Landtag Brandenburg Drucksache 6/7235 6. Wahlperiode Eingegangen: 22.08.2017 / Ausgegeben: 28.08.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2865 des Abgeordneten Peter Vida (BVB/FREIE WÄHLER Gruppe) Drucksache 6/7016 Zustand des Rudower Sees (Lenzen / Prignitz) Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Im größten See der Prignitz – dem Rudower See bei Lenzen - gab es im vergangenen Jahr ein Fischsterben und eine Massenvermehrung von Blaualgen. Das Gewässer wurde aus diesem Grund für Badezwecke gesperrt. Der Tourismus als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Lenzen (Campingplatz, Feriensiedlungen , Restaurant, Bootsvermietung…) wurde dadurch erheblich geschädigt. Auch als Wohnort für Zuzügler verliert Lenzen damit erheblich an Anziehungskraft. Die Millionenbeträge an Fördermitteln, die in Lenzen in die Sanierung von Gebäuden gesteckt wurden könnten den Wegfall des Sees als Attraktion nicht kompensieren und wären vergebens. Anwohner und Badegäste sind über diese Entwicklung entsetzt, der See war laut ihren Aussagen noch vor einigen Jahren in einem deutlich besseren Zustand. Sie wollen den See als Naturschönheit, Naherholungsgebiet und Ziel für den sanften Tourismus erhalten. Hierfür habe sie die Arbeitsgemeinschaft „Rettet den Rudower See!“ gegründet. Vertreter der AG haben sich an die Landtagsgruppe BVB / FREIE WÄHLER gewandt, um die Hintergründe der drastischen Verschlechterung und mögliche Lösungsansätze zu suchen. Zudem haben sie eine Petition durchgeführt und im Mai den Minister für Landwirtschaft und Infrastruktur um einen Termin zur Übergabe der knapp 2.000 Unterschriften gebeten. Diese Anfrage war auch am 01.07.2017 noch nicht beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung: Der Rudower See und das Rambower Moor sind ein miteinander verbundenes komplexes System. Der See ist durch hohe Nährstoffkonzentrationen gekennzeichnet. Nährstoffprobleme des Sees sind vor allem Folge der Meliorationsmaßnahmen Ende des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts, die zu einer stetigen Schrumpfung der umliegenden Moorkörper und damit Nährstoffausträgen führten. In den 1960-1970er Jahren wurde im See eine intensive Fischproduktion betrieben. In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Versuche der Seesanierung, u. a. eine Seekreideaufspülung 1980, Phosphatfällungen 1988 und 2004 seeintern sowie ab 2001 auch im Nausdorfer Kanal als wichtigstem Seezufluss. Zu berücksichtigen ist, dass die für diesen Gewässertyp spezifische Referenztrophie „eutroph“ ist (d. h. kein Klarwassersee). In 2016 wurde eine regionale Arbeitsgruppe unter Leitung des Landesamtes für Umwelt (LfU), hier das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg, mit Beteiligung von Vertretern der Kommunen, der regionalen Behörden sowie der Bürgerinitiative „Rettet den Rudower See“ eingerichtet, die sich mit möglichen Maßnahmen zur Zustandsverbesserung befasst. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7235 - 2 - Frage 1: Warum wurde durch die Landesregierung die Anfrage zu einem Termin zur Übergabe der Petition erst nach 6 Wochen beantwortet? zu Frage 1: Der komplexe Sachverhalt, der sich auch in dem Bezugsschreiben der Bürger- AG widerspiegelt, erfordert eine auf Nachhaltigkeit angelegte Strategie, die u. a. alle bisherigen Sanierungsbemühungen und damit einhergehenden Erfahrungen berücksichtigt. Die Beantwortung des Schreibens bedurfte deshalb einer entsprechenden Recherche sowie Abstimmungen zwischen den verschiedenen Akteuren auf der Fachebene. Frage 2: In welchen Jahren seit dem Jahr 1990 wurde im Rudower See massenhafte Blaualgenvermehrung beobachtet? Welche Ursache wurde jeweils ermittelt? zu Frage 2: Blaualgenmassenentwicklungen sind trophiebedingt und können mehr oder weniger saisonal regelmäßig und auch mehrfach im Jahr in Abhängigkeit vom Nährstoffangebot in Kombination mit besonderen Witterungsbedingungen (Strahlung) sowie Gewässerschichtungsverhältnissen und Konkurrenzsituationen zu anderen Algenentwicklungen auftreten. Nähere Angaben sind der Landesregierung nicht bekannt. Frage 3: In welchen Jahren seit dem Jahr 1990 wurde im Rudower See Fischsterben beobachtet? Welche Ursache wurde jeweils ermittelt? zu Frage 3: Statistische Erhebungen dazu liegen der Landesregierung nicht vor. Fischsterben können in eutrophierten Gewässern nach langer Eisbedeckung, nach länger anhaltenden Hitzeperioden oder Starkniederschlagsereignissen auftreten. Frage 4: Welche Messungen zur Wasserbelastung am Rudower See – insbesondere von Phosphaten und Nitraten - wurden in den letzten 25 Jahren vorgenommen? Bitte die Ergebnisse zugänglich machen! zu Frage 4: Ein Überblick über alle Messungen der letzten 25 Jahre liegt der Landesregierung nicht vor. Die Untersuchungsergebnisse des Wasserwirtschaftsamtes von 1993 bis 2017 liegen in einer Datenbank vor, die aufgrund