Landtag Brandenburg Drucksache 6/6624 6. Wahlperiode Eingegangen: 12.05.2017 / Ausgegeben: 17.05.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2628 des Abgeordneten Peter Vida (BVB/FREIE WÄHLER Gruppe) Drucksache 6/6430 Windparks am Naturpark Schlaubetal im Konflikt mit Artenschutz, Tourismus und Anwohnern Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Der Naturpark Schlaubetal lockt jährlich hunderttausende Besucher an, was die Grundlage eines sich entwickelnden Tourismus- und Gastgewerbes in der Region ist. Attraktion für die Wanderer ist die landschaftliche Schönheit der Wälder, Feuchtwiesen und Seen sowie der Artenreichtum des Gebietes. Insbesondere Seeadler, Fischadler und Schwarzstorche leben dort - geschützte Vogelarten, die durch Windkraftanlagen besonders gefährdet sind. Dennoch wurden in unmittelbarer Umgebung die Windeignungsgebiete 50 und 61 ausgewiesen, letzteres grenzt sogar direkt an das Naturschutzgebiet Oberes Demnitztal und den Naturpark. Nun sollen in beiden Windeignungsgebieten nach Zeitungsberichten jeweils bis zu 20 Windkraftanlagen von 235 Metern Höhe entstehen . Anwohner, Gewerbetreibende und Artenschützer protestieren gegen diese Entscheidung . Denn diese Anlagen gefährden nicht nur die Artenvielfalt im Naturpark, sondern auch den aufkeimenden Tourismus und die Lebensqualität in den umliegenden Dörfern Mixdorf, Grunow, Schneeberg und Merz. Bürger haben sich mit zahlreichen Fragen an uns gerichtet. Vorbemerkungen der Landesregierung: Für die Region Oderland-Spree liegt ein rechtswirksamer Regionalplan aus dem Jahre 2004 vor, der Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festlegt (siehe KA 1153, Drs. 6/2870, Antwort zu den Fragen 1 und 2). Außerhalb dieser Gebiete ist die Genehmigung von Windenergieanlagen ausgeschlossen. Derzeit wird der Regionalplan überarbeitet. Das schließt nach den gesetzlichen Bestimmungen eine Umweltprüfung ein (siehe KA 470, Drs. 6/1451, Antwort zu den Fragen 24 und 25; KA 961, Drs. 6/2429, Antworten zu den Fragen 6 bis 8). Die Regionalversammlung hat am 30.01.2017 den dritten Entwurf für den neuen Regionalplan mit den angesprochenen Windeignungsgebieten 50 und 61 gebilligt. Gegenwärtig liegt der Entwurf einschließlich Umweltbericht öffentlich aus. Landtag Brandenburg Drucksache 6/6624 - 2 - Frage 1: Das Windeignungsgebiet 61 grenzt direkt an das seit über 35 Jahren bestehende und über 87 Hektar große Naturschutzgebiet Oberes Demnitztal, das auch FFH-Gebiet und Vogelschutzgebiet ist. Welchen Mindestabstand muss in Brandenburg ein Windeignungsgebiet zu einem Naturschutzgebiet einhalten? zu Frage 1: In Brandenburg gibt es keine Mindestabstände zu Naturschutzgebieten. Frage 2: Welche Tierarten mit Tierökologischen Abstandskriterien leben oder rasten regelmäßig im Naturschutzgebiet Oberes Demnitztal? Bitte Arten einzeln aufschlüsseln und die jeweiligen Abstandskriterien aufführen! zu Frage 2: Im Naturschutzgebiet „Oberes Demnitztal“ ist ein Kranich-Brutvorkommen bekannt . Der Schutzbereich beträgt 500 m. Frage 3: Das Windeignungsgebiet 61 grenzt direkt an den seit über 20 Jahren bestehenden und über 227 km² großen Naturpark Schlaubetal an. Welchen Mindestabstand muss in Brandenburg ein Windeignungsgebiet zu einem Naturpark einhalten? Zu Frage 3: In Brandenburg gibt es keine Mindestabstände zu Naturparken. Frage 4: Welche Tierarten mit Tierökologischen Abstandskriterien leben oder rasten regelmäßig im Naturpark Schlaubetal? Bitte Arten einzeln aufschlüsseln und die jeweiligen Abstandskriterien aufführen! Zu Frage 4: Im Naturpark Schlaubetal kommen folgende Brandenburg-TAK-relevante Vogelarten regelmäßig vor: Seeadler - 3 km Schutzbereich, 3 - 6 km Restriktionsbereich, Wanderfalke - 1 km Schutzbereich, Schwarzstorch - 3 km Schutzbereich, 3 - 6 km Restriktionsbereich, Fischadler - 1 km Schutzbereich, 1 - 4 km Restriktionsbereich, Rohrweihe - 