Landtag Brandenburg Drucksache 6/6499 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.04.2017 / Ausgegeben: 02.05.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2589 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/6325 Kieskuhle Luggendorf - Naturverträgliche Nachnutzung oder Bauschuttdeponie Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Am unmittelbaren Ortsrand von Luggendorf/Prignitz befindet sich die seit 2013 stillgelegte Kieskuhle Luggendorf. Der frühere Betreiber musste sich wegen illegaler Müllentsorgung vor Gericht verantworten. Mittlerweile hat sich dort eine, für karge Böden typische Fauna und Flora etabliert. Bürger vor Ort engagieren sich, um naturverträgliche Nachnutzungskonzepte für die ehemaligen Kieskuhle zu entwickeln. Die Firma PS Kieswerke GmbH beabsichtigt nun, dort eine Bauschuttdeponie (Klasse I) einzurichten. Fraglich ist, ob dies der geeignete Standort ist und ob andere Nachnutzungskonzepte nicht geeigneter wären. I. Sanierung der ehemaligen illegalen Müllablagerungen Frage 1: In die Kieskuhle Luggendorf wurde zwischen 2007 und 2011 ca. 40.000 Tsd Tonnen Müll illegal deponiert. Wurde die Kieskuhle anschließend nach Bundesbodenschutzund Altlastenverordnung vollständig saniert? Falls ja, liegt hierfür ein Prüfbericht seitens des Bergbauamtes vor und wo kann dieser eingesehen werden? zu Frage 1: Von den insgesamt 11.500 m³ Abfällen, die illegal in den Kiessandtagebau Luggendorf verbracht wurden, entsorgte die Firma PS Kieswerke GmbH 200 m³ Asbest und 190 m³ Baumischabfall. Nachweise dazu liegen dem Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) vor. Darüber hinaus verbrachter Bauschutt, Boden und Holz konnten, da keine Gefährdung der Schutzgüter zu erwarten ist, gemäß einer dem LBGR vorliegenden Gefährdungsabschätzung verbleiben. Frage 2: Liegen Prüfprotokolle des Grundwassers in Luggendorf vor, welche den derzeitigen Status Quo des Grundwassers feststellen? Falls nein, weshalb wurden diese nicht erstellt, falls ja, wo sind diese einsehbar? zu Frage 2: Dem LBGR liegen die Ergebnisse des regelmäßigen Grundwassermonitorings vor. Das Grundwasser ist nicht beeinträchtigt. Frage 3: In Luggendorf wurden von Januar bis März 2017 umfangreiche Erdarbeiten vorgenommen , nach Angaben des Landesbergbauamtes geschah dies im Rahmen des Ab- Landtag Brandenburg Drucksache 6/6499 - 2 - schlussprotokolls der Sanierung. a. Welche Fristen gelten für die Erstellung eines solchen Abschlussprotokolls? b. Wie bewertet die Landesregierung die mit den Erdarbeiten einhergehende Zerstörung der Flora und Fauna, die sich in den vergangenen Jahren in der ehemaligen Kiesgrube entwickelte? c. Ist die Durchführung solcher Erdarbeiten unmittelbar vor einer Umweltverträglichkeitsprüfung zulässig bzw. darf eine Umweltverträglichkeitsprüfung unmittelbar nach solchen Arbeiten vorgenommen werden? zu Frage 3a: Der Bergbauunternehmer besitzt für diesen Tagebau einen gültigen Abschlussbetriebsplan (ABP). Der ABP umfasst die Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung gemäß §§ 51 ff. Bundesbergesetz (BBergG). Nach Durchführung aller Maßnahmen ist als Nachweis der Realisierung des ABP eine Abschlussdokumentation durch den Unternehmer einzureichen. Das LBGR achtet auf zeitnahe Vorlage. Eine konkrete Frist dafür gibt es nicht. zu Frage 3b: Die Herstellung standsicherer Böschungen nach den bergrechtlichen Vorgaben ist zur Gefahrenabwehr und zum Schutz Dritter als vorrangig zu betrachten. Entsprechend der Nebenbestimmung 1 der ABP-Zulassung waren die