolvenzrisiko und die Frage der Leistung einer Sicherheit gem. § 56 Abs. 2 Bundesberggesetz (u.a. durch Abgabe einer Patronatserklärung) sind im Rahmen künftig zu führender bergrechtlicher Verfahren zu klären. Eine Grundlage dafür soll das vorgesehene Gutachten (vgl. Antwort zu Frage 10) bilden.