Landtag Brandenburg Drucksache 6/6924 6. Wahlperiode Eingegangen: 30.06.2017 / Ausgegeben: 05.07.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2732 der Abgeordneten Kristy Augustin (CDU-Fraktion) und Björn Lakenmacher (CDU-Fraktion) Drucksache 6/6696 Wahlwerbung der Parteien – Gebührenerhebung in der Gemeinde Letschin Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Das Grundgesetz bestimmt in Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG, dass die politischen Parteien die Aufgabe haben, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Es ist die Aufgabe der Parteien, ihre politischen Ziele zu formulieren und diese den Bürgern zu vermitteln. Die politischen Parteien können diesen Auftrag des Grundgesetzes nur dann wirksam wahrnehmen, wenn sie nicht nur innerparteilich arbeiten , sondern auch nach außen tätig und sichtbar werden. Dies schließt die Werbung von Plakaten in unterschiedlichsten Ausführungen ein. Die Gemeinde Letschin (Landkreis Märkisch-Oderland) hat in einem Gemeindevertreterbeschluss die Erhebung von Gebühren für das Aufstellen von Plakaten innerhalb der hauptamtlichen Gemeinde festgesetzt. Nach der Straßensondernutzungsgebührensatzung wurden beispielsweise für bis zu 250 Wahlkampfplakate der Größe A1 sowie für das Aufstellen eines Großflächenplakates im Gemeindegebiet 670 Euro in Rechnung gestellt . Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung die Erhebung von Gebühren im Rahmen der Wahlwerbung von Parteien zu Wahlen? zu Frage 1: Die Wahlwerbung von Parteien durch das Aufstellen von Informationsständen oder das Anbringen zahlreicher Plakatträger im öffentlichen Verkehrsbereich der Gemeinden stellt nach ständiger Rechtsprechung eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar, für die die Gemeinden eine Sondernutzungsgebühr erheben dürfen (BVerfG 1 BvR 306/76 vom 22.12.1976, NJW 1977, 671; BVerwG 7 C 5.78 vom 07.06.1978, BVerwGE 56, 63; NdS OVG 12 OVG A 166/88 vom 23.04.1992; VG Augsburg 6 K 13.1376 vom 29.01.2014). Ob die Gemeinden unter Berücksichtigung ihrer konkreten Gegebenheiten von diesem Recht Gebrauch machen, liegt alleine im gemeindlichen Verantwortungsbereich und ist durch die Landesregierung nicht zu bewerten. Gegebenenfalls haben sich die Gemeinden an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu halten, wonach durch die Gebühr die beabsichtigte Meinungskundgabe nicht wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht werden darf. Frage 2: Ist der Landesregierung der Gemeindevertreterbeschluss in der Gemeinde Letschin bekannt? Landtag Brandenburg Drucksache 6/6924 - 2 - zu Frage 2: Der Beschluss der Gemeindevertretung ist auf der Internetseite der Gemeinde Letschin eingestellt, so dass die Landesregierung im Rahmen der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage im dort veröffentlichten Umfang davon Kenntnis erlangt hat. Frage 3: Sieht die Landesregierung darin einen Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Auftrag der Parteien auch durch Wahlwerbung an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken? zu Frage 3: Nein. Es wird auf die Antwort zur Frage 1 hingewiesen. Frage 4: Sind der Landesregierung weitere Ämter oder Gemeinden bekannt, die Gebühren für das Aufstellen von Plakaten anlässlich von Wahlen erheben? Wenn ja, in welchen Größenordnungen werden die Gebühren erhoben? Werden diese im Vorfeld (bereits bei Antragsstellung) erhoben? zu Frage 4: Der Landesregierung hat keine Kenntnis darüber, ob und welche Gemeinden und Ämter Gebühren für Sondernutzung durch Wahlwerbung erheben noch über die Einzelheiten wie Größenordnungen oder Zeitpunkt der Erhebung. Frage 5: Ist bei der Bemessung von Sondernutzungsgebühren insbesondere eine mit der Sondernutzung verbundene Grundrechtsausübung auf öffentlicher Straße nach Maßgabe des Äquivalenzprinzips zu berücksichtigen? zu Frage 5: Ja. Es wird auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in BVerwGE 56, 63 (71) verwiesen. Frage 6: Wie ist in diesem Zusammenhang zu bewerten, dass die Gebühr ihrer Höhe