Landtag Brandenburg Drucksache 6/7138 6. Wahlperiode Eingegangen: 02.08.2017 / Ausgegeben: 07.08.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2825 des Abgeordneten Danny Eichelbaum (CDU-Fraktion) Drucksache 6/6938 Disziplinarverfahren bei Richtern und Staatsanwälten Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Disziplinarverfahren dienen dazu, mögliche Dienstvergehen von Richtern und Staatsanwälten zu prüfen und ggf. zu ahnden. Dienstvergehen können beispielsweise Verstöße gegen Treuepflichten sein und unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch liegen. Sinn und Zweck ist es, einen ordnungsgemäßen Dienstverlauf zu gewährleisten. Für Staatsanwälte und Richter des Landes Brandenburg gilt das Landesdisziplinargesetz (ggf. über die Verweisung aus § 73 Brandenburger Richtergesetz). Frage 1: Wie viele Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte gab es in den letzten fünf Jahren (bitte nach Gericht aufschlüsseln)? zu Frage 1: Das Brandenburgische Richtergesetz (BbgRiG) bestimmt in §§ 73 Absatz 3 und 74, welche Disziplinarmaßnahmen gegen Richterinnen und Richter ausgesprochen werden dürfen. Über §§ 73 Absatz 1, 95 Satz 2 BbgRiG gelten die Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes auch für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sinngemäß, soweit das BbgRiG nichts anderes bestimmt. Nach §§ 73 Absatz 1, 95 Satz 2 BbgRiG i. V. m. § 16 Absatz 1 LDG darf ein Verweis nach zwei Jahren, eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge und eine Kürzung des Ruhegehaltes dürfen nach drei Jahren und eine Zurückstufung darf nach sieben Jahren bei weiteren Disziplinarmaßnahmen und bei sonstigen Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden (Verwertungsverbot). Gemäß §§ 73 Absatz 1, 95 Satz 2 BbgRiG i. V. m. § 16 Absatz 3 Satz 1 LDG sind Eintragungen in der Personalakte über die Disziplinarmaßnahme nach Eintritt des Verwertungsverbotes von Amts wegen zu entfernen und zu vernichten. Die Richterin oder der Richter bzw. die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt gelten nach dem Eintritt des Verwertungsverbotes als von der Disziplinarmaßnahme nicht betroffen. Nach §§ 73 Absatz 1, 95 Satz 2 BbgRiG i. V. m. § 16 Absatz 4 Satz 1 LDG gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend für Disziplinarvorgänge, die nicht zu einer Disziplinarmaßnahme geführt haben. Der Beginn des Fristenlaufs für das Verwertungsverbot bestimmt sich individuell nach dem Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Disziplinarverfahrens. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7138 - 2 - Vor diesem Hintergrund basiert die Beantwortung der Frage 1 allein auf der Prüfung und Auswertung von Disziplinarvorgängen, die im erfragten Zeitraum eingeleitet worden sind und zum Zeitpunkt der Beantwortung noch nicht der Entfernungs- und Vernichtungspflicht unterlagen. Da eine gesonderte statistische Erfassung von Disziplinarverfahren nicht erfolgt , erfolgt die Beantwortung auf Grundlage der Angaben der beteiligten Geschäftsbereiche . Nach § 10 Satz 1 BbgRiG i. V. m. § 98 Absatz 2 Satz 1 Landesbeamtengesetz (LBG) dürfen Auskünfte aus Personalakten an Dritte nur mit Einwilligung der Richterin oder des Richters erteilt werden, es sei denn, dass die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen des Dritten die Auskunftserteilung zwingend erfordert. Die Regelung gilt für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unmittelbar. Da an einigen Gerichten des Landes Brandenburg nur wenige Richterinnen und Richter verwendet werden, ist die Zuordnung eines bestimmten Disziplinarverfahrens zu einer Richterin oder einem Richter bei einer Aufschlüsselung nach Gerichten nicht auszuschließen . Vor diesem Hintergrund wird von der erbetenen Aufschlüsselung nach Gerichten abgesehen , es erfolgt lediglich eine Aufschlüsselung nach Gerichtsbarkeiten. In den letzten fünf Jahren wurden fünfzehn Disziplinarverfahren gegen Richterinnen und Richter eingeleitet. Davon entfielen auf die ordentliche Gerichtsbarkeit neun, auf die Verwaltungs -, Finanz- und Arbeitsgerichtsbarkeit jeweils ein und auf die Sozialgerichtsbarkeit drei Disziplinarverfahren. Gegen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wurden sechs Disziplinarverfahren eingeleitet. Frage 2: Wie viele Verfahren endeten in den letzten fünf Jahren mit einer a. Einstellung b. Disziplinarverfügung c. Disziplinarklage? (bitte