Landtag Brandenburg Drucksache 6/6634 6. Wahlperiode Eingegangen: 15.05.2017 / Ausgegeben: 22.05.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2606 der Abgeordneten Kathrin Dannenberg (Fraktion DIE LINKE) und Isabelle Vandre (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/6361 Bundeswehr an Schulen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Seit Jahren kämpft die Bundeswehr mit einem massiven Rekrutierungsproblem. Daher versucht sie sich mit enormem werbemäßigen Aufwand zunehmend als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Teil dieser Kampagne ist eine gezielte und verstärkte Personalgewinnung unter Jugendlichen. Ein aus Erfahrung der Bundeswehr entscheidender erster Schritt hierzu sind die Vermittlung eines positiven Bildes des Soldatenberufs sowie die persönliche Kontaktaufnahme mit Schülerinnen und Schülern durch Vertreter der Streitkräfte. Vorbemerkung der Landesregierung: Die Lehrkräfte haben die Möglichkeit, Sachkundige, z. B. Jugendoffiziere der Bundeswehr, in den Unterricht einzuladen. Die entsprechenden Regelungen finden sich in den Verwaltungsvorschriften über die Organisation der Schulen in inneren und äußeren Schulangelegenheiten (VV-Schulbetrieb) Abschnitt 21. Insbesondere bei Einladungen von Vertreterinnen und Vertretern der Politik oder von Jugendoffizieren sind die einladenden Lehrkräfte dafür verantwortlich, mittels geeigneter Maßnahmen für die notwendige Ausgewogenheit zu sorgen und auf die Einhaltung des Werbeverbots zu achten. Ausschließlich einseitige Darstellungen politischer Positionen, dazu gehören auch sicherheitspolitische Positionen, sind nicht zulässig. Die Vermittlung unterschiedlicher Positionen und kontroverser Auffassungen ist Voraussetzung einer gelingenden politischen Bildungsarbeit in der Demokratie. Die Landesregierung hat hohes Vertrauen in ihre Lehrkräfte, dass sie, wo immer nötig, für die gebotene und notwendige Ausgewogenheit sorgen. Die Zahlen von in den Unterricht eingeladenen Sachkundigen werden vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport nicht erfasst. Die unten genannten Daten zu Veranstaltungen der Jugendoffiziere der Bundeswehr gehen auf eigene Zählungen der Jugendoffiziere zurück. Dabei handelt es sich um Zahlen zu Veranstaltungen mit Schülerinnen und Schülern, mit Lehrkräften sowie um Informationsveranstaltungen der Jugendoffiziere über ihre Angebote bzw. Koordinierungsgespräche der Jugendoffiziere mit den Lehrkräften an den Schulen. 1 http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/vv_schulbetrieb Landtag Brandenburg Drucksache 6/6634 - 2 - Frage 1: Wie viele Veranstaltungen mit Jugendoffizieren der Bundeswehr haben im Schuljahr 2014/15 und im Schuljahr 2015/16 an brandenburgischen Schulen stattgefunden (bitte nach Schulform und Schulamtsbezirk aufschlüsseln)? zu Frage 1: An brandenburgischen Schulen haben im Schuljahr 2014/2015 insgesamt 317 und im Schuljahr 2015/2016 insgesamt 300 Veranstaltungen mit Jugendoffizieren der Bundeswehr stattgefunden. Die Aufschlüsselung nach Schulformen und Schulamtsbezirken ergibt sich aus den Tabellen in der Anlage. Frage 2: Wie viele dieser Veranstaltungen fanden a) im Rahmen des Unterrichts und b) als außerunterrichtliche schulische Veranstaltung statt? zu Frage 2: Die Unterscheidung in Veranstaltungen im Rahmen des Unterrichts und in Veranstaltungen, die außerunterrichtlich stattfinden, ist nicht sachgerecht. Der Unterricht kann in der Schule und an außerschulischen Lernorten stattfinden. Die