Datum des Eingangs: 25.02.2015 / Ausgegeben: 03.03.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/706 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 256 des Abgeordneten Frank Bommert der CDU-Fraktion Drucksache 6/546 Auswirkungen des Mindestlohns auf die Einkommen in Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 256 vom 3.2.2015: Seit dem 1. Januar 2015 gilt deutschlandweit ein flächendeckender gesetzlicher Min- destlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Da das allgemeine Lohnniveau in Ostdeutsch- land niedriger liegt, betrifft ein einheitlicher Mindestlohn hier eine größere Zahl an Beschäftigten. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Arbeitnehmer haben in Brandenburg vor dem 1. Januar 2015 einen Lohn erhalten, der unter 8,50 Euro pro Stunde lag? (Bitte nach Branchen aufschlüsseln) 2. Wie viele dieser Arbeitnehmer waren sogenannte Minijobber mit einem Gehalt bis zu 450 Euro monatlich? 3. Wie viele Arbeitnehmer in Brandenburg, die vor dem 1. Januar 2015 einen Lohn erhalten haben, der unter 8,50 Euro pro Stunde lag, erhalten seit dem 1. Januar 2015 den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde? 4. Wie viele Arbeitnehmer in Brandenburg, die vor dem 1. Januar 2015 einen Lohn erhalten haben, der unter 8,50 Euro pro Stunde lag, erhalten aufgrund von Über- gangs- oder Ausnahmeregelungen auch weiterhin einen Lohn, der unter 8,50 Euro pro Stunde liegt? 5. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Entlassungen oder Arbeits- zeitverkürzungen in Brandenburg, die auf die Einführung des flächendeckenden ge- setzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde zurückzuführen sind? Welche Branchen sind nach Kenntnis der Landesregierung besonders betroffen? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Ge- sundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Arbeitnehmer haben in Brandenburg vor dem 1. Januar 2015 ei- nen Lohn erhalten, der unter 8,50 Euro pro Stunde lag? (Bitte nach Branchen auf- schlüsseln) zu Frage 1: Nach Auswertungen des „Instituts Arbeit und Qualifikation“ der Universität Duisburg- Essen (IAQ) aus dem Jahr 2014 erhielten im Land Brandenburg vor dem 1. Januar 2015 etwa 355.000 bzw. 30,7 Prozent aller Beschäftigten einen Stundenlohn von unter 8,50 Euro. Die Berechnungen erfolgten auf Basis des Sozioökonomischen Pa- nels (SOEP). Als Berechnungsgrundlage wurde ein Mittelwert aus Daten für die Jah- re 2009 bis 2012 verwendet. Eine Zuordnung der Beschäftigten zu einzelnen Bran- chen ist dabei nicht erfolgt. Dies ist auch der Landesregierung nicht möglich. Von Löhnen unter 8,50 Euro sind in Brandenburg von Abwrackgewerbe bis Zeitarbeit ganz verschiedene Branchen betroffen. Nach Auswertungen des Gemeinsamen Ta- rifregisters der Länder Berlin und Brandenburg vom Dezember 2014 sind darunter auch knapp 30 Branchen, in denen es selbst mit Tarifverträgen nicht gelungen ist, Löhne unterhalb von 8,50 € zu vermeiden. Besonders betroffen – auch bundesweit – sind die Branchen Landwirtschaft, Gartenbau, Floristik, Fleischereigewerbe, Friseur- handwerk und Gastronomie. Als Beispiele für Brandenburg können zudem das Lo- gistikgewerbe, das KFZ-Gewerbe, die Textilreinigung und das Bäckerhandwerk ge- nannt werden. Frage 2: Wie viele dieser Arbeitnehmer waren sogenannte Minijobber mit einem Ge- halt bis zu 450 Euro monatlich? zu Frage 2: Wie viele der o.g. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Minijobber mit einem Gehalt von bis zu 450,- Euro waren, wurde vom „Institut Arbeit und Qualifikation“ nicht ermit- telt. Erkenntnisse dazu liegen auch der Landesregierung nicht vor. Allgemein ist aus Studien aber bekannt, dass geringfügig Beschäftigte im Niedriglohnsektor über- durchschnittlich vertreten sind und dort zu den besonders schlecht bezahlten Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmern gehören. Frage 3: Wie viele Arbeitnehmer in Brandenburg, die vor dem 1. Januar 2015 einen Lohn erhalten haben, der unter 8,50 Euro pro Stunde lag, erhalten seit dem 1. Janu- ar 2015 den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde? Frage 4: Wie viele Arbeitnehmer in Brandenburg, die vor dem 1. Januar 2015 einen Lohn erhalten haben, der unter 8,50 Euro pro Stunde lag, erhalten aufgrund von Übergangs- oder Ausnahmeregelungen auch weiterhin einen Lohn, der unter 8,50 Euro pro Stunde liegt? zu Fragen 3 und 4: Voraussichtlich werden die meisten, jedoch nicht alle der zu Frage 1 genannten 355.000 Beschäftigten von den 8,50 € auch tatsächlich profitieren. Ein Teil wird von Ausnahme- bzw. Übergangsregelungen betroffen sein. Ausnahmen gelten z.B. für Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten oder unter 18-Jährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Auch für die Zeitungszustellung gibt es bis zum 31.12.2017 eine Ausnahmereglung vom gesetzlichen Mindestlohn. Zeitlich begrenzt darf der gesetzliche Mindestlohn auch in bestimmten Branchen un- terschritten werden. Die branchenbezogenen Ausnahmen gelten bis zum 31.12.2017; spätestens ab 1.1.2017 müssen aber alle Beschäftigten mindestens 8,50 € erhalten. Zu den „Übergangsbranchen“ gehören in Brandenburg das Friseur- gewerbe, die Fleischwirtschaft, die Land- und Forstwirtschaft, der Gartenbau, die Textil- und Bekleidungsindustrie, die Wäschereidienstleistungen im Objektkundenge- schäft sowie die Leiharbeit. Grundlage dafür sind bundesweit geltende, vom Bun- desministerium für Arbeit und Soziales per Rechtsverordnung für allgemeinverbind- lich erklärte Mindestlohntarifverträge. Nicht bekannt ist allerdings, wie viele der in diesen Branchen insgesamt Beschäftig- ten konkret auf Lohngruppen unterhalb von 8,50 Euro entfallen. In allen diesen Bran- chen gibt es auch Lohngruppen, die über 8,50 Euro liegen. Die zahlenmäßige Vertei- lung der Beschäftigten auf die verschiedenen Lohngruppen wird statistisch nicht er- fasst. Frage 5: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Entlassungen oder Ar- beitszeitverkürzungen in Brandenburg, die auf die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde zurückzuführen sind? Welche Branchen sind nach Kenntnis der Landesregierung besonders betroffen? zu Frage 5: Der Landesregierung liegen - von vereinzelten Pressemeldungen abgesehen - keine belastbaren Erkenntnisse über Entlassungen oder Arbeitszeitverkürzungen in Bran- denburg vor, die auf die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zurückzuführen sind. Nur ca. 6 Wochen nach Inkrafttreten des gesetzli- chen Mindestlohns dürfte es auch zu früh für derartige Einschätzungen sein. Abge- sehen davon hat die Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2014 in Brandenburg den höchsten Stand seit 2001 erreicht. Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg wei- ter mitteilt, erhöhte sich die Erwerbstätigkeit im Jahr 2014 gegenüber dem Jahr 2013 in Brandenburg um 0,6 Prozent. Damit korrespondierend ist die Arbeitslosigkeit im Januar weniger stark angestiegen ist als im Durchschnitt der Vorjahre; sie ist viel- mehr saisonbereinigt leicht gesunken und liegt mit 9,9 Prozent um 0,7 Prozentpunkte sogar deutlich unter dem Wert ein Jahr zuvor. All dies sind Indizien dafür, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns am 1. Januar 2015 bisher keine messba- ren Auswirkungen auf die Beschäftigung hatte.