nach weder außer Verhältnis zu Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch noch außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Sondernutzung stehen darf? Muss die Gebühr für Parteien unter der für kommerzielle Werbung liegen? zu Frage 6: Die in der Fragestellung genannten Grundsätze sind bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen. Im Ergebnis muss die Gebühr für die Wahlwerbung niedriger sein als die Gebühr für eine vergleichbare kommerzielle Werbung (VG Dresden, Urteil vom 19.12.2001, Az 12 K 149/00). Frage 7: Hat Art. 21 GG aufgrund eines gebührenrechtlichen Parteienprivilegs bei der Bemessung der Höhe einer Gebühr für die Sondernutzung von Straßen zum Zweck der Wahlwerbung eine begrenzende Funktion im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Gebührenmaßstäbe ? Ist deshalb grundsätzlich eine Ermäßigung der Sondernutzungsgebühr vorzusehen? zu Frage 7: Ja. Frage 8: Wie bewertet die Landesregierung das Gebot der gleichberechtigten Wahlwerbung für alle Parteien, Vereinigungen und Einzelbewerber (auch für kleine Vereinigungen ohne großes Eigenkapital) bei einer Gebührenhöhe von mehreren Hundert Euro für die Plakatierung? Landtag Brandenburg Drucksache 6/6924 - 3 - zu Frage 8: Eine gleichberechtigte Wahlwerbung bedeutet nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht, dass allen Parteien, Wählergruppen und Einzelkandidaten die gleichen Plakatierungsmöglichkeiten eingeräumt werden müssen. Hier gilt vielmehr das Prinzip der abgestuften Chancengleichheit, wobei den einzelnen Parteien und Wählergruppen mindestens 5 % der Gesamtzahl der Plakatierungsmöglichkeiten eingeräumt werden muss. Dabei müssen die Plakatierungsmöglichkeiten letztlich hinreichend dicht sein, um den Kandidaten gewissermaßen flächendeckend Wahlwerbung im gesamten Gemeindegebiet zu ermöglichen und den nötigen Raum zur Selbstdarstellung zu geben (OVG Greifswald 1 M 127/11 vom 24.08.2011). Diese inhaltlichen Vorgaben für die zu gewährleistende Wahlwerbung dürfen durch die Sondernutzungsgebühr nicht konterkariert werden (siehe Antwort zur Frage 1). Welche Plakatierungsvorgaben (z.B. Anzahl, Ort und Fläche) und welche Gebührenfestsetzung sich daraus ergeben, ist nur im konkreten Einzelfall durch die Gemeinde zu entscheiden und nicht durch die Landesregierung zu bewerten. Frage 9: Sieht die Landesregierung die veranschlagte Gebühr der Gemeinde Letschin bzw. deren Höhe (670 Euro) als Grund an, der die politische Werbung wesentlich erschwert oder gar unmöglich macht? Müsste diese vor dem Hintergrund des parteienrechtlichen Privilegs reduziert bzw. eine Differenzierung in der Straßensondernutzungsgebührensatzung vorgenommen werden? zu Frage 9: Ob gebührenrechtliche Regelungen einer Satzung abstrakt und im konkreten Einzelfall eines ggf. daraufhin ergangenen Gebührenbescheides höherrangigem Recht entsprechen, kann auf entsprechenden Antrag durch den zuständigen Landrat als allgemeine untere Landesbehörde überprüft werden und unterliegt selbstverständlich der gerichtlichen Überprüfung. Eine Bewertung der Landesregierung erfolgt grundsätzlich nicht. Frage 10: Welche Einschränkungen beim Aufstellen von Wahlwerbung im Land Brandenburg sind der Landesregierung bekannt? zu Frage 10: Es sind insbesondere Einschränkungen bei der Anzahl, der Fläche, den Standorten und der Dauer der Aufstellung/Aufhängung von Wahlplakaten zulässig. Weitere Einschränkungen können sich aus der konkreten Situation vor Ort ergeben. Frage 11: Muss eine Gemeinde in Haushaltssicherung den vollen Gebührenrahmen ausschöpfen ? zu Frage 11: Sofern in der Satzung ein Gebührenrahmen festgelegt wurde, muss jede Gemeinde unabhängig von der sonstigen Haushaltssituation bei ihrer konkreten Gebührenentscheidung den vollen Gebührenrahmen ausschöpfen - sowohl nach oben als auch nach unten. Die Gebührenerhebung ist ausnahmslos eine Einzelfallentscheidung, die die nachgewiesenen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen muss, sonst ist sie rechtsfehlerhaft . Siehe auch die Antwort zur Frage 8.