Arbeiten zur Böschungsgestaltung und zum Abtrag der randlichen Verwallung im Zeitraum von Mitte September bis Mitte März durchzuführen. Die durchgeführten Arbeiten entsprechen den bergrechtlichen Vorgaben mit dem Ziel der Beendigung der Bergaufsicht. Vor Durchführung der Arbeiten erfolgten Begehungen der Brut- und Fortpflanzungsstätten geschützter Tierarten. Für die vorgesehenen Arbeiten ergaben sich keine Einschränkungen. zu Frage 3c: Erforderliche bergbauliche Arbeiten sind unabhängig von einer für die Nachnutzung eventuell durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung auszuführen. II. Auswahl des Standortes Frage 4: Nach welchen Kriterien werden Standorte für Bauschuttdeponien im Allgemeinen, nach welchen Kriterien wurde die Deponie in Luggendorf im Speziellen ausgewählt? zu Frage 4: Die Auswahl des Standortes einer Deponie erfolgt durch den Vorhabenträger. Soweit es sich um einen Vorhabenträger handelt, der sich ggf. erst durch Enteignungsverfahren in den Besitz der benötigten Deponiegrundstücke bringen muss, ist ein Standortauswahlverfahren mit Standortvergleich durchzuführen. Dies ist erforderlich, um die Planrechtfertigung der Errichtung der Deponie und der damit notwendigerweise verbundenen Eingriffe, insbesondere in das Eigentum Dritter, am ausgewählten Standort nachzuweisen. Für die Durchführung eines solchen Verfahrens gibt es keine rechtlich bindenden Vorschriften . Die Auswahl des Standortes für das Deponievorhaben am Standort Kiessandtagebau Luggendorf erfolgte durch den privaten Vorhabenträger nach unternehmensinternen Kriterien. Das vorgesehene Deponiegrundstück befindet sich in seinem Eigentum. Ob er eine Auswahl zwischen verschiedenen Standorten durchführte, ist der Landesregierung nicht bekannt. Dem Landesamt für Umwelt als der zuständigen Behörde liegt für das Vorhaben noch kein Antrag auf Planfeststellung vor. Die im abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren insbesondere nach den Maßstäben der Deponieverordnung durchzuführende Untersuchung des Standortes auf seine Eignung und Zulässigkeit ist mithin noch nicht erfolgt. Landtag Brandenburg Drucksache 6/6499 - 3 - Frage 5: Wird, bspw. im Rahmen eines Antragsverfahrens nach Bundesimmissionsschutzgesetz , ein Vergleich zwischen verschieden Standorten vorgenommen, um den besten Platz für eine Deponie der Klasse I zu ermitteln? zu Frage 5: Das Zulassungsverfahren für Deponien erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der Deponieverordnung. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Frage 6: Ist die Errichtung von Bauschuttdeponien in etablierten und artenreichen Biotopen wie seit Jahren stillgelegten Kieskuhlen nach Ansicht der Landesregierung im Einklang mit europäischem Recht? zu Frage 6: Die biologische Ausstattung (Fauna und Flora) sowie der naturschutzrechtliche Status des Standortes eines Deponievorhabens werden im Rahmen des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung untersucht. Eine Zulassung als Deponie erfolgt nur dann, wenn dem Vorhaben keine Vorgaben des europäischen sowie des nationalen Rechtes entgegenstehen. Frage 7: Sind der Landesregierung die Vorkommen der nach FFH-Richtlinie geschützten Arten (z.B. Knoblauchkröte, Kreuzkröte, Zauneidechse, Erdkröte, Weinbergschnecke, Teichmolch) im Vorfeld der gegenwärtigen Bodenarbeiten bekannt gewesen, bzw. wurden vor Ort entsprechende Überprüfungen vorgenommen? zu Frage 7: Der Tagebau Luggendorf liegt in keinem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH- Gebiet). Vor Durchführung