Landtag Brandenburg Drucksache 6/7226 6. Wahlperiode Eingegangen: 21.08.2017 / Ausgegeben: 28.08.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2911 der Abgeordneten Isabelle Vandre (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/7100 Diversität an Brandenburger Hochschulen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Eines der erklärten Ziele der Landesregierung ist die soziale Öffnung der Hochschulen. Dafür wurden die Zugangsvoraussetzungen zu einem Studium in Brandenburg in den vergangenen Jahren verändert. Studieninteressierte ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung können somit leichter ein Studium aufnehmen. Auch in den Hochschulverträgen ist eine Regelung zur Erhöhung der Durchlässigkeit beim Hochschulzugang enthalten. Diese gewollte Öffnung der Hochschulen führt allerdings auch zu einer größeren Heterogenität der Studierenden, was wiederum die Hochschulen vor neue Herausforderungen stellt. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwiefern hat ihrer Ansicht nach die Heterogenität der Studierenden in den vergangenen Jahren an den Hochschulen in Brandenburg zugenommen (z.B. hinsichtlich des Anteils von Studierenden mit Migrationshintergrund, Studierende aus nichtakademischen Elternhäusern , Studierende mit einer beruflichen Qualifizierung etc.)? Inwiefern gibt es hier Unterschiede zwischen den Hochschultypen bzw. den Hochschulen des Landes? zu Frage 1: An den brandenburgischen Hochschulen ist eine zunehmende Heterogenität der Studierenden zu beobachten. Insbesondere der Anteil ausländischer Studierender hat sich in den vergangenen Jahren maßgeblich gesteigert. Während im Jahr 2010 ein Anteil von 11,6 % ausländischen Studierenden an den Hochschulen des Landes studierte, waren es im Jahr 2016 bereits 16,4 %. Im Vergleichsjahr 2016 liegt der Anteil an Universitäten mit 16,8 % etwas höher als an Fachhochschulen mit 15,2 %. Zudem bewegt sich der Anteil der Studierenden mit beruflicher Qualifikation seit mehreren Jahren auf einem niedrigen Niveau zwischen 1,5 % (im Jahr 2013) und 1,2 % (im Jahr 2016). Im Vergleichsjahr 2016 ist der Anteil beruflich Qualifizierter an den Universitäten mit 0,5 % geringer als an Fachhochschulen mit 3,4 %. Über den Anteil Studierender aus nicht akademischen Elternhäusern kann keine Aussage getroffen werden, da diese Daten nicht Gegenstand statistischer Erhebungen sind. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7226 - 2 - 2. Wie bewertet sie vor diesem Hintergrund die vorgenommenen Maßnahmen zur Öffnung der Hochschulen? Welchen weiteren Handlungsbedarf sieht sie, um die Öffnung der Hochschulen weiter voranzutreiben? zu Frage 2: Bereits seit der Novellierung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes im Jahr 2008 wurde der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte kontinuierlich erweitert. Die Landesregierung bewertet diese Maßnahme und die damit verbundene Steigerung der Heterogenität an den Hochschulen des Landes als sehr positiv. Durch weitere Maßnahmen wie den Ausbau von dualen Studiengängen, Teilzeitstudienmöglichkeiten, strukturierten Studienvorbereitungsprogrammen sowie den Verzicht auf Studiengebühren für das Erststudium erleichtern die Hochschulen in Zusammenarbeit mit dem MWFK den Einstieg für Studierende mit unterschiedlichen Lern- und Lebenshintergründen und tragen der Forderung nach lebenslangem Lernen und der Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung Rechnung. Die Landesregierung setzt sich somit auch für die Vereinbarkeit eines berufs- und familienbegleitenden Studiums unabhängig von der sozialen Dimension ein. In enger Zusammenarbeit mit den Hochschulen wird die Landesregierung im Vorfeld der nächsten Hochschulvertragsverhandlungen Handlungsoptionen eruieren, um auch zukünftig effektiv auf die zunehmende Heterogenität der Studierendenschaft zu reagieren. 3. Inwiefern haben die Hochschulen durch geeignete Konzepte oder Maßnahmen auf die zunehmende Heterogenität der Studierenden reagiert? zu Frage 3: Die Hochschulen des Landes haben bereits durch vielfältige Maßnahmen auf die zunehmende Heterogenität der Studierendenschaft reagiert. Neben der Einrichtung von zahlreichen Teilzeitstudienmöglichkeiten, die Studierenden mit beruflicher oder familiärer Verpflichtung Rechnung trägt sowie dem kontinuierlichen Ausbau dualer Studienangebote sollen exemplarisch vor allem zwei Initiativen herausgestellt werden. Vor dem Hintergrund sowohl der Bedürfnisse einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft als auch dem Bedarf des Landes, im Rahmen der Fachkräftesicherung u.a. verstärkt weitere Studierendenpotenziale zu erschließen, wird seit mehreren Jahren der Aufbau von College- Strukturen an den Hochschulen des Landes über Mittel des ESF unterstützt. Die Colleges dienen der Unterstützung von Studienorientierung, Studienvorbereitung und Studienbegleitung in den Eingangssemestern mit dem Ziel, eine Verbesserung des Studienerfolges und eine Senkung des Studienabbruchs zu erreichen. An der BTU Cottbus-Senftenberg, der Universität Potsdam, der TH Wildau, der TH Brandenburg sowie der FH Potsdam konnten zwischenzeitlich strukturierte Programme etabliert werden, die gezielt auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Studierendengruppen ausgerichtet sind und gleichzeitig dem speziellen Profil der Hochschule gerecht werden. Ein weiteres Beispiel ist das von den brandenburgischen Hochschulen getragene Netzwerk Studienqualität Brandenburg (sqb). Die individuellen Lehrberatungen und flächendeckenden Weiterbildungsangebote im Bereich der Hochschuldidaktik widmen sich gezielt der Frage nach dem Umgang mit heterogenen Studierendengruppen und ermöglichen eine kontinuierliche Weiterqualifizierung des Lehrpersonals an den Hochschulen. Im Jahr 2016 fanden etwa 70 Veranstaltungen zur Hochschuldidaktik statt, die von beinahe 600 Lehrenden besucht worden sind. Dies bedeutet eine beachtliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7226 - 3 - 4. Inwiefern unterstützt die Landesregierung die Hochschulen beim Umgang mit der zunehmenden Heterogenität der Studierenden? zu Frage 4: Neben der bereits genannten Förderung aus ESF-Mitteln zum Aufbau von Zentren zur Studierendengewinnung und –vorbereitung fördert das MWFK in der laufenden Legislaturperiode den Ausbau dualer Studienangebote mit bis zu 6 Mio. Euro. Duale Studienangebote sind in besonderem Maße dazu geeignet, Durchlässigkeit im Bildungswesen zu fördern und neue Klientel für ein Studium zu gewinnen, steigern damit aber auch die Heterogenität. Die Hochschulen sind bei der Einrichtung neuer dualer Studienformate gehalten, deren Studierbarkeit für Studienanfänger mit unterschiedlichen Voraussetzungen sicherzustellen. Ein weiterer wichtiger Beitrag der Landesregierung war und ist die finanzielle Unterstützung von Geflüchtetenprojekten an den Hochschulen etwa in den Bereichen Studienvorbereitung oder Qualifizierung von geflüchteten Lehrerinnen und Lehrern („Refugee Teachers Program“ der Universität Potsdam). Hierfür wurden im laufenden Jahr 1,4 Mio. Euro aufgewendet (2016: 750.000 Euro). Zudem unterstützt das MWFK die Hochschulen beim Aufbau eines landesweit agierenden Zentrums zur Studienvorbereitung von ausländischen Studierenden, die mit unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen das Studium an einer Hochschule des Landes anstreben. 5. Laut einer im Juli 2017 vom Centrum für Hochschulentwicklung veröffentlichten Studie gibt es einen hohen Zusammenhang zwischen der Diversität der Studierendenschaft und dem Studienerfolg. Besonders bei Studierenden mit gesundheitlichen Einschränkungen, Studierenden mit Kind und Studierenden ohne Abitur ist der Studienerfolg signifikant niedriger . Welche besonderen Maßnahmen ergreifen die Hochschulen bzw. ergreift die Landesregierung , um gerade diese Studierenden auf ihrem Weg zum Studienerfolg zu unterstützen ? zu Frage 5: In der erwähnten Studie des CHE wird die These aufgestellt, dass insbesondere die Studierenden mit Kind schlecht sozial adaptiert seien. „Da soziale Adaption in der QUEST-Konzeption besonders zeitliche Involviertheit in soziale Prozesse impliziert“, so die Studie weiter „ist dieser Befund nicht unerwartet.“ (Diversität und Studienerfolg, S. 40). Wenngleich keine belastbaren Daten für die Situation an den brandenburgischen Hochschulen vorliegen, ist die besondere Unterstützung von Studierenden mit Kindern bzw. mit familiären Verpflichtungen erklärtes Ziel der Landesregierung. Entsprechende verpflichtende Maßnahmen zu deren Förderung und Unterstützung sind im Brandenburgischen Hochschulgesetz in §§ 3, 7, 19 geregelt. Darüber hinaus haben sich die brandenburgischen Hochschulen und das MWFK in den am 10. Juli 2017 unterzeichneten „Qualitätsstandards für Chancengleichheit und Familienorientierung an den brandenburgischen Hochschulen“ u.a. dazu verpflichtet, Gleichstellung und Familienorientierung als hochschulpolitische Leitungs- und Querschnittsaufgaben auf der Ebene der Hochschulleitung zu verankern. Die Belange von Studierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen werden von den Brandenburger Hochschulen entsprechend der in § 3 Abs. 4 BbgHG verankerten Aufgabe berücksichtigt. Insbesondere über Maßnahmen des Nachteilsausgleichs im Rahmen der Studien- und Prüfungsordnungen wird die diskriminierungsfreie und gleichberechtigte Teilhabe dieser Studierenden am Studium gewährleistet. Hinzu treten Fortbildungsangebote der Hochschulen zur Sensibilisierung von Studierenden, Lehrenden und Verwaltungspersonal für den Umgang mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen (u.a. innerhalb des Netzwerks Studienqualität Brandenburg, sqb). Besonders hervor- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7226 - 4 - zuheben ist zudem das derzeit aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanzierte Projekt der Universität Potsdam „Eine Universität für alle – Studium mit gesundheitlicher Beeinträchtigung – Mit Erfolg studieren“. Das Projekt verfolgt das Ziel, Defizite in wissenschaftlichen Arbeiten sowie bei der Planung und Gestaltung des Studiums abzubauen, um so die Studierfähigkeit zu stärken und einem Studienabbruch fundiert entgegenzuwirken. Das Projekt der Universität Potsdam ist Bestandteil des Behindertenpolitischen Maßnahmepaketes 2.0 der Landesregierung. In seinem Rahmen werden zielgruppenspezifische Einzelberatungen sowie verschiedene Gruppenangebote durchgeführt.