nach Richtern und Staatsanwälten, sowie den Gerichten aufschlüsseln) zu Frage 2: Hinsichtlich der Beantwortung der Fragen 2a und 2b wird zunächst auf den zu Frage 1 beschriebenen Bezugsrahmen verwiesen. zu 2a. Richterinnen und Richter betreffende Disziplinarverfahren wurden mit neun Einstellungsverfügungen abgeschlossen. Davon entfielen auf die ordentliche Gerichtsbarkeit sechs und auf die Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit jeweils eine Einstellung. Gegen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eingeleitete Disziplinarverfahren wurden in vier Fällen eingestellt. zu 2b. Gegen Richterinnen und Richter wurden in drei Fällen (ein Fall in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, zwei Fälle in der Sozialgerichtsbarkeit) Disziplinarverfügungen erlassen. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte waren vom Erlass einer Disziplinarverfügung nicht betroffen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7138 - 3 - zu 2c. Die Beantwortung der Frage erfolgt unabhängig von dem Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens und basiert auf den Angaben des Dienstgerichts des Landes Brandenburg. Disziplinarklage und Nachtragsdisziplinarklage wurde im erfragten Zeitraum nur gegen Richterinnen und Richter in acht Fällen (ein Fall in der Arbeitsgerichtsbarkeit, ein Fall in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sechs Fälle in der ordentlichen Gerichtsbarkeit) erhoben. Frage 3: Was waren in den letzten fünf Jahren die am häufigsten angewendeten Disziplinarmaßnahmen auf Richter bzw. Staatsanwälte (bitte nach Gericht aufschlüsseln)? zu Frage 3: Auf den zu Frage 1 beschriebenen Bezugsrahmen wird zunächst verwiesen. Die im erfragten Zeitraum am häufigsten gegenüber Richterinnen und Richtern ausgesprochene Disziplinarmaßnahme war der Verweis. Disziplinarmaßnahmen gegenüber Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wurden nicht ausgesprochen. Frage 4: Wie oft wurde ein Disziplinarverfahren in den letzten fünf Jahren gemäß § 19 LDG auf Antrag des Beamten selbst eingeleitet (bitte nach Gericht aufschlüsseln)? zu Frage 4: Auf den zu Frage 1 beschriebenen Bezugsrahmen wird zunächst verwiesen. In den letzten fünf Jahren wurde kein Disziplinarverfahren auf Antrag einer Richterin oder eines Richters bzw. einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwaltes eingeleitet. Frage 5: Wie oft wurde die Einleitung des Verfahrens gemäß § 19 Absatz 2 LDG abgelehnt ? zu Frage 5: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Frage 6: Wie lang war die durchschnittliche Verfahrensdauer in den letzten fünf Jahren (bitte aufschlüsseln nach Art des Disziplinarverfahrens, Staatsanwälten bzw. Richtern und Gericht, an dem sie tätig sind)? zu Frage 6: Auf den zu Frage 1 beschriebenen Bezugsrahmen wird zunächst verwiesen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der gegen Richterinnen und Richter eingeleiteten behördlichen Disziplinarverfahren betrug sieben Monate, die durchschnittliche Verfahrensdauer der gegen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eingeleiteten Disziplinarverfahren betrug zwanzig Monate. Im erfragten Zeitraum wurde ein bei dem Dienstgericht anhängiges Disziplinarklageverfahren beendet, die Verfahrensdauer von der Einleitung des Disziplinarverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichts betrug 34 Monate. Frage 7: Wer ist für die Durchführung von Disziplinarverfahren jeweils zuständig (bitte aufschlüsseln ) zu Frage 7: Nach §§ 73 Absatz 1, 95 Satz 2 BbgRiG i. V. m. § 17 Absatz 1 LDG werden die Disziplinarbefugnisse im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens von den zuständigen Dienstvorgesetzten, Behörden und Einrichtungen ausgeübt. Verantwortlich für Einleitung von disziplinarischen Ermittlungen ist im Regelfall der unmittelbare Dienstvorgesetzte , dem die Dienstaufsicht obliegt. Nach §§ 73 Absatz 1, 95 Satz 2 BbgRiG i. V. m. § 18 Absatz 1 Satz 2 LDG stellen der höhere Dienstvorgesetzte Landtag Brandenburg Drucksache 6/7138 - 4 - und die oberste Dienstbehörde im Rahmen ihrer Aufsicht die Erfüllung der Dienstpflicht des Dienstvorgesetzten, bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, sicher; sie können das Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen. Im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit üben der Präsident des Oberlandesgerichts und die Präsidenten der Landgerichte die Dienstaufsicht über Richterinnen und Richter ihres Bezirks, die Präsidentin des Amtsgerichts Potsdam über die Richterinnen und Richter ihres Gerichts aus. Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg übt die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften, die Leitenden Oberstaatsanwälte üben die Dienstaufsicht über ihre Staatsanwaltschaft aus. Oberste Dienstaufsichtsbehörde für die Gerichte und Staatsanwaltschaften ist das für Justiz zuständige Mitglied der Landesregierung (vgl. § 8 Absatz 1 Brandenburgisches Gerichtsorganisationsgesetz - BbgGerOrG -). Die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsgerichte des Landes Brandenburg führt die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts (vgl. § 15 Absatz 2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG - i. V. m. § 2 Absatz 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit vom 7. Dezember 2006 - ArbGZV -, Artikel 9 Absatz 3 des Staatsvertrages über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 in der Fassung des Staatsvertrages vom 7. Februar 2011). Die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter des Landesarbeitsgerichts Berlin- Brandenburg führt ebenfalls die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts (vgl. § 34 Absatz 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 1 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung zur Übertragung der Geschäfte der Verwaltung und Dienstaufsicht auf die Präsidentin/den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Oktober 2006, Artikel 9 Absatz 3 des genannten Staatsvertrages). Die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter des Finanzgerichts Berlin- Brandenburg obliegt dem Präsidenten des Finanzgerichts (vgl. § 31 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Präsidenten der Verwaltungsgerichte üben die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter des jeweiligen Verwaltungsgerichts aus, übergeordnete Dienstaufsichtsstelle für die Verwaltungsgerichte ist der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg, der auch die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg führt (vgl. § 38 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Für die Ausübung der Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Brandenburg ist die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin- Brandenburg zuständig, der auch die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter des Landessozialgerichts obliegt (vgl. §§ 9 Absatz 1, 30 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 2 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 2 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit - ZuSozV -, Artikel 9 Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 des genannten Staatsvertrages). Landtag Brandenburg Drucksache 6/7138 - 5 - Die übergeordnete Dienstaufsicht über die gemeinsamen Fachobergerichte obliegt der Justiz- bzw. Arbeitsverwaltung des jeweiligen übertragenden Landes (vgl. Artikel 9 Absatz 3 Satz 2 des genannten Staatsvertrages für das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Potsdam und für das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Berlin) bzw. des Sitzlandes (vgl. Artikel 4 Absatz 2 des genannten Staatsvertrages für das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Berlin und das Finanzgericht Berlin- Brandenburg mit Sitz in Cottbus). Frage 8: Wieviel Anteil haben Disziplinarklagen an dem Gesamtaufkommen von Neueingängen bei Gericht in den letzten fünf Jahren? zu Frage 8: Für die Entscheidung in Disziplinarverfahren gegen Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind das Dienstgericht des Landes Brandenburg bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) und der Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zuständig (vgl. §§ 65, 95 BbgRiG). Bei dem Dienstgericht des Landes Brandenburg gingen im Zeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2017 insgesamt 43 Verfahren ein. Davon entfielen sechs Verfahren auf Disziplinarklagen und zwei Verfahren auf Nachtragsdisziplinarklagen. Der Anteil der Disziplinarklagen beträgt damit 18,6%. Bei dem Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg als Berufungs- und Beschwerdegericht wurden in dem genannten Zeitraum ausschließlich Disziplinarklagen (zehn) gegen Richterinnen und Richter geführt. Der Anteil der Disziplinarklagen beträgt damit 100%.