Landtag Brandenburg Drucksache 6/6991 6. Wahlperiode Eingegangen: 13.07.2017 / Ausgegeben: 18.07.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2772 des Abgeordneten Peter Vida (BVB/FREIE WÄHLER Gruppe) Drucksache 6/6801 Erschließungspflicht von Kommunen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Für die Erteilung einer Baugenehmigung bedarf es u. a. der abgesicherten Erschließung des Baugrundstückes, wofür die Kommunen gem. § 123 BauGB letztendlich verantwortlich sind. Sie können sich dazu aber Dritter bedienen mit entsprechender vertraglicher Vereinbarung. Diese Möglichkeit wurde und wird hauptsächlich bei der Anlage von neuen Siedlungen genutzt. Mitunter entstehen Probleme und unklare Situationen, wenn Investoren und somit die Grundstückseigner der Gesamtfläche wegen Insolvenz wegbrechen und die Kommunen bzw. die Eigenheimbauer mit den Folgewirkungen konfrontiert sind. 1. Wenn ein Investor in Insolvenz geht, geht dann der Erschließungsvertrag mit allen Rechten und Pflichten auf den Insolvenzverwalter über? zu Frage 1: Durch den Erschließungsvertrag wird nicht die Erschließungslast der Gemeinde auf den Investor übertragen. Die Gemeinde bleibt bei Zahlungs- oder Leistungsunfähigkeit des Erschließungsträgers für die Erschließung verantwortlich. Im Falle der Insolvenz des Erschließungsträgers ist die Gemeinde daher berechtigt, neu zu entscheiden, ob sie ihre Erschließungslast nunmehr selbst erfüllt und die Kosten durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen refinanziert oder ob sie die Erschließung erneut auf einen Dritten überträgt. Sofern über das Vermögen des Erschließungsträgers ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, entscheidet der Insolvenzverwalter über die Erfüllung des Erschließungsvertrages . Soweit der Gemeinde Ansprüche aus dem Erschließungsvertrag zustehen, deren Durchsetzung den Erschließungsaufwand reduzieren, meldet sie diese Ansprüche als Insolvenzforderung an. Lehnt der Insolvenzverwalter eine Fortsetzung und Beendigung der Erschließungsmaßnahme ab, ist die Gemeinde berechtigt, eine neue Regieentscheidung zu treffen. 2. Wenn ein Investor seine Grundstücke vor Fertigstellung der Erschließung verkauft, geht dann der Erschließungsvertag auf den Käufer über, wenn 1. dazu eine Vereinbarung im Kaufvertrag zwischen beiden Parteien im Vertrag getroffen worden ist? 2. dazu keine Vereinbarung getroffen worden ist? 3. Wer ist dann im Fall b) für die Erschließung verantwortlich? Landtag Brandenburg Drucksache 6/6991 - 2 - zu Frage 2: Verträge begründen Rechte und Pflichten grundsätzlich nur mit Wirkung zwischen den jeweiligen Vertragsparteien. Durch das Rechtsinstitut der Vertragsübernahme wird der Eintritt einer neuen Person unter gleichzeitigem Ausscheiden einer anderen Person im Rahmen eines bestehenden Vertrages ermöglicht. 3. Ein Käufer hat bereits vor Fertigstellung der Erschließungsanlagen den Preis für ein erschlossenes Grundstück bezahlt und die Erschließung ist aus den verschiedenen Gründen nicht vollendet worden. Kann dann die Gemeinde für die Fertigstellung den Grundstücksbesitzer gemäß KAG nochmals anteilig für sein Grundstück veranlagen? zu Frage 3: Das KAG regelt u. a. die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für den Ausbau bestehender Straßen. Die Anwendbarkeit der erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften setzt hingegen voraus, dass eine Erschließungsanlage erstmalig endgültig hergestellt wird. In diesem Fall können lediglich Erschließungsbeiträge nach den Regelungen des BauGB erhoben werden. Soweit der beitragsfähige Erschließungsaufwand der Gemeinde gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht anderweitig gedeckt ist, hat die Gemeinde für die Fertigstellung der Erschließungsanlage den Grundstückseigentümer grundsätzlich nochmals anteilig zu veranlagen. Aus dem Beitragserhebungsgebot folgt, dass privatrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Erschließungsträger und einem Grundstückseigentümer das öffentlich-rechtliche Beitragsverhältnis nicht berühren. Erschließungsverträge zwischen Erschließungsträgern und Gemeinden stellen keinen Vertrag zugunsten der Grundstückseigentümer dar. 4. Kann im Fall 3. der einzelne Grundstücksbesitzer auch für die Erschließung noch nicht verkaufter Grundstücke in diesem Erschließungsgebiet mit veranlagt werden, für die es dann logischerweise noch keine Beitragspflichtigen gibt? zu Frage 4: Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist derjenige beitragspflichtig, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Grundstückseigentümer ist. Sofern das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet ist, bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers beitragspflichtig ist. Sollte das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet sein, ist der Inhaber dieses Rechts an Stelle des Eigentümers beitragspflichtig (§ 134 Abs. 1 Satz 3 BauGB). Soweit sich von der Erschließungsanlage erschlossene Grundstücke noch im Eigentum der Gemeinde befinden, entsteht für diese keine Beitragspflicht. Sie sind jedoch in die Verteilung des Erschließungsaufwandes einzubeziehen. 5. Wenn die Erschließungsverantwortung wieder auf die Kommune übergeht, handelt es sich dann bei der weiteren Abwicklung um ein Geschäft der laufenden Verwaltung oder muss diese Angelegenheit wieder in die entsprechenden Gremien zur Beschlussfassung? zu Frage 5: Geschäfte der laufenden Verwaltung sind solche, die für die Gemeinde weder von grundsätzlicher Bedeutung sind, noch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt haben und die mehr oder weniger regelmäßig wiederkehren. Welche Geschäfte darunter zu subsummieren sind, muss individuell für jede Gemeinde in Abhängigkeit ihrer Größe und Finanzkraft bestimmt werden. Landtag Brandenburg Drucksache 6/6991 - 3 - 6. Wenn dieser Beschluss aufgrund der Kenntnis der Vorgeschichte keine Mehrheit findet, wie bzw. auf wessen Kosten erfolgt dann die Erschließung bereits fast zu Ende bebauter Grundstücke? zu Frage 6: Die Erschließungslast ist zwar eine Pflichtaufgabe der Gemeinde, sie hat jedoch eine gewisse Entscheidungsfreiheit sowohl hinsichtlich des „ob“, als auch des „wann“ und „wie“ der Erschließung. Eine Grenze findet die gemeindliche Erschließungslast grundsätzlich in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Daher besteht nach § 123 Abs. 3 BauGB grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Erschließung.