Verantwortung der einladenden oder organisierenden Lehrkraft ändert sich auch nicht dadurch, dass eine Veranstaltung mit Schülerinnen und Schülern im Schulgebäude oder an einem außerschulischen Lernort stattfindet. Die Veranstaltungen finden grundsätzlich im Rahmen des Faches Politische Bildung statt. Die weitaus größte Zahl der Veranstaltungen findet im Unterricht in der Schule statt. Außerhalb der Schule fanden 88 (Schuljahr 2014/2015) bzw. 60 (Schuljahr 2015/2016) Veranstaltungen statt. Dabei handelte es sich um ein- oder mehrtägige Seminarfahrten sowie um das Planspiel „Politik und Internationale Sicherheit“ (POL&IS). Frage 3: Wie viele Schülerinnen und Schüler wurden mit solchen Veranstaltungen (eingeschlossen Besuche von Militärstandorten und Präsentationen von Waffentechnik im öffentlichen Raum) erreicht? zu Frage 3: Nach Angaben der Bundeswehr wurden durch Veranstaltungen der Jugendoffiziere an bzw. mit Schulen des Landes Brandenburg 8.414 (Schuljahr 2014/2015) bzw. 7.621 (Schuljahr 2015/2016) Schülerinnen und Schüler erreicht. Die Zahlen beziehen sich auf die von Jugendoffizieren mit Schulen bzw. Lehrkräften vereinbarten und durchgeführten Veranstaltungen. An Veranstaltungen und Messen, die vorrangig der Personalwerbung dienen, nehmen Jugendoffiziere grundsätzlich nicht teil. Frage 4: Wie wird konkret bei diesen Veranstaltungen durch die zuständige Lehrkraft oder die Schule die Vorgabe der VV Schulbetrieb zur Vermeidung einseitiger Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler gewährleistet? zu Frage 4: Die Lehrkräfte haben die Verantwortung, für die gebotene und notwendige Ausgewogenheit gemäß VV Schulbetrieb zu sorgen. Hinter dem Begriff der „Ausgewogenheit “ steht der sogenannte „Beutelsbacher Konsens“, dessen Grundgedanken alle historische und politische Bildung in der Demokratie und damit auch die Lehrkräfte und die Jugendoffiziere der Bundeswehr verpflichtet sind. Der „Beutelsbacher Konsens“ ist das Ergebnis einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zusammen mit Politikdidaktikern unterschiedlicher parteipolitischer oder konfessioneller Herkunft im Herbst 1976 in Beutelsbach. Die Tagung widmete sich der Frage, wie angesichts der Erfahrungen mit der verheerenden staatlichen Einflussnahme auf Jugendliche in der Landtag Brandenburg Drucksache 6/6634 - 3 - NS-Diktatur eine historische und politische Bildungsarbeit in der Demokratie gelingen kann. Die damals Anwesenden verständigten sich im Sinne einer Selbstverpflichtung auf die folgenden drei Prinzipien, die für alle historische und politische Bildungsarbeit in der Schule grundlegend geworden sind: Die Schülerorientierung, das Überwältigungs- oder Indoktrinationsverbot sowie das Gebot der Kontroversität. Alle Lehrkräfte haben demnach die Verantwortung, jenseits persönlicher Überzeugungen Indoktrination zu verhindern und Multiperspektivität und Kontroverse zu ermöglichen bzw. zu befördern. Es kann erwartet werden, dass sich alle Lehrkräfte, nicht nur die, die ein Geschichts- oder ein Politikstudium absolviert haben, dieser Verantwortung bewusst sind, die dafür nötigen methodischen und didaktischen Kompetenzen besitzen und eine entsprechende demokratische Haltung leben und auch in ihrem Beruf umsetzen. Welche Mittel Lehrkräfte zur Herstellung der notwendigen Ausgewogenheit für geeignet halten und auswählen, müssen sie nach Situation, Anlass, Thema, Alter der Schülerinnen und Schüler sowie deren Vorkenntnissen selber entscheiden. Eine Einmischung staatlicherseits