der Arbeiten erfolgten Begehungen der Brut- und Fortpflanzungsstätten geschützter Tierarten gem. § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Dabei wurden nur Nester von Singvögeln festgestellt. Die Singvogelarten sind aufgrund der vorgesehenen Arbeitsbereiche, der Randlage von Brutstätten (hohe Bäume) und der vorgegebenen Bauzeitenregelung nicht betroffen. III. Immissionsbelastung durch zusätzlichen LKW-Verkehr Frage 8: Wie groß ist der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen einer Wohnbebauung und einer Deponie der Deponieklasse I? Wo ist dies geregelt und welche Ausnahmen sind hierbei möglich? zu Frage 8: Allgemeine Vorgaben für einen Mindestabstand einer Deponie zu einer Wohnbebauung bestehen nicht. Vielmehr sind Errichtung und Betrieb einer Deponie nur dann zulassungsfähig, wenn sie das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht beeinträchtigen. Diese Zulassungsvoraussetzung wird in dem abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren geprüft. Dabei werden auch die Auswirkungen der Emissionen der Deponie (bei Deponien der Klasse I insb. Lärm, Staub) auf die Immissionsorte (z.B. Wohnbebauungen) untersucht. Frage 9: Gibt es Festlegungen für das Einzugsgebiet einer solchen Deponie? Falls ja, wo ist dies geregelt und welchen Anfahrtenradius dürfen mit Deponiematerial beladene LWK haben? zu Frage 9: Die Festlegung von Einzugsgebieten für Deponien ist in § 21 Brandenburgi- Landtag Brandenburg Drucksache 6/6499 - 4 - sches Abfallgesetz geregelt. Danach kann die zuständige Behörde den Betreiber einer Abfallbeseitigungsanlage verpflichten, Abfälle nur aus einem von ihr festgelegten Einzugsbereich zum Zwecke der Entsorgung entgegenzunehmen. Der maximale Transportweg der abzulagernden Abfälle ergibt sich aus dem Einzugsbereich der Deponie. Übergeordnete Vorgaben über die maximale räumliche Ausdehnung des Einzugsbereiches einer Deponie gibt es nicht. Frage 10: Wie werden AnwohnerInnen, Kindergärten und Schulen vor den zusätzlichen Immissionen durch an- und abfahrende LKW geschützt? zu Frage 10: Die Frage ist im Einzelfall im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens zu klären. Die Notwendigkeit immissionsminimierender Maßnahmen wird im Rahmen des abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens geprüft. Gegebenenfalls werden solche Maßnahmen in den Beschluss zum Planfeststellungsverfahren aufgenommen (z.B. Sichtschutzpflanzungen , reduzierte Fahrgeschwindigkeiten, etc.). Frage 11: Welche Nachnutzungsmöglichkeiten für Kieskuhlen sind der Landesregierung bekannt (Beispiel Umgestaltung einer ehemaligen Kiesgrube in der Uckermark zu einem Lebensraum für die Europäische Sumpfschildkröte und weitere gefährdete Arten)? Welche Fördermöglichkeiten gibt es für die Nachnutzung? zu Frage 11: Die Nachnutzungsmöglichkeiten sind vielfältig. Häufig erfolgt eine forst- oder landwirtschaftliche Nutzung. Darüber hinaus werden ehemalige Kiessandtagebaue zu gewerblichen Zwecken, zum Betrieb von Deponien, für Photovoltaikanlagen, als Badegewässer oder Landschaftssee sowie zur Freizeitnutzung und als Tierpark genutzt. In Teilbereichen , aber auch in gesamten Tagebauen gibt es naturschutzfachliche Nachnutzungen mittels Sukzession oder Herstellung von Biotopen. Die Herstellung eines Lebensraumes für die Europäische Sumpfschildkröte war dabei ein besonderer Einzelfall, da zusätzlich zu der bereits erfüllten Verpflichtung des Bergbauunternehmers weitere Arbeiten auf der Grundlage von EU-Fördermitteln durchgeführt werden konnten.