Landtag Brandenburg Drucksache 6/7167 6. Wahlperiode Eingegangen: 08.08.2017 / Ausgegeben: 14.08.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2831 der Abgeordneten Marie Luise von Halem (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Michael Jungclaus (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Ursula Nonnemacher (Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN), Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Heide Schinowsky (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Axel Vogel (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/6954 Wahlkampf auf private Kosten Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Um in aussichtsreichen Wahlkreisen als Direktkandidatin oder Direktkandidat kandidieren zu dürfen, müssen laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Monitor“ vom 18.05.2017 - „Ohne Geld kein Mandat? Die teure Mitgift der Bundestagskandidaten “ - in den betreffenden Parteien teils erhebliche Zahlungen aus Eigenmitteln als Voraussetzung für eine Aufstellung geleistet werden. Diese werden etwa in Form der Finanzierung von Wahlkampfmaterial oder als Parteispende bezahlt. Weniger zahlungskräftige Menschen werden dadurch entweder völlig von einer Kandidatur abgeschreckt oder verschulden sich erheblich für eine Aufgabe, für die Parteien staatliche Unterstützung erhalten. Unter anderem wird in Bericht auch ein Brandenburger SPD- Direktkandidat des letzten Bundestagswahlkampf zitiert, der für seine Aufstellung sogar einen Kredit aufnehmen musste. Aus demokratiepolitischer Sicht ist dies äußerst problematisch , führen doch finanzielle Hürden zu einer erheblichen faktischen Einschränkung der Bereitschaft, für ein Amt zu kandidieren und zu einer noch stärkeren Unterrepräsentation einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen in den Parlamenten. 1. Wie bewertet die Landesregierung die in dem „Monitor“-Bericht beschriebene Praxis bei der Aufstellung von Direktkandidatinnen und -kandidaten? Zu Frage 1: Behauptet wird im Bericht des „Monitor“, in deutschen Parteien existiere die „Praxis“, Parteimitglieder als Bewerber für öffentliche Wahlen nur unter der Bedingung zu nominieren, dass diese mit Zahlungen aus Eigenmitteln zur Finanzierung ihres Wahlkampfes beitrügen. Die Landesregierung kann nicht überprüfen, ob die wenigen im Bericht angeführten Indizien tatsächlich auf eine verbreitete „Praxis“ schließen lassen. Sie weist allerdings darauf hin, dass es sich bei dem dargestellten Zusammenhang insgesamt um einen Gegenstand handelt, der nicht ihr Verantwortungsgebiet, sondern die innere Ordnung der politischen Parteien betrifft. Gemäß § 21 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes und analog gemäß den Wahlgesetzen der Bundesländer (für Brandenburg vgl. insoweit § 25 BbgLWahlG) werden die Direktkandidatinnen und -kandidaten der Parteien „in einer Mitgliederversammlung zur Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder in einer besonderen oder Landtag Brandenburg Drucksache 6/7167 - 2 - allgemeinen Vertreterversammlung“ in geheimer Wahl gewählt. Damit ist zugleich der Ort beziehungsweise der Personenkreis benannt, der aufgerufen und imstande wäre, mögliche Fehlentwicklungen bei der Nominierung von Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern innerhalb der Parteien zu korrigieren. 2. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, ob im derzeitigen Landtag Abgeordnete vertreten sind, bei denen im Vorfeld ihrer Kandidatur Parteispenden, Finanzierung von Wahlkampfmaterial oder sonstige direkte oder indirekte Zahlungen als Voraussetzung für ihre Aufstellung formuliert wurden? Zu Frage 2: Nein. 3. Kann die Landesregierung ausschließen, dass es unter den Mitgliedern der Landesregierung Abgeordnete gibt, bei denen in der Vergangenheit eine Aufstellung durch eine solche Praxis stattgefunden hat? Zu Frage 3: Der Landesregierung ist nicht bekannt, ob Mitglieder der Landesregierung in ihrer Eigenschaft als Wahlkreisbewerber in der Vergangenheit auch eigene finanzielle Mittel aufgewendet haben, um ihren Wahlkampf zu finanzieren. Es entspricht allerdings der langjährigen politischen Praxis aller Parteien und ist im Übrigen auch Ausdruck des großen Engagements der Bewerberinnen und Bewerber für die politischen Anliegen ihrer jeweiligen Parteien, ihren Wahlkampf auch mit eigenen Mitteln zu unterstützen. Die Landesregierung besitzt auch keine Erkenntnisse darüber, dass Mitglieder der Landesregierung erst nach einer Zusage von Zahlungen aus Eigenmitteln als Wahlkreisbewerber aufgestellt wurden. 4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um den im Bericht beschriebenen demokratiepolitische Defiziten entgegenzuwirken? Zu Frage 4: Die Landesregierung teilt ausdrücklich die demokratiepolitisch begründete Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller, dass die Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung und besonders die Möglichkeit, in öffentliche Wahlämter zu gelangen , grundsätzlich nicht davon abhängen sollen, über welche finanzielle Ausstattung Bürgerinnen und Bürger verfügen. In der Praxis ist erfreulicherweise einerseits nicht zu erkennen, dass die politischen Parteien in Brandenburg in auffälliger Weise von Mitgliedern besonders finanzkräftiger Eliten dominiert wären. Andererseits ist empirisch nicht zu bestreiten, dass die individuelle Fähigkeit zur wirksamen Beteiligung am demokratischen Prozess in westlichen Demokratien regelmäßig davon beeinflusst wird, ob die betreffenden Bürgerinnen und Bürger über einschlägige persönliche Ressourcen verfügen. Zu persönlichen Ressourcen, die geeignet sind, gesellschaftliches und politisches Engagement zu begünstigen, gehören Faktoren wie Zeit, Erfahrung, Vernetztheit innerhalb der lokalen Gemeinschaft, zweifellos aber auch Bildungsstand und finanzielle Ausstattung. Die Landesregierung bezweifelt, dass diese Ressourcen innerhalb einer freiheitlichen Gesellschaft jemals völlig gleichmäßig verteilt sein können. Ihr ist bewusst, dass deshalb hinsichtlich der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Prozessen der politischen Willensbildung auch in Brandenburg der bekannte tendenzielle „Mittelschicht-Bias“ existiert, dass also besser gebildete und finanziell befriedigend ausgestattete Menschen eher zur aktiven Partizipation in Zivilgesellschaft und Parteien neigen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7167 - 3 - Umso mehr sieht sich die Landesregierung dem Leitbild einer inklusiven Gesellschaft mündiger Bürger verpflichtet. Deshalb setzt sie sich in vielfältiger Weise dafür ein, dass allen Brandenburgerinnen und Brandenburgern Lebenschancen und damit auch die Befähigung zur Beteiligung an der politischen Willensbildung in vollem Umfang offen stehen. Voraussetzungen dafür werden mit Hilfe zeitgemäßer Bildungs- und Sozialpolitik, aber auch mit den Instrumenten der Politischen Bildung sowie mit aktivierender Engagementpolitik geschaffen und verbessert. Insgesamt ist die Landesregierung bestrebt, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten zur Beteiligung möglichst breiter Bevölkerungsgruppen an den Willensbildungsprozessen der Brandenburger Gesellschaft beizutragen. Sie ist zuversichtlich, auf diese Weise – indirekt – auch einen positiven Einfluss zugunsten der Lebendigkeit, der Attraktivität und der inneren Pluralität der demokratischen politischen Parteien in Brandenburg auszuüben . Dies wiederum kann dazu beitragen, mutmaßlich bestehende demokratiepolitische Defizite der Parteien zu verringern. Paragrafen 20 ff. des Bundeswahlgesetzes erlauben jeder Partei, nur einen Kreiswahlvorschlag einzureichen, über den die Parteimitglieder des Wahlkreises (oder eine gewählte Vertreterversammlung) in geheimer Wahl entscheiden