Landtag Brandenburg Drucksache 6/6850 6. Wahlperiode Eingegangen: 21.06.2017 / Ausgegeben: 26.06.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2711 der Abgeordneten Thomas Guenther (SPD-Fraktion) und Uwe Schmidt (SPD-Fraktion) Drucksache 6/6628 Anerkennung des Europäischen Abiturs Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Die „Initiative Europäische Schule Joachimsthalsches Gymnasium Templin“ will ausgehend von der Idee der Europäischen Schule in Templin ein Gymnasium ins Leben rufen. In ihm sollen Schülerinnen und Schüler aus ganz Europa, mit einem Schwerpunkt aus Staaten Mittel- und Osteuropas, die Möglichkeit zur Ablegung eines europäischen Abiturs erhalten. Grundlage ist ein multilingualer und multikultureller Unterricht auf Grundlage des einheitlichen Europäischen Curriculum der Europäischen Schulen . Europäische Schulen gibt es in Deutschland bisher in Frankfurt am Main, Karlsruhe und München. Frage 1: Die Europäische Schule Joachimsthalsches Gymnasium hat insbesondere den Brückenschlag zu mittel- und osteuropäischen Schülerinnen und Schülern im Fokus. Darin unterscheidet sie sich von anderen Europäischen Schulen, die stärker auf die Kinder von Beschäftigten in europäischen Institutionen orientieren. Sieht die Landesregierung in einer Schule mit einer mittel-osteuropäischen Ausrichtung eine Bereicherung der Brandenburger Schullandschaft? zu Frage 1: Die Landesregierung befürwortet die inhaltliche Beschäftigung und den Austausch von Schulen im Land Brandenburg mit Mittelost- und Osteuropa, sei es im Rahmen des Unterrichts, im Rahmen von Schülerbegegnungen, Schulpartnerschaften oder im Schüler- oder Lehrkräfteaustausch. Besonderes Augenmerk gilt bei der Zusammenarbeit im schulischen Bereich dem Nachbarland Polen, festzumachen etwa an Deutschpolnischen Schulprojekten an drei staatlichen Schulen mit gymnasialer Oberstufe - Frankfurt (Oder), Schwedt (Oder) und Guben -, im Rahmen derer deutsche und polnische Schülerinnen und Schüler gemeinsam die gymnasiale Oberstufe durchlaufen und sich gemeinsam auf das Abitur vorbereiten. Im Fall des Projekts „Latarnia“ (dt. Leuchtturm) absolvieren Schülerinnen und Schüler des Karl-Liebknecht-Gymnasiums Frankfurt (Oder) und eines Gimnazjum in Słubice fächerbezogen gemeinsame Lernphasen in den Klassen 7 - 9. Auch an Schulpartnerschaften mit mittel- und osteuropäischen Staaten besteht im Land Brandenburg großes Interesse: Im Schuljahr 2015/2016 hatten 352 der 915 Brandenburger Schulen weltweit insgesamt 712 Partnerschaften, davon allein 256 mit Polen. Die Landesregierung befürwortet eine weitere Intensivierung des Engagements von Schulen in diesem Bereich. Als Bereicherung der Brandenburger Schullandschaft werden insbesondere solche Schulen angesehen, von denen Brandenburger Schülerinnen und Schüler Landtag Brandenburg Drucksache 6/6850 - 2 - nachhaltig profitieren können. Frage 2: Europäische Schulen unterrichten auf Grundlage des einheitlichen Europäischen Curriculums und vergeben seit 1959 das Europäische Abitur. Das Europäische Abitur ist bisher nicht im Brandenburgischen Schulgesetz verankert. Hält die Landesregierung eine Verankerung im Brandenburgischen Schulgesetz für notwendig, um Schülerinnen und Schüler einer zukünftigen Europäischen Schule im Land Brandenburg die Möglichkeit zu geben, das Europäische Abitur zu erlangen? Frage 3: Wenn Ja, sieht die Landesregierung Gründe, die gegen eine solche Verankerung sprechen würden? zu den Fragen 2 und 3: Zur Beantwortung der Fragen 2 und 3 wird zunächst auf die unterschiedlichen Typen Europäischer Schulen eingegangen. Es werden zwei Formen unterschieden : (1) Europäische Schulen nach Typ I sind offizielle Schulen, die gemeinsam von den Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie den Europäischen Gemeinschaften gegründet wurden. Sie genießen die Rechte und Pflichten einer öffentlich -rechtlichen Bildungseinrichtung in den jeweiligen Sitzländern. (2) Europäische Schulen nach Typ II sind Schulen, die nicht über die regierungsübergreifende Organisation „Die Europäischen Schulen“ (organisiert über das Netzwerk Europäischer Schulen Typ I) errichtet , von dieser aber anerkannt werden. Sie bieten - im Rahmen der nationalen Bildungssysteme der Mitgliedstaaten und folglich außerhalb des rechtlichen, administrativen und finanziellen Rahmens der Europäischen Schulen nach Typ I - ein europäisches Unterrichts - und Erziehungsmodell, das dem der Europäischen Schulen Typ I entspricht. Für sie müssen im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland die jeweils landesschulrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Nach dem Brandenburgischen Schulgesetz (BbgSchulG) werden Schulen in freier Trägerschaft in Ersatz- und in Ergänzungsschulen unterteilt. Ersatzschulen sind gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 BbgSchulG alle Schulen in freier Trägerschaft, die Schulen entsprechen, die aufgrund dieses Gesetzes bestehen oder vorgesehen sind. Nur für sie werden nach Ablauf einer Wartefrist finanzielle Zuschüsse zum Betrieb der Schule gezahlt. Ergänzungsschulen sind gemäß § 125 Abs. 1 BbgSchulG alle Schulen in freier Trägerschaft, die nicht Ersatzschulen gemäß § 120 sind. Eine Verankerung des Europäischen Abiturs im Brandenburgischen Schulgesetz ist nicht notwendig, um Schülerinnen und Schüler einer zukünftigen Europäischen Schule im Land Brandenburg die Möglichkeit zu geben, das Europäische Abitur zu erlangen. Europäische Schulen - mit dem Europäischen Abitur als Bildungsziel - sind nach dem BbgSchulG aktueller Fassung nicht vorgesehen. Der Betrieb als Ergänzungsschule ist jedoch möglich, sofern nicht gleichzeitig das Abitur angeboten werden soll und die Schule damit - bei Vorliegen der allgemeinen Genehmigungsvoraussetzungen - sogar als Ersatzschule genehmigt werden kann.