0,5 km Schutzbereich, Weißstorch - 1 km Schutzbereich, 1 - 3 km Restriktionsbereich, Kranich - 0,5 km Schutzbereich, Rohrdommel - 1 km Schutzbereich, Zwergdommel - 1 km Schutzbereich, Graureiher - 1 km Schutzbereich. Im Naturpark kommen die Fledermausarten Großer Abendsegler, Kleinabendsegler, Zwergfledermaus und Rauhautfledermaus vor. Von diesen Arten sind Wochenstuben innerhalb des Naturparks nachgewiesen. Nach TAK beträgt der Schutzbereich um die Wochenstuben 1000 m und der Restriktionsbereich 3000 m. Frage 5: Wie schätzt die Landesregierung aufgrund der Antworten auf die Fragen 2 und 4 die Wahrscheinlichkeit ein, dass die Flächen der Windeignungsgebiete aufgrund nahegelegener geschützter Arten teilweise oder vollständig für Windkraftanlagen unzulässig sind? Frage 8: Zwischen Artenerhalt und Entwicklung des Landschaftstourismus im Naturpark Schlaubetal einerseits und dem direkt angrenzenden massenhaften Ausbau der Windkraft Landtag Brandenburg Drucksache 6/6624 - 3 - andererseits besteht ein offensichtlicher Konflikt. Welches der Ziele hat für die Landesregierung Priorität und wie wird diese Priorität in der Praxis umgesetzt? Zu den Fragen 5 und 8: Regelmäßig sind aufgrund der Prüfungen der regionalen Planungsgemeinschaften die Flächen der Windeignungsgebiete für Windenergieanlagen geeignet . Die Genehmigungsfähigkeit einzelner Anlagen nach dem Bundes- Immissionsschutzgesetz (BImSchG) kann erst im Genehmigungsverfahren geprüft werden . Bei der Windenergie handelt es sich nach dem Bundesrecht um eine privilegierte Nutzung im Außenbereich. Die Landesregierung hat die Regionalen Planungsgemeinschaften in der Energiestrategie 2030 damit beauftragt, in Regionalplänen in ausreichendem Umfang (ca. 2 % der Landesfläche) Gebiete für die Windenergienutzung (Windeignungsgebiete ) zu sichern. Das geschieht in einem transparenten, mehrstufigen Planungsprozess mit Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, der Kommunen und der Öffentlichkeit . Die Umweltbelange werden in diesem Verfahren geprüft und in einem gesonderten Bericht, dem Umweltbericht, dokumentiert (siehe KA 470, Drs. 6/1451, Antwort zu den Fragen 24 und 25; KA 961, Drs. 6/2429, Antwort zu den Fragen 6 bis 8). Die Regionalen Planungsgemeinschaften führen das Verfahren in eigener Verantwortung. Es obliegt der Regionalversammlung, am Ende über alle Einwendungen, die im Rahmen des Verfahrens vorgebracht werden und für die Regionalplanung relevant sind, zu entscheiden und miteinander kollidierende Belange gegen- und untereinander abzuwägen (siehe KA 961, Drs. 6/2429, Antwort zu den Fragen 4 und 5; KA 1583, Drs. 6/4019, Antwort zu den Fragen 1 bis 8). Frage 6: Welche Art und Anzahl Windkraftanlagen wurden für die Windeignungsgebiete 50 und 61 beantragt? Frage 7: Welchen Stand hat das Genehmigungsverfahren bzw. haben die Genehmigungsverfahren ? Zu den Fragen 6 und 7: Es liegen derzeit keine Anträge auf Genehmigung nach dem BImSchG vor. Frage 9: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat 2010 den Regionalplan Havelland -Fläming gekippt, unter anderem, weil die Mindestabstände zwischen den Windeignungsgebieten durch Zusammenfassen und Aufteilen willkürlich angewandt werden können (Az.: OVG 2 A 1.10, OVG 2 A 2.10, OVG 2 A 3.10, OVG 2 A 4.10 und OVG 2 A 5.10). Wie wird in den heutigen Regelungen mit diesem Sachverhalt Rechnung getragen, um Willkür zu vermeiden? Zu Frage 9: Bei der Aufstellung von Regionalplänen für die Windenergienutzung sind die Anforderungen aus der Rechtsprechung einzuhalten (siehe KA 1569, Drs. 6/4011, Antwort zu der Frage 3). Das wird bei der Genehmigung von Regionalplänen überprüft. Es steht den Regionalen Planungsgemeinschaften frei, einen Mindestabstand zwischen Windeignungsgebieten einzuplanen (wie zum Beispiel in der Region Havelland-Fläming) oder darauf zu verzichten (wie zum Beispiel in der Region Oderland-Spree).