Landtag Brandenburg Drucksache 6/7160 6. Wahlperiode Eingegangen: 07.08.2017 / Ausgegeben: 14.08.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2828 der Abgeordneten Iris Schülzke (BVB/FREIE WÄHLER Gruppe) Drucksache 6/6950 Kosmetiksalon - Herzberg/E. Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Am Mittwoch, den 28. Juni 2017 wurde in Herzberg/E. eine Kosmetikerin von einem Angestellten während der Arbeitszeit tätlich angegriffen und mit einem Messer durch einen Schnitt und mehrere Stiche schwer verletzt. Der Angestellte ist ein Flüchtling aus Syrien, die Unternehmerin hatte sich um Wohnung, umfängliche Integration, bis zu Behördengängen und Sprachausbildung intensiv um diesen Flüchtling bemüht. Nach der Tat, mussten der Kosmetiksalon und die Frisierstube mehrere Tage geschlossen bleiben. Die Verletzte wurde mehrere Tage im Krankenhaus behandelt, das weitere Personal war völlig verängstigt und hatte große Probleme auch in die Frisierstube zur Arbeit zurückzukehren. Ich frage die Landesregierung: Frage 1: Sind weitere oder ähnliche Vorfälle bekannt, bei denen Integrationshelfer oder Arbeitgeber bedrängt oder sogar tätlich verletzt wurden? (Bitte die letzten 5 Jahre betrachten ) Frage 2: Wenn ja, in welchen Landkreisen gab es diese Vorfälle und wie viele? zu Fragen 1 und 2: Die Fragen 1 und 2 werden wegen des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Statistiken, die nach den benannten Merkmalen unterscheiden, werden im Land Brandenburg nicht geführt. Der Landesregierung liegen daher keine Daten im Sinne der Anfrage vor. Frage 3: Welche Hilfen werden der Betroffenen in Herzberg/E., außer der medizinischen Behandlung der Stich- und Schnittverletzungen, zur Verfügung gestellt? zu Frage 3: Der Landesregierung sind aus Gründen des Daten- und Opferschutzes keine Angaben zu den im konkreten Einzelfall geleisteten Hilfen möglich. Frage 4: Wer ist zuständig, für Hilfen wegen der gewerblichen Ausfälle in den beiden Geschäften ? zu Frage 4: Soweit derartige gewerbliche Ausfälle seitens der Geschäftsbetreiberin bzw. des Geschäftsbetreibers nicht im Wege der privaten Vorsorge versicherungstechnisch ab- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7160 - 2 - gedeckt sind, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, entsprechende Schäden beim Verursacher zivilrechtlich vor den zuständigen Gerichten geltend zu machen. Ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls und von den unabhängigen Gerichten zu bewerten. Eine staatliche Einstandspflicht für private Schäden, die aufgrund unerlaubter Handlungen Dritter entstehen, besteht hierbei nicht. Die Handwerkskammern bieten auf entsprechende Nachfrage eine betriebswirtschaftliche Beratung mit dem Ziel an, in einer Notsituation den Betrieb aufrechterhalten zu können. Frage 5: Muss eine schwerverletzte Person in diesen Fällen sich selbst um psychologische Hilfe für sich und Ihre Angestellten bemühen bzw. diese beantragen? Frage 6: Wie ist die psychologische Betreuung des Opfers organisiert, welche Hilfen werden für das Personal zur Verfügung gestellt? Frage 7: Wer ist Ansprechpartner in solchen Situationen für die Geschädigten? Frage 8: Gibt es außer der Polizei, die für die Taterfassung zur Verfügung stand, eine Behörde , die in solchen Fällen den Geschädigten helfend zur Seite steht und welche ist das? zu Fragen 5 bis 8: Die Fragen 5 bis 8 werden wegen des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Vorbemerkungen: Unter den mit Fragen 5 bis 8 erfragten (psychologischen) Hilfen für den Fall einer in einem Betrieb bzw. in einem Unternehmen verübten Gewalttat, von der wie in Herzberg/E. sowohl die Unternehmerin oder der Unternehmer, als auch dort tätige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sind, sind sämtliche möglichen gesetzlichen Leistungsansprüche sowie darüber hinausgehende Hilfe- und Unterstützungsleistungen für die Betroffenen zu fassen. Diese können vielgestaltig sein und sich nach den Bedarfen des konkreten Falls unterscheiden. Art und Umfang der Hilfen hängen zum einen das Opfer der Gewalttat selbst betreffend, zum anderen für die Personen, die in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer die Gewalttat miterlebt haben und ggf. selbst verletzt wurden, sowohl von der konkreten Situation, als auch von der im Einzelfall gegebenen Rechtslage ab. Allein unter dem in Frage 5 verwendeten Begriff „psychologische Hilfen “ können psychotherapeutische Behandlungen, professionelle oder ehrenamtliche psychosoziale Betreuung und im weitesten Sinne auch jeder persönliche Beistand für die Betroffenen verstanden werden. Die Antwort zu Fragen 5 bis 8 bietet daher ohne Anspruch auf Vollständigkeit und losgelöst vom konkreten Einzelfall einen allgemeingültigen Überblick , auf welchem Wege und auf welcher Grundlage den Betroffenen in derartigen Situationen Hilfe und Unterstützung zukommt. Bei einer in einem Betrieb bzw. in einem Unternehmen verübten Gewalttat, von der sowohl die Unternehmerin oder den Unternehmer, als auch dort tätige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sind, kommen nach der polizeilichen und medizinischen Erstbetreuung vor Ort Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung, nach dem Sozialen Entschädigungsrecht sowie weitere Hilfe- und Unterstützungsleistungen, insbesondere auch von Opferhilfeeinrichtungen, in Betracht. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind gegen die Folgen von Arbeitsunfällen – dazu zählen auch im Rahmen einer versicherten Tätigkeit durch eine Gewalttat erlittene körperliche Verletzungen oder psychische Traumata – versichert. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, das sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften bzw. für Beschäf- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7160 - 3 - tigte im öffentlichen Dienst die Unfallkassen der Länder und des Bundes, sind nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen , durch die eine sofort nach dem Arbeitsunfall einsetzende schnelle und sachgemäße Heilbehandlung gewährleistet ist. Ein eigener Antrag der verletzten Person ist hierzu nicht erforderlich; die Unfallversicherungsträger werden von Amts wegen aufgrund einer Unfallanzeige tätig. Voraussetzung dafür ist eine rasche Meldung des Unfallhergangs an den zuständigen Leistungsträger. Die Pflicht zur Erstattung einer Unfallanzeige obliegt der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber oder einer bevollmächtigten Person. Die Unfallversicherung erbringt Leistungen der Heil- und Krankenbehandlung einschließlich psychotherapeutischer Behandlung, Rehabilitationsmaßnahmen sowie finanzielle Leistungen wie z. B. Verletztengeld oder Verletztenrente und ggf. weitere Hilfen. Die psychosoziale Betreuung ist im Rahmen der sozialen Rehabilitation ebenfalls Aufgabe der Unfallversicherungsträger . Auch die meisten Selbstständigen, Unternehmerinnen oder Unternehmer können sich gegen die Folgen eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung versichern. Bestimmte Personenkreise von Selbständigen, wie Hebammen, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten oder Hausgewerbetreibende sind gesetzlich pflichtversichert. Im Übrigen regeln die Satzungen der Berufsgenossenschaften, inwieweit auch Selbständige, Unternehmerinnen und Unternehmer Versicherungsschutz erhalten können. Opfer von Gewalttaten haben nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) Anspruch auf Versorgung der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der durch die Gewalttat verursachten Schädigung. Die Entscheidung über die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem OEG obliegt in Brandenburg dem Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV). Die Gewährung von Versorgungsleistungen erfolgt auf Antrag und kann Heil- und Krankenbehandlung einschließlich psychotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen, Rehabilitationsmaßnahmen sowie finanzielle Leistungen wie z. B. Versorgungskrankengeld oder Versorgungsrente und abhängig vom Bedarf verschiedene weitere Hilfen umfassen. Ersatz für Sach- oder Vermögensschäden leistet das OEG nicht. Das Landesamt für Soziales und Versorgung informiert im Rahmen seiner Auskunfts- und Beratungspflicht zu möglichen Ansprüchen und unterstützt bei der Antragstellung. Anträge auf Sozialleistungen können bei jedem Leistungsträger gestellt werden und werden außerdem von allen Gemeinden entgegengenommen . Die Leistungen der Opferentschädigung sind gegenüber den Leistungen aus der Unfallversicherung nachrangig. Die Betreuung der Opfer von Gewaltverbrechen ist Bestandteil der kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Diese Aufgabe wird von speziell geschulten und geeigneten Kriminalbeamtinnen und -beamten übernommen, die mindestens für die Dauer