Landtag Brandenburg Drucksache 6/7196 6. Wahlperiode Eingegangen: 16.08.2017 / Ausgegeben: 21.08.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2858 des Abgeordneten Peter Vida (BVB/FREIE WÄHLER Gruppe) Drucksache 6/7008 Kosten und Zukunft bei Wasser und Abwasser im Land Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat eine Studie zu Abwassergebühren in Deutschland erarbeitet. Darin wurden die Gebühren in 100 großen Städten nach Höhe sortiert. Die Städte Potsdam und Cottbus liegen mit den höchsten Abwassergebühren deutschlandweit auf den Plätzen 100 und 99. Hier kostet die gleiche Menge (178 m³ /a) mit 840 und 910 € (gerundet) mehr als dreimal so viel wie in Ludwigsburg oder Heidelberg. Zusammenfassend gilt: Die neuen Bundesländer haben die deutschlandweit höchsten Gebühren. Das IW will mit dieser Information dazu anregen, die Ursachen zu untersuchen, die Gebühren korrekt zu berechnen und vorzugsweise nach unten zu korrigieren, um Standortnachteile für die Bevölkerung und für gewerbliche Unternehmen zu beseitigen. Die Auswertung wird noch dramatischer, wenn bedacht wird, dass die ohnehin schon hohen Preise in Potsdam und Cottbus für Brandenburger Verhältnisse geradezu moderat sind. So werden in kleineren Orten – wie etwa Sonnewalde - noch einmal deutlich höhere Gebühren abgerechnet. Diese kleineren Orte wurden vom IW jedoch nicht erfasst. Zahlreiche Bürger haben sich an uns gewandt und möchten wissen, was die Landesregierung gegen die hohen (Ab)Wasserkosten unternommen hat oder unternehmen will. Vorbemerkungen der Landesregierung: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat im Zusammenhang mit der in der Kleinen Anfrage zitierten Studie darauf hingewiesen, dass bei der Diskussion über regionale Unterschiede bei den Abwassergebühren zahlreiche Kosten bestimmende Faktoren berücksichtigt werden müssen. Die Landesregierung schließt sich dieser Einschätzung an. Auch ignoriert der hier in Rede stehende Gebührenvergleich die unterschiedlichen strukturellen Gegebenheiten. So entsprechen zum Beispiel die dem Vergleich zu Grunde liegenden Annahmen eines Musterhaushalts mit vier Personen und einem jährlichen Frischwasserverbrauch von 178 Kubikmeter (entspricht 122 l pro Person und Tag) keineswegs den typischen Verhältnissen im Land Brandenburg. Zudem gibt die Landesregierung zu bedenken, dass die Höhe der Gebühren im Bereich der leitungsgebundenen Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung auch davon abhängig ist, ob der jeweilige Aufgabenträger Beiträge nach § 8 KAG oder Baukostenzuschüsse erhebt oder eine ausschließliche Gebührenfinanzierung vornimmt, so dass allein der Vergleich der Gebührensätze keine Aussage darüber ermöglicht, wie hoch die tatsächliche Abgabenbelastung für die Trinkwasserver- bzw. Abwasserentsorgung ist. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7196 - 2 - Daher frage ich die Landesregierung: 1. Welche Gebühren für Trinkwasser und Abwasser verlangen die einzelnen Wasser- und Abwasserzweckverbände in Brandenburg von den Bürgern? Bitte tabellarisch aufschlüsseln , bei unterschiedlichen Preisen innerhalb einen Zweckverbands bitte entsprechend untergliedern! zu Frage 1: Die Festlegung der Gebühren für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung ist Bestandteil der Finanzhoheit der kommunalen Aufgabenträger und gehört zum Kernbereich der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung. Die in eigener Verantwortung von den Gemeindevertretungen oder Verbandsversammlungen beschlossenen Gebührensatzungen sind weder anzeige- noch genehmigungspflichtig. Daher liegen der Landesregierung keine umfassenden Erkenntnisse über die von den einzelnen kommunalen Aufgabenträgern erhobenen Trinkwasser- und Abwassergebühren vor. (Das Unterrichtungsrecht der Kommunalaufsicht ist nach § 112 der Kommunalverfassung für das Land Brandenburg (BbgKVerf) anlassbezogen auszuüben, so dass eine flächendeckende Abfrage nicht in Betracht kommen kann.) Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung auf Frage 1 der Kleinen Anfrage 2379 (Drucksache 6/5944) hingewiesen . 