an dieser Stelle würde die Lehrkräfte ihrer pädagogischen Verantwortung entheben und entspräche nicht dem Geist von historischer und politischer Bildung in der Demokratie. Frage 5: In wie vielen Fällen wurde parallel zur Bundeswehr oder in geeigneter Weise vor oder nach der Veranstaltung mit der Bundeswehr auch ein/e Vertreter/in einer friedenspolitischen Initiative eingeladen? zu Frage 5: Die Zahlen von in den Unterricht eingeladenen Sachkundigen werden seitens des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport nicht erfasst. Frage 6: Wie viele Fortbildungen von Lehrkräften durch die Bundeswehr fanden in den beiden genannten Schuljahren statt? Wie viele Lehrkräfte haben diese Veranstaltungen besucht? zu Frage 6: Es fanden jeweils drei Fortbildungen von Jugendoffizieren mit Lehrkräften des Landes Brandenburg statt. Daran nahmen 51 (Schuljahr 2014/2015) bzw. 86 (Schuljahr 2015/2016) Lehrkräfte sowie Schulleiterinnen und Schulleiter teil. Frage 7: Wie bewertet die Landesregierung die Auftritte der Bundeswehr in Schule, auch vor dem Hintergrund weltweit zunehmender kriegerischer Auseinandersetzungen, steigender deutscher Waffenexporte und der Verpflichtung des neuen Rahmenlehrplans in der fachübergreifenden Kompetenzentwicklung, dass „alle an Schule Beteiligten die Entwicklung demokratischer Werte für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit“ fördern sollen? zu Frage 7: Fragen der Sicherheit sind existenziell für den Einzelnen wie für die Gesellschaft . Gleichzeitig sind Sicherheitsfragen immer hoch kontrovers und bedürfen in einer demokratischen Gesellschaft der immer wieder erneuten Aushandlung. Die Angebote der Jugendoffiziere der Bundeswehr dienen der Information und der Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Fragen. Es ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler Zugang zu sicherheitspolitischen Positionen und Informationen und dabei auch in kontroversen Auseinandersetzungen die Chance zur Entwicklung eigener Positionen erhalten. Frage 8: Wie bewertet die Landesregierung z.B. die Handreichung für Schulen zum Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundeswehr sowie zur politischen Bildung im Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik des Landesschulamtes Sachsen-Anhalts von Landtag Brandenburg Drucksache 6/6634 - 4 - 2015, in der verbindlich geregelt wird, dass „zu Fragen der Friedens-, Sicherheits- und Rüstungspolitik die Breite verschiedener gesellschaftlicher Positionen im Unterricht abgebildet “ werden muss? Inwiefern plant die Landesregierung eine vergleichbare Handreichung ? zu Frage 8: Die Regelungen zum Umgang mit Sachkundigen im Unterricht, das sind auch Jugendoffiziere der Bundeswehr oder Vertreterinnen und Vertreter von Friedensdiensten, finden sich in den VV Schulbetrieb, Abschnitt 2. Diese Regelungen sind den Schulen bekannt und ausreichend. Auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg finden sich unter dem Stichwort „Friedenssicherung“ gute Hinweise und Materialien zur Unterstützung von Lehrkräften. Dort finden sich auch Links zu Organisationen, die in der Friedensarbeit tätig sind und mit denen Lehrkräfte kooperieren können. Die Landesregierung hat hohes Vertrauen in ihre Lehrkräfte und in deren Kompetenzen, für die nötige Ausgewogenheit zu sorgen und die Breite verschiedener gesellschaftlicher Positionen zu sicherheitspolitischen Fragen im Unterricht abzubilden. Eine zusätzliche Handreichung ist nicht geplant. Anlage/n: 1. Anlage 5 Anlage: