Landtag Brandenburg Drucksache 6/6709 6. Wahlperiode Eingegangen: 31.05.2017 / Ausgegeben: 06.06.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2690 des Abgeordneten Danny Eichelbaum (CDU-Fraktion) Drucksache 6/6561 Strafvollstreckung im Heimatstaat Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Gemäß §§ 85 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) können Freiheitsstrafen, die gegen EU-Ausländer durch Urteil deutscher Gerichte verhängt wurden, im jeweiligen EU-Herkunftsland vollstreckt werden. Diese Möglichkeit besteht seit frühestens Ende 2015. Vorbemerkung der Landesregierung: Am 25. Juli 2015 ist das Gesetz zur Verbesserung der Internationalen Rechtshilfe bei der Vollstreckung von freiheitsentziehenden Sanktionen und bei der Überwachung von Bewährungsmaßnahmen sowie zur Änderung des Jugoslawien -Strafgerichtshof-Gesetzes und des Ruanda-Strafgerichtshof-Gesetzes (BGBl. I S. 1349) in Kraft getreten, mit dem der Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die „Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union“ (RB Freiheitsstrafen; ABl. L 327 vom 5. Dezember 2008, S. 27, geändert durch Rahmenbeschluss 2009/299/JI; ABl. L 81 vom 27. März 2009, S. 24) in Deutschland umgesetzt wurde . Damit wurde der Vollstreckungshilfeverkehr mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der zuvor im Wesentlichen auf der Grundlage des multilateralen Übereinkommens über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 (ÜberstÜbk; BGBl. 1991 II S. 1006, 1007; 1992 II S. 98; 2005 II S. 63) erfolgte, auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt . Die Vollstreckungshilfe im Bereich der Europäischen Union richtet sich seitdem innerstaatlich bei deutschen oder ausländischen Erkenntnissen, die eine freiheitsentziehende Sanktion zum Inhalt haben, nach den Regelungen der §§ 84 ff. IRG. Vorrangiges Ziel der Vollstreckungshilfe sowohl nach den Regelungen des RB Freiheitsstrafen als auch des ÜberstÜbk ist es, die Resozialisierung der verurteilten Person zu erleichtern. Der RB Freiheitsstrafen enthält dabei erstmals eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Vollstreckung einer im EU-Ausland verhängten freiheitsentziehenden Sanktion zu übernehmen, wenn sie sich gegen ihre eigenen Staatsangehörigen richtet und diese im eigenen Hoheitsgebiet leben oder dorthin ausgewiesen werden (Art. 4 Abs. 1 lit. a und b i. V. m. Art. 8 Abs. 1 RB Freiheitsstrafen). Eine Ablehnung der Übernahme ist in diesen Fällen nur in begrenzten Ausnahmefällen möglich. Eines Einverständnisses der verurteilten Person zur Überstellung bzw. Vollstreckungsübernahme bedarf es grundsätzlich nicht, wenn die Vollstreckung durch den Mitgliedstaat übernommen wird, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und in dem sie ihren Lebensmittelpunkt hat. Landtag Brandenburg Drucksache 6/6709 - 2 - Frage 1: Wie viele EU-Ausländer waren in brandenburgischen Justizvollzugsanstalten mit einer Haftdauer von über einem Jahr in den Jahren 2015 bis heute inhaftiert? zu Frage 1: In den Justizvollzugsanstalten des Landes erfolgt keine gesonderte statistische Erfassung zur Anzahl der inhaftierten EU-Ausländer sowie zu deren Haftdauer. Frage 2: Wie viele EU-Ausländer wurden auf Grundlage des IRG zur Vollstreckung in ihre Herkunftsländer überwiesen (bitte aufschlüsseln nach Jahren und Nationalitäten)? zu Frage 2: Eine gesonderte statistische Erfassung der in ihre Heimatstaaten überstellten Verurteilten erfolgt bei den Staatsanwaltschaften des Landes nicht. Erinnerlich sind bei den Staatsanwaltschaften für den Zeitraum nach Inkrafttreten der §§ 84 ff. IRG die Überstellung eines polnischen Staatsangehörigen im Jahr 2015, eines rumänischen Staatsangehörigen im Jahr 2016 und eines niederländischen Staatsangehörigen im Jahr 2017. Die Entscheidung über einen Antrag auf Übernahme der Vollstreckung gegen einen polnischen Staatsangehörigen durch das zuständige polnische Gericht steht noch aus. Darüber hinaus wurden drei weitere Anträge (ein Antrag im Jahr 2015, zwei Anträge im Jahr 2016) nach Polen auf Übernahme der Vollstreckung einer hiesigen Freiheitsstrafe gestellt, bei denen die Verurteilten nach Beendigung der gerichtlichen Verhandlung wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt waren. Einer tatsächlichen Überstellung der Verurteilten aus dem hiesigen Strafvollzug bedurfte es in diesen Fällen nicht, vielmehr erfolgte die Strafvollstreckung sogleich in Polen. Frage 3: Wie oft scheiterte ein Antrag auf Vollstreckung im Herkunftsland daran, dass das Gericht diese nicht für zulässig erklärt hat? Welche Verweigerungsgründe führte das Gericht schwerpunktmäßig an? Zu Frage 3: In zwei Fällen wurde der Übernahme der Strafvollstreckung durch den Heimatstaat (Polen) nicht zugestimmt. Hintergrund war, dass die Verurteilungen vor dem 5. Dezember 2016 ergangen waren und die innerstaatlichen polnischen Regelungen – wie bereits in Artikel 6 Absatz 5 RB Freiheitsstrafen als Ausnahmeregelung für Polen ermöglicht – für Urteile vor dem Stichtag 5. Dezember 2016 noch ein Einverständnis der verurteilten Person zur Vollstreckung im Heimatstaat vorsehen, dies jeweils nicht erteilt wurde. Frage 4: Gibt es mit anderen Nicht-EU-Staaten bilaterale Abkommen zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen in den Herkunftsländern? Wenn ja, mit welchen? zu Frage 4: Der Vollstreckungshilfeverkehr findet mit einer Vielzahl von Nicht-EU-Staaten auf der Grundlage des bereits in der Vorbemerkung benannten multilateralen Überstellungsübereinkommens vom 21. Mai 1983 statt, bei dem es sich um eine über Europa hinausgehende Konvention handelt. Die Staaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben, können unter http://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/- /conventions/treaty/112/signatures?p_auth=KWcpx12k abgerufen werden. Bei einer Staatsanwaltschaft des Landes ist zudem ein Vollstreckungshilfeersuchen auf der Grundlage des Vertrages vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen (BGBl. 1995 II S. 1010, 1996 II S. 220) in Bearbeitung, das die Überstellung eines in Thailand inhaftierten deutschen Staatsangehö- Landtag Brandenburg Drucksache 6/6709 - 3 - rigen betrifft. Grundsätzlich sind Vollstreckungshilfeersuchen auch auf vertragloser Grundlage möglich (§§ 48 ff. IRG für eingehende Ersuchen und § 71 IRG für ausgehende Ersuchen). Welche Rechtsgrundlage im Verhältnis zu einem bestimmten anderen Staat gilt, kann auf der Internet-seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Rahmen der sogenannten RiVASt-Suche zu den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) abgerufen werden: http://www.bmjv.de/SiteGlobals/Forms/Suche/RiVaStsuche_Formular.html;jsessionid=0E0 154D124A38182955B3A76064E7452.1_cid289?nn=6427250&templateQueryString=Such begriff. Frage 5: Wie oft wurde in den Jahren 2015 bis heute von der Vollstreckung im Herkunftsland aufgrund dieser bilateralen Abkommen Gebrauch gemacht (bitte aufschlüsseln nach Ländern)? zu Frage 5: Vor Inkrafttreten der §§ 84 ff. IRG ist nach Mitteilung der Leitenden Oberstaatsanwälte im Jahr 2015 auf der Grundlage des ÜberstÜbk eine Überstellung nach Dänemark erinnerlich. Frage 6: Wie viele Deutsche verbüßten aufgrund des EU-Rahmenbeschlusses zur gegenseitigen Anerkennung von Urteilen in Strafsachen mit Freiheitsstrafen bzw. ihrer jeweiligen Umsetzungsgesetze ihre in anderen EU-Ländern verhängte Freiheitsstrafe in Justizvollzugsanstalten in Brandenburg? zu Frage 6: Eine gesonderte statistische Erfassung der deutschen Staatsangehörigen, die aufgrund des RB Freiheitsstrafen eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat verhängte Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt des Landes verbüßen, erfolgt weder bei den Justizvollzugsanstalten noch bei den Vollstreckungsbehörden. Ein Fall ist nicht erinnerlich.