2. Stimmt die Landesregierung der Auffassung zu, dass der Zustand extrem hoher Wasser - und Abwassergebühren auf Dauer nicht hinnehmbar ist und dass es erforderlich ist, diesbezüglich regulierend einzugreifen? zu Frage 2: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung veranlasst, um die Abwassergebühren in Brandenburg in absehbarer Zeit zu senken? zu Frage 3: Die Abwasserentsorgung zählt grundsätzlich zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Kommunen gemäß Artikel 28 Abs. 2 GG sowie § 2 Abs. 2 BbgKVerf. Abwassergebühren oder Preise für die Abwasserentsorgung liegen folglich in der Verantwortung der kommunalen Aufgabenträger. Ein direkter, regulierender Einfluss des Landes auf das Gebühren - oder Preisniveau bei der Abwasserentsorgung hat folglich keine entsprechende Rechtsgrundlage. Ungeachtet dessen unterstützt die Landesregierung mit Förderprogrammen die Aufgabenträger bei der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung. Mit Hilfe von Finanzmitteln in Höhe von insgesamt rund 227,02 Mio EUR aus dem Schuldenmanagementfonds (SchMF) wurden Aufgabenträger der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung des Landes Brandenburg im Zeitraum von 1999 bis 2016 (Laufzeit dieses Fonds) unterstützt . Die Hilfsleistungen zielten auf die wirtschaftliche Stabilisierung der Aufgabenträger einschließlich der Anregung interkommunaler Zusammenarbeit. Auf diese Weise wurden Handlungsspielräume erschlossen, die auch Gebühren stabilisierend wirkten. Schließlich wurde ermöglicht, einen Teil der gewährten SchMF –Mittel kostenrechnerisch wirksam zu machen. Auch so konnten Gebühren stabilisiert werden. Die Landesregierung stellte darüber hinaus finanzielle Mittel zur Unterstützung des Investitionsgeschehens der Aufgabenträger zur Verfügung. Im Zeitraum von 1991 bis 2016 beliefen sich die Hilfen für den Bereich Abwasser auf insgesamt rund 1.039,50 Mio EUR. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7196 - 3 - Diese investiven Fördermittel bewirkten eine wesentliche wirtschaftliche Entlastung der Aufgabenträger. 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, bis zur Lösung des Problems die Standortnachteile für Bürger, Gewerbe und Industrie auszugleichen? zu Frage 4: Es wird auf die Antwort zu Frage 3 hingewiesen. 5. Was hat die Landesregierung unternommen, eine der Hauptursachen hoher Gebühren – flächendeckende zentralisierte Kanalerschließung und überdimensionierte Großklärwerke – abzustellen? zu Frage 5: Das Land Brandenburg weist mit einem Anschlussgrad an die zentrale Kanalisation von 87,7 % bundesweit den geringsten Wert auf. In Ortslagen bis 500 Einwohnern beträgt der Anschlussgrad sogar nur 23,5% [Statistisches Bundesamt; Fachserie 19 Reihe 2.1.3, S. 31 ff; 2015]. Somit ist die Feststellung einer „flächendeckend zentralisierten Kanalerschließung “ gerade nicht zutreffend. Die Entscheidung darüber, welche Gebiete zentral erschlossen oder dauerhaft dezentral entsorgt werden, trifft die abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde in Ausübung ihrer kommunalen Selbstverwaltung. Eine indirekt lenkende Einflussnahme des Landes bestand und besteht darin, dass für die abwassertechnische Erschließung von Siedlungsgebieten mit weniger als 2000 Einwohnern keine Förderung gewährt wird. 6. Bereits vor eineinhalb Jahrzehnten wurde von Fachleuten nachgewiesen, dass ein angemessener Rückbau überdimensionierter und überlanger Abwasserkanäle zur Kostensenkung unvermeidbar ist. Wie viel km wirtschaftlich nicht mehr zu betreibender Kanäle wurden in Brandenburg seit dem Jahr 2000 zurückgebaut? zu Frage 6: Der Landesregierung liegen keine Angaben darüber vor, in welchem Umfang die Gemeinden in den zurück liegenden Jahren Bedarfsanpassungen durch Rückbau bestehender Kanalisationen vorgenommen haben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. Dezentrale Lösungen und interne Kreisläufe mit Wassernutzung werden von den meisten Experten in dünn besiedelten Regionen als kostengünstigere und auch ökologisch bessere Alternative zu überlangen Kanälen als Abwasserbeseitigungskonzept angesehen. Wird die Landesregierung dennoch weiter am Anschlusszwang an die zentrale Abwasserentsorgung festhalten? zu Frage 7: Gemäß § 12 Abs. 2 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgK- Verf) kann die Gemeinde aus Gründen des öffentlichen Wohls durch Satzung für die Grundstücke in ihrem Gebiet den Anschluss an öffentliche Einrichtungen (Anschlusszwang ) vorschreiben. Dies gilt u. a. insbesondere für Einrichtungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Einen Zwang der Landesregierung zum Anschluss an die zentrale Kanalisation besteht hingegen nicht. Vielmehr entscheiden die Kommunen im Rahmen ihres Abwasserbeseitigungskonzeptes gemäß § 66 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG) darüber, in welchen Gebieten welche Entsorgungsform zum Einsatz kommt. Ob die Kommune einen Anschluss- und Benutzungszwang in ihrem Gebiet vorsieht, kann sie durch Beschluss einer entsprechenden Satzung im Rahmen ihrer kommunalen Selbst- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7196 - 4 - verwaltung entscheiden. Der Gesetzgeber hat jedoch auch die Möglichkeit eröffnet (§ 12 Abs. 3 BbgKVerf sowie § 66 Abs. 4 BbgWG), Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Bestimmungen in der Satzung zuzulassen . Die Zulässigkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs sowie die Vereinbarkeit mit höhrerrangigem Recht wurde zudem vom OVG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 31.07.2003 -2 A 316/02) sowie von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bestätigt . Die Landesregierung sieht daher keine Veranlassung, diese gesetzlichen Regelungen zu ändern. 