der kriminalpolizeilichen Ermittlungen ständige Ansprechperson der Opfer sind. Sie informieren Opfer (und Hinterbliebene ) über ihre Rechte sowie über Hilfsangebote, so auch zur psychosozialen Prozessbetreuung . Grundlage dafür ist das Opferschutzgesetz. Kontakt zu konkreten Opferschutzeinrichtungen oder Hilfsorganisationen werden im Einzelfall in Absprache mit dem Opfer vermittelt. Opfer erhalten in Abhängigkeit von der Lage des Einzelfalles folgende Merkblätter ausgehändigt: - Merkblatt über Rechte von Verletzten/Geschädigten („Opfermerkblatt“), - Merkblatt Opferhilfe Land Brandenburg, - Merkblatt Psychosoziale Prozessbetreuung sowie - einen Kurzantrag auf Versorgungsleistungen nach dem OEG. Sofern das Opfer den Kurzantrag auf Versorgungsleistungen nach dem OEG ausfüllt, wird dieser durch die Polizei an das Landesamt für Soziales und Versorgung weitergeleitet. Die Landtag Brandenburg Drucksache 6/7160 - 4 - Entscheidung darüber, welche Hilfen in Anspruch genommen bzw. beantragt werden, obliegt allein dem Opfer nach sachkundiger Beratung durch die ermittelnden Personen. Eine Kontrolle, ob und wenn ja, welche Hilfen ein Opfer in Anspruch nimmt, ist nicht Gegenstand der polizeilichen Arbeit bzw. des polizeilichen Opferschutzes. Sobald eine verletzte Person in einem Krankenhaus behandelt wird, tragen die behandelnden Fachkräfte die Verantwortung für die Betreuung. Bei Bedarf wird eine psychiatrische Behandlung angeboten und weitere psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfen werden vermittelt. Nach einem Krankenhausaufenthalt kann die Psychiatrische Institutsambulanz bei Bedarf Hilfe leisten. Darüber hinaus ist es Aufgabe der jeweils behandelnden Hausärztin bzw. des jeweils behandelnden Hausarztes, seine Patientin oder seinen Patienten bei einer bestehenden oder drohenden psychischen Erkrankung an entsprechende Fachärztinnen und Fachärzte oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu überweisen. Die Heil- und Krankenbehandlung einschließlich psychotherapeutischer Maßnahmen nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten Betroffene unbeschadet möglicher, ggf. noch nicht festgestellter Ansprüche aus der Unfallversicherung oder der Opferentschädigung. Über gesetzlich geregelte Leistungsansprüche und Hilfen hinaus bestehen für Opfer entsprechender Angriffe, die eine Betreuung und Begleitung wünschen, vielfältige Möglichkeiten , auf die örtliche Tätigkeit von Opferhilfeorganisationen zurückzugreifen. Die Opferhilfeorganisationen bieten in ihren Beratungsstellen vor Ort umfangreiche Beratungs- und Begleitangebote für Kriminalitätsopfer an und vermitteln, wenn notwendig, Hilfsmaßnahmen. Zu nennen sind hierbei beispielsweise die Angebote der „Opferhilfe e. V.“ mit landesweit sechs Beratungsstellen, die Angebote des „Weißen Ringes“ mit entsprechenden Außenstellen in jedem Kreis bzw. in den kreisfreien Städten des Landes. Das Land Brandenburg fördert und unterstützt die Tätigkeit dieser Opferhilfeorganisationen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten ideell und finanziell. Somit können Kriminalitätsopfer in Brandenburg flächendeckend auf Hilfsangebote der Opferverbände zurückgreifen. Seit dem 1. Januar 2017 besteht zudem ein gesetzlich festgelegter Rechtsanspruch auf eine psychosoziale Prozessbegleitung gemäß § 406g der Strafprozessordnung. Verletzte, insbesondere Kinder- und Jugendliche, bei besonderer Schutzbedürftigkeit auch Erwachsene , können sich auf Antrag des Beistandes einer psychosozialen Prozessbegleiterin bzw. eines psychosozialen Prozessbegleiters im Rahmen des durchgeführten Strafverfahrens bedienen, wenn die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für eine solche Begleitung vorliegen. Die psychosoziale Prozessbegleitung ist für die Verletzten kostenfrei. Frage 9: Welche Aktivitäten und unterstützende Kontakte gab es bisher für die betroffene Unternehmerin in Herzberg/E.? (Bitte einzeln auflisten) zu Frage 9: Für die Gewährung von Leistungen nach dem OEG bedarf es eines entsprechenden Antrages bei der zuständigen Behörde. Das Landesamt für Soziales und Versorgung hat deshalb den Kontakt zu der betroffenen Unternehmerin in Herzberg/E. gesucht, um über mögliche Ansprüche zu informieren und eine Antragstellung anzuregen. Hinsichtlich der Angaben zu einzelnen konkreten Unterstützungsleistungen wird im Übrigen auf die Ausführungen zu Frage 3 verwiesen.