Landtag Brandenburg Drucksache 6/7126 6. Wahlperiode Eingegangen: 31.07.2017 / Ausgegeben: 07.08.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2788 der Abgeordneten Kristy Augustin (CDU-Fraktion) und Steeven Bretz (CDU-Fraktion) Drucksache 6/6863 Kinder- und Jugendnotdienste in Potsdam Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2695 (Drucksache 6/6583) geht hervor, dass sich in Brandenburg die Straftaten „Häusliche Gewalt“ gegen Kinder und Jugendliche zwischen den Jahren 2010 und 2016 nahezu verdoppelt haben. In Potsdam gibt es laut der Antwort der Landesregierung zwei Einrichtungen zur Krisenintervention in akuten Notsituationen. Die kurzzeitige Aufnahme und Hilfeplanung in den beiden Einrichtungen wird durch freie Trägervereine gewährleistet . Mehrere Landesministerien sind sowohl im Stiftungsrat als auch im Aufsichtsrat eines Vereins vertreten. Die zweite Einrichtung ist dem Paritätischen Landesverband Brandenburg angegliedert. Vorbemerkung der Landesregierung: Der Landesregierung stehen statistische Daten über die Tätigkeit der örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe nur insoweit zur Verfügung, als sie im Rahmen der gesetzlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik erhoben und veröffentlicht werden. Deshalb können Einzelaspekte in den Fragen zum Teil nicht dargestellt werden, differenzierte Daten liegen ggf. bei der Stadt Potsdam vor. Frage 1: Wie stellt sich aus Sicht der Landesregierung der derzeitige Sachstand in Potsdam dar? Frage 2: Wie viele Fälle häuslicher Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gab es in Potsdam in den Jahren 2010 - 2016 (bitte jährlich auflisten)? zu den Fragen 1 und 2: Im Unterschied zu der Entwicklung im Land Brandenburg sind die Straftaten der häuslichen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Landeshauptstadt Potsdam - bei kontinuierlich zunehmender Bevölkerungszahl - im zurückliegenden Fünfjahreszeitraum rückläufig. Die Straftaten häuslicher Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeitraum 2010 bis 2016 in der Landeshauptstadt Potsdam sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: Landtag Brandenburg Drucksache 6/7126 - 2 - Tabelle 1: Straftaten gegen Kinder und Jugendliche im Kontext häuslicher Gewalt in Potsdam Berichtsjahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Straftaten gegen Kinder 55 39 32 25 28 32 27 Straftaten gegen Jugendliche 21 11 12 14 12 24 16 Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik Brandenburg Frage 3: Wie viele Inobhutnahmen für Kinder unter 14 Jahren wurden in den letzten fünf Jahren in Potsdam durchgeführt (bitte auflisten nach Ursachen wie Gewalt, Missbrauch etc.)? zu Frage 3: Zur Beantwortung der Frage steht der Landesregierung die Kinder- und Jugendhilfestatistik des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg zur Verfügung. Diese Statistik enthält, soweit Daten zu vorläufigen Schutzmaßnahmen gem. § 42 SGB VIII (Inobhutnahme ) gesondert nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufgeführt werden, keine Angaben zu den Ursachen bzw. Anlässen für die jeweiligen Schutzmaßnahmen in den einzelnen Gebietskörperschaften. Die Statistik unterscheidet lediglich, wie viele Minderjährige - hier nicht unterschieden nach der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen - auf eigenen Wunsch und wie viele aufgrund einer Gefährdung in Obhut genommen wurden. Zudem ist bei der Bewertung dieser Daten zu beachten, dass die örtliche Zuständigkeit eines Jugendamtes für vorläufige Schutzmaßnahmen bereits bei dem tatsächlichen Aufenthalt eines schutzbedürftigen Kindes oder Jugendlichen in seinem Zuständigkeitsbereich begründet wird. Damit ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei allen vom Jugendamt der Landeshauptstadt Potsdam in Obhut genommenen Minderjährigen gleichzeitig um Kinder und Jugendliche handelt, die auch in der Stadt wohnen (im Sozialrecht: ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben). Alle größeren Städte im Bundesgebiet, so auch die Landeshauptstadt Potsdam, verzeichnen jährlich einen nennenswerten Anteil von vorläufigen Schutzmaßnahmen für Minderjährige aus anderen Landkreisen, Städten und z. T. auch aus anderen Bundesländern. Die hohen Zuwächse bei den 14- bis 18Jährigen und bei den Inobhutnahmen auf eigenen Wunsch in den Jahren 2015 und insbesondere 2016 sind voraussichtlich auf die Inobhutnahmen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zurückzuführen . Dies lässt sich der vorliegenden Statistik jedoch nicht unmittelbar entnehmen . Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik weist für die Landeshauptstadt Potsdam folgende Daten zu vorläufigen Schutzmaßnahmen aus: Tabelle 2: Vorläufige Schutzmaßnahmen gem. § 42 SGB VIII in der Landeshauptstadt Potsdam 2012 - 2016 Landtag Brandenburg Drucksache 6/7126 - 3 - Jahr Alter unter 14 Jahre 14 - 18 Jahre Inobhutnahme auf eigenen Wunsch des Minderjährigen Inobhutnahme wegen Gefährdung (dringende Gefahr) 2012 43 66 39 70 2013 29 77 40 651 2014 44 78 38 84 2015 42 97 51 88 2016 43 156 101 98 Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Frage 4: In wie vielen Fällen hatten Kinder und Jugendliche Drogen konsumiert, wodurch das Jugendamt und Notdienste zum Einsatz kamen (bitte ab dem Jahr 2010 auflisten)? zu Frage 4: Die Landesregierung hat keine Informationen über die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die aufgrund von Drogenkonsum in der Landeshauptstadt Potsdam in Obhut genommen werden. Frage 5: Sind die beiden Einrichtungen rund um die Uhr und an jedem Tag erreichbar? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 5: Die beiden in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 2695 (Drucksache 6/6796) für die Landeshauptstadt Potsdam aufgeführten Kriseneinrichtungen sind ganzjährig rund um die Uhr erreichbar. Frage 6: Wie viele Mitarbeiter und wie viele Betten stellen die beiden Einrichtungen in Potsdam jeweils bereit? zu Frage 6: a) Der Kinder- und Jugendnotdienst „Fluchtpunkt“ hat nach der Betriebserlaubnis des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport als Aufsichtsbehörde gemäß § 45 SGB VIII eine Aufnahmekapazität von 10 Plätzen. Entsprechend dieser Platzkapazität sind eine Mindestpersonalausstattung mit sieben in Vollzeit beschäftigten pädagogischen Fachkräften sowie ein Stellenanteil von 0,55 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für die Leitung der Einrichtung festgelegt. Es ist den Vertragspartnern, hier der Landeshauptstadt Potsdam und dem Einrichtungsträger, jedoch unbenommen, eine über den in der Betriebserlaubnis festgelegten Mindestpersonalschlüssel hinausgehende Personalausstattung zu vereinbaren. Inwieweit dies der Fall ist, ist der Landesregierung nicht bekannt. b) Die Betriebserlaubnis für die „Kinderkrisen“-Einrichtung gilt für acht Plätze für Kinder bis zu einem Alter von acht Jahren und sieht eine Mindestpersonalausstattung von sechs Vollzeitstellen für pädagogische Fachkräfte vor. 1 Die zahlenmäßige Abweichung, die sich für das Jahr 2013 zwischen den Daten zum Alter der Minderjährigen und zu den Fallgruppen der Inobhutnahme ergibt, beruht auf einer Ungenauigkeit der statistischen Erfassung. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7126 - 4 - Weiterhin hält die Einrichtung zwei Plätze für Kinder von bis zu 4 Jahren vor. Diese müssen gemäß Betriebserlaubnis von mindestens einer innewohnenden Erzieherin in Vollzeitbeschäftigung betreut werden sowie von einer unterstützenden pädagogischen Fachkraft mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Hinzu kommt eine Mindestpersonalausstattung für die Einrichtungsleitung mit einem Stellenanteil von 0,55 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Für eine möglicherweise darüber hinausgehende tatsächliche Personalausstattung gilt das unter Punkt a Gesagte. Frage 7: Inwiefern bewertet die Landesregierung die aktuellen Aufnahmekapazitäten in Potsdam als zufriedenstellend? zu Frage 7: Die Erfüllung der Aufgaben nach § 42 SGB VIII fällt gemäß § 85 Absatz 1 SGB VIII in die sachliche Zuständigkeit der Landeshauptstadt Potsdam als örtlichem Träger der Jugendhilfe. Dieser obliegt damit die Verantwortung einschließlich der Planungsverantwortung , die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung zu stellen (§ 79 SGB VIII). Es ist abgesehen von - hier nicht erkennbaren - rechtsaufsichtlichen Prüfungsanlässen nicht die Aufgabe der Landesregierung, Bewertungen von Angeboten und Leistungen der örtlichen Träger vorzunehmen. Frage 8: Konnten bisher stets alle Potsdamer Kinder (und ggf. Mütter) und Jugendliche in den Notdiensten aufgenommen werden, die Schutz gesucht haben oder mussten aus Platzmangel Kinder und Jugendliche abgewiesen werden? zu Frage 8: Der Landesregierung liegen keine statistischen Erfassungen darüber vor, dass Aufnahmekapazitäten im Rahmen notwendiger akuter Schutzmaßnahmen in der Landeshauptstadt Potsdam nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen und dass Potsdamer Kinder und Jugendliche oder Mütter mit Kleinkindern aus Platzmangel abgewiesen wurden. Frage 9: In welcher Art und Weise wird das Jugendamt Potsdam von der Landesregierung unterstützt (bitte möglichst konkret)? zu Frage 9: Wie in der Antwort zu Frage 18 der Kleinen Anfrage 2695 (Drs. 6/6796) ausgeführt , unterstützt die Landesregierung die Kompetenzentwicklung der örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe, so auch das Jugendamt Potsdam, im Kinderschutz und in der Krisenintervention durch die Beratungs- und Qualifizierungsangebote der Fachstelle Kinderschutz (Start gGmbH), des Sozialtherapeutischen Instituts Berlin-Brandenburg (STIBB e.V.) sowie des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB). Weiterhin bietet die Einrichtungsaufsicht des MBJS den Jugendämtern (und freien Trägern ) gem. § 85 Abs. 2 Ziff. 7 SGB VIII im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens und des Betriebs von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe umfassende fachliche Beratung an, so auch bei der Konzipierung stationärer Angebote zur Krisenintervention und zur Betriebsführung diesbezüglicher Einrichtungen.