8. Über die Herkunft der wichtigsten Schadstoffe (Phosphate, Nitrate, Sulfate, Schwermetalle , Arzneimittel/Hormone) in den Fließgewässern Brandenburgs herrscht große Unsicherheit , verschiedene Verursacher schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Aus welchen Quellen (Haushaltsabwässer, gewerbliche Abwässer, Abwässer für Anbau von Nutzpflanzen, Tierhaltung, Bergbau) stammt welcher Anteil an diesen Schadstoffen in den Fließgewässern Brandenburgs? Bitte tabellarisch nach Quelle aufschlüsseln (es genügen Schätzungen)! zu Frage 8: Über die Herkunft und räumliche Verteilung von Nährstoffeinträgen (Phosphor und Stickstoff) bestehen für alle Fließgewässer und deren Einzugsgebiete detaillierte Kenntnisse, auf deren Grundlage Nähstoffreduzierungskonzepte auf verschiedenen Maßstabsebenen abgeleitet wurden. Wegen der Datenfülle wird hier von detaillierten Anhängen abgesehen und anstelle dessen auf die dahingehenden Veröffentlichungen verwiesen (z. B. Gemeinsames Handlungskonzept zur Reduzierung der Nährstoffbelastungen von Dahme, Spree und Havel in Berlin sowie der Unteren Havel in Brandenburg; Nährstoffreduzierungskonzepte der Teileinzugsgebiete Schwielochsee, Rhin, Oberhavel usw.). Beispielhaft wird hier das Einzugsgebiet der Havel charakterisiert. Die Phosphorfracht am Bilanzpegel Ketzin stammt aus folgenden Herkunftsbereichen: Fracht [t/a] Anteil [%] Punktquellen Land Berlin 98,2 44 Niederschlagswasser Trennsystem Berlin 23 10 Niederschlagswasser Mischsystem Berlin 12,7 6 Punktquellen Land Brandenburg 29 13 Niederschlagswasser Trennsystem Brandenburg 9 4 Landwirtschaft Brandenburg 52 23 Für die Einzugsgebiete der jeweiligen Zuflüsse bestehen detaillierte Bilanzierungen. Maßgebende Sulfatbelastungen sind nur im Einzugsgebiet der Spree zu verzeichnen, wobei hier bereits die Zuflüsse aus dem Freistaat Sachsen bergbaulich beeinflusst sind. Die Sulfatbilanz der Spree oberhalb von Berlin setzt sich zusammen aus 16% Sulfat natürlichen Ursprungs, 30% aus dem Sanierungsbergbau sowie 54% aus dem aktiven Bergbau. Auch für die Sulfateinträge bestehen kleinräumige Bilanzierungen auf der Ebene von Teileinzugsgebieten . Rückstände von Humanarzneimitteln gelangen praktisch ausschließlich über das gereinigte Abwasser aus Kläranlagen in die Gewässer. Über das Vorkommen und etwaige Eintragspfade von Tierarzneimitteln liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Für Hormone sowie Mikroschadstoffe mit hormonähnlicher Wirkung (endokrin wirksame Substanzen) liegen für das Land Brandenburg keine detaillierten Angaben zu Eintragspfaden vor. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7196 - 5 - 9. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die permanente Verschmutzung der Fließgewässer durch Substanzen, die laut Umweltbundesamt von klassischer Klärwerkstechnik nicht zurückgehalten werden können, und die Verschmutzung des Bodens durch undichte Kanalleitungen zu unterbinden? zu Frage 9: Der Umstand, dass bestimmte Verunreinigungen in herkömmlichen Kläranlagen nicht abbaubar sind, begründet sich in naturwissenschaftlichen Gegebenheiten, die von der Landesregierung nicht beeinflussbar sind. Das Land Brandenburg wirkt im Rahmen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) aktiv an der Ausarbeitung einer Mikroschadstoffstrategie der Bundesrepublik Deutschland mit. 10. Wie hoch beziffert die Landesregierung die durch unzureichende Klärwerke und undichte Abwasserkanäle in Fließgewässer bzw. das Grundwasser eingeleiteten Schadstoffmengen ? Bitte nach Schadstoffmengen aufgliedern! zu Frage 10: Die Kläranlagen im Land Brandenburg entsprechen dem Stand der Technik und erfüllen die Konformitätsanforderungen der Richtlinie 91/271/EWG (EU- Kommunalabwasserrichtlinie). Die Landesregierung widerspricht der Auffassung, dass die Klärwerke unzureichend seien. Über den Abwasseranteil, der aus schadhaften Kanalisationsabschnitten ggf. in den Untergrund versickert, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.