Datum des Eingangs: 23.02.2015 / Ausgegeben: 02.03.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/694 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 192 des Abgeordneten Gordon Hoffmann und Steeven Bretz der CDU-Fraktion Drucksache 6/443 Schulträgerprinzip im Land Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 192 vom 16.01.2015: Die Aufnahmeverfahren zur Verteilung der Brandenburger Schülerinnen und Schüler sind im Abschnitt 2 §§ 50–56 des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg (BbgSchulG) geregelt. Bei den unterschiedlichen Aufnahmeverfahren (Grundschule, weiterführende allgemein bildende Schule, Oberstufenzentrum, Einrichtung des Zweiten Bildungsweges) kommt es in verschiedenen Landesteilen immer wieder zu Problemen für die Kommunen. In Potsdam gibt es bspw. beim Ü-7-Verfahren regel- mäßig Benachteiligungen für die Schülerinnen und Schüler der Landeshauptstadt Potsdam gegenüber Schülerinnen und Schülern aus den angrenzenden Landkrei- sen. Die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam hat diese Prob- lematik aufgegriffen und den Oberbürgermeister aufgefordert, sich für ein Schulträ- gerprinzip auf Landesebene einzusetzen. Dieses Schulträgerprinzip soll als weiteres Kriterium den Aufnahmeverfahren vorangestellt werden, um den Schulträger bei der Beschulung der schulpflichtigen Schülerinnen und Schüler zu stärken. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Erstwünsche von Eltern im Ü7-Verfahren konnten im vergangenen Schuljahr nicht realisiert werden, weil Schülerinnen und Schüler benachbarter Kommunen entsprechend den geltenden Regeln vorrangigen Zugriff auf Plätze an weiterführenden Schulen genossen? (Bitte nach Schulträgern aufschlüsseln.) 2. Wie beurteilt die Landeregierung Brandenburg grundsätzlich ein Schulträgerprinzip als weiteres Aufnahmekriterium im Abschnitt 2 §§ 50–56. des BbgSchulG? 3. Welche rechtlichen Vorbehalte kann es gegen das Aufnahmekriterium "Schulträger " geben? 4. Welche Vorteile sieht die Landesregierung Brandenburg bei einem Schulträgerprinzip ? 5. Welche Nachteile sieht die Landesregierung Brandenburg bei einem Schulträgerprinzip ? 6. Wodurch kann die Rolle des Schulträgers außerdem gestärkt werden, ohne zugleich Schülerinnen und Schülern anderer Schulträger zu benachteiligen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Erstwünsche von Eltern im Ü7-Verfahren konnten im vergangenen Schul- jahr nicht realisiert werden, weil Schülerinnen und Schüler benachbarter Kommunen entsprechend den geltenden Regeln vorrangigen Zugriff auf Plätze an weiterführen- den Schulen genossen? (Bitte nach Schulträgern aufschlüsseln.) Zu Frage 1: Im Ü7-Verfahren sind Erst- und Zweitwünsche gleichberechtigt und müssen insbe- sondere bei übernachgefragten Schulen bei der Aufnahmeentscheidung durch die Schulleitungen berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist eine statistische Erfassung zu den Erstwünschen, wie viele Schüler eventuell aufgrund einer besse- ren Eignung aus anderen Landkreisen in Potsdam aufgenommen wurden, ausge- schlossen. Frage 2: Wie beurteilt die Landeregierung Brandenburg grundsätzlich ein Schulträgerprinzip als weiteres Aufnahmekriterium im Abschnitt 2 §§ 50–56. des BbgSchulG? Frage 3: Welche rechtlichen Vorbehalte kann es gegen das Aufnahmekriterium "Schulträger" geben? Zu den Fragen 2 und 3: Das Aufnahmeverfahren muss den in Art. 30 Abs. 4 LV formulierten Grundsätzen entsprechen. Danach sind für die Aufnahme in weiterführende allgemein bildende Schulen neben dem Wunsch der Erziehungsberechtigten, Fähigkeiten, Leistungen und Neigungen des Schülers maßgebend. Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass ein Aufnahmeverfahren, das vorrangig darauf abstellt, dass die Schülerinnen und Schülern im Gemeindegebiet des Schulträgers wohnen, mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Frage 4: Welche Vorteile sieht die Landesregierung Brandenburg bei einem Schulträgerprin- zip? Frage 5: Welche Nachteile sieht die Landesregierung Brandenburg bei einem Schulträger- prinzip? Zu den Fragen 4 und 5 Die Fragen werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Bereich der weiterführenden allgemein bildenden Schulen sind im Land Branden- burg bei allen Schulformen neben den kreisfreien Städten sowohl kreisangehörende Gemeinden als auch Landkreise Träger dieser Schulen. Die Einführung eines soge- nannten „Schulträgerprinzips“ als Aufnahmekriterium würde dazu führen, dass in dem einen Fall Schülerinnen und Schüler einer kreisangehörenden Gemeinde be- vorzugt aufgenommen werden würden, in dem anderen Fall nicht. Bei der Aufnahme an Gymnasien sowie an Gesamtschulen (nur für Schülerinnen und Schüler, die den Bildungsgang AHR gewählt haben) gelten im Land Brandenburg vorrangig die Kriterien Leistung, Neigung und Fähigkeiten, wobei dem Leistungskrite- rium eine herausragende Bedeutung zukommt. Die Einführung eines „Schulträger- prinzips“ würde dazu führen, dass bei der Aufnahme in ein Gymnasium leistungs- schwächere Schülerinnen und Schüler in bestimmten Fällen bevorzugt werden könn- ten. Bei der Aufnahme an Gesamtschulen (für Schülerinnen und Schüler, die den Bil- dungsgang FOR und EBR gewählt haben) und Oberschulen gilt bei Übernachfrage ganz wesentlich das Kriterium der Nähe der Wohnung zur gewünschten Schule. In der Regel haben damit Schülerinnen und Schüler, die in dem Gebiet des Schulträ- gers wohnen, deutlich bessere Chancen auf Aufnahme in die gewünschte Schule als von auswärts Kommende. Die Landesregierung hält aus den genannten Gründen das derzeitige Aufnahmever- fahren in die weiterführenden allgemein bildenden Schulen für ein verfassungskon- formes Verfahren, das allen Schülerinnen und Schülern größtmögliche Chancen- gleichheit bei der Aufnahme in die gewünschte Schule bietet. Frage 6: Wodurch kann die Rolle des Schulträgers außerdem gestärkt werden, ohne zugleich Schülerinnen und Schülern anderer Schulträger zu benachteiligen? Zu Frage 6: Im Allgemeinen sind der Landesregierung keine gravierenden Probleme bei der Be- reitstellung von Schulplätzen und der Durchführung des Aufnahmeverfahrens be- kannt. In Einzelfällen auftretende Schwierigkeiten sollten durch die Kooperation der zuständigen Schulträger mit Unterstützung des Landesschulamts behoben werden. Bei größeren Versorgungsengpässen kann auch die Übertragung der Schulträger- schaft von einer kreisangehörenden Gemeinde auf den Landkreis ein Lösungsweg sein. Eine gewisse Sondersituation besteht nach Kenntnis der Landesregierung in der Landeshauptstadt Potsdam. Von den Schülerinnen und Schülern, die weiterführende allgemein bildende Schulen in öffentlicher Trägerschaft in Potsdam besuchen, kommen seit längerem gut 20 Prozent aus den umliegenden Gemeinden des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Zu den Zeiten zurückgehender Schülerzahlen waren Schülerinnen und Schüler von au- ßerhalb des Schulträgergebiets, wie überall im Land Brandenburg, zum Erhalt von Schulen sehr willkommen. Mit dem Wiederanstieg der Schülerzahlen in der Sekun- darstufe I und dem starken Einwohnerzuwachs, besteht in der Landeshauptstadt Potsdam seit einigen Jahren die Notwendigkeit, zusätzliche Schulkapazitäten bereit- zustellen. In der nächsten Zeit wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Der Stadt kann nur empfohlen werden, mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark auf dem Verhandlungswege einen fairen Interessenausgleich herbeizuführen. Ein Bei- spiel bieten dafür die kreisfreie Stadt Cottbus und der sie umgebende Landkreis Spree-Neiße. Der Landkreis Spree-Neiße unterhält schon seit vielen Jahren ein Gymnasium in der Stadt Cottbus in seiner Trägerschaft (ebenso ein Oberstufenzent- rum). Alle Schülerinnen und Schüler aus der kreisfreien Stadt Cottbus und dem Landkreis Spree-Neiße können unter den gleichen Bedingungen am Aufnahmever- fahren für alle Gymnasien in Cottbus nach den geltenden Regelungen teilnehmen. Gleichzeitig besteht hinsichtlich der Bereitstellung der Schulkapazitäten ein ange- messener Interessenausgleich für die kreisfreie Stadt und den Landkreis.