des erheblichen Datenumfangs hier nicht aufgeführt werden kann. Die Einzeldaten für diesen Zeitraum können beim LfU eingesehen werden. Frage 5: Gibt es Hinweise, dass die Biogasanlage Lenzen nennenswert zum Eintrag an Nitraten und Phosphaten in den Rudower See beiträgt? zu Frage 5: Es liegen keine Hinweise über Einträge an Nitraten und Phosphaten in den Rudower See durch die im April 2016 in Betrieb gegangene Biogasanlage Lenzen vor. Direkte Auswirkungen auf den See können aufgrund der topografischen Lage der Anlage ausgeschlossen werden. Frage 6: Gibt es für eine der Anlagen zur Tierhaltung im Umland (Putenmastanlage & Rinderanlage Boberow, Schweinemastanlage Mellen…) Hinweise nennenswert zum Eintrag an Nitraten und Phosphaten in den Rudower See? Wenn ja: Welche Hinweise für welche Anlage? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7235 - 3 - zu Frage 6: Es liegen keine Hinweise über Einträge an Nitraten und Phosphaten in den Rudower See durch Tierhaltungsanlagen im Umland vor. Frage 7: Gibt es Hinweise, die kommunalen Abwässer aus einer der umliegenden Kommunen nennenswert zum Eintrag an Nitraten und Phosphaten in den Rudower See beiträgt? Wenn ja: Welche Hinweise für welche Kommune? zu Frage 7: Konkrete Hinweise zu Einträgen aus kommunalen Abwässern liegen nicht vor. Die im Einzugsgebiet existierenden biologischen Kleinkläranlagen besitzen bedingt durch ihre Größe keine spezielle Phosphoreleminierung. Im Rahmen der aktuellen Untersuchung von möglichen Eintragspfaden überprüft die Untere Wasserbehörde die sachgerechte Abwasserbeseitigung der abflusslosen Sammelgruben (auch Feriensiedlungen) im Einzugsgebiet. Frage 8: Welche Änderungen der Schadstoffbelastung des Grundwassers sind im Umfeld des Rudower Sees bekannt? zu Frage 8: Im Umfeld des Rudower Sees sind keine Schadstoffbelastungen bekannt. Frage 9: Welche weiteren Quellen bzw. Zuflüssen werden als Ursache der Wasserbelastung im Rudower See angenommen? zu Frage 9: Die Ermittlung möglicher Quellen der Gewässerbelastung im unter- und oberirdischen Einzugsgebiet des Rudower Sees ist Bestandteil der geplanten und in der vorgenannten Arbeitsgruppe abgestimmten Untersuchung von möglichen Eintragspfaden. Als Quellen der Gewässerbelastung werden das Rambower Moor, die interne Belastung des Seesediments, der Koteintrag durch Zugvögel sowie diffuse Einträge aus dem Umland angenommen. Frage 10: Gibt es Hinweise, dass das Rambower Torfmoor über den Nausdorfer Kanal nennenswert zum Eintrag an Nitraten und Phosphaten in den Rudower See beiträgt? zu Frage 10: Die gemittelten Phosphor-Konzentrationen im Nausdorfer Kanal sind höher als im Rudower See. Welchen Anteil die entwässerten bzw. wieder vernässten Bereiche des Rambower Moores an der Gesamtbelastung des Rudower Sees haben, wird im Rahmen eines in der vorgenannten AG abgestimmten investigativen Monitorings in 2018 untersucht. Frage 11: Welchen Einfluss hat das Rambower Moor auf den Rudower See? Kann ausgeschlossen werden, daß durch weitere Vernässung des Rambower Moores der Rudower See zusätzlich belastet wird? zu Frage 11: Der Hauptteil des Rambower Moores wird derzeit noch entwässert. Ohne eine Wiedervernässung werden auch weiterhin aus den entwässernden Bereichen des Rambower Moores Nährstoffe in den Nausdorfer Kanal ausgetragen. Der Anstau zuvor entwässerter, mineralisierter Moore führt in der Regel zu anfänglich erhöhten Nährstoffausträgen aus den obersten zersetzten Torfschichten. Bei einer dauerhaften Wiedervernässung würde sich das Rambower Moor langfristig wieder in eine Nährstoffsenke verändern und damit zur Verbesserung der Wasserqualität im Rudower Landtag Brandenburg Drucksache 6/7235 - 4 - See beitragen. Gemäß dem Evaluierungsbericht zum EU-Life Projekt aus dem Jahr 2014 hat sich die Wasserqualität im Nausdorfer Kanal nach dem ersten Wiedervernässungsprojekt (Abschluss 2003) insgesamt verbessert. Die Werte von Gesamtstickstoff, Chlorid und gelöstem organisch gebundenen Kohlenstoff sind demnach teils deutlich zurückgegangen, die Phosphorbelastung ist allerdings konstant geblieben. Frage 12: Im Jahr 2000 wurde am Zufluss Nausdorfer Kanal eine Phosphorfällanlage eingerichtet. Warum wurde diese Anlage 2008 wieder abgebaut? Frage 13: Welche Kosten verursachte die Einrichtung der Phosphorfällanlage? Frage 14: Welche jährlichen Kosten verursachte der Betrieb der Phosphorfällanlage? Frage 15: Wo befindet sich die Phosphatfällanlage heute? Frage 16: Welche Kosten verursachte die seeweite Phosphatfällaktion im Jahr 2004? zu den Fragen 12 bis 16:Die P-Eleminationsanlage im Rudower Seegraben (Nausdorfer Kanal) wurde durch die Stadt Lenzen errichtet, betrieben und zurückgebaut. Die Detailfragen zu der Anlage beziehen sich auf kommunale Angelegenheiten und müssen bei der Stadt Lenzen abgefragt werden. Frage 17: Welche Maßnahmen sind geplant, den Zustand des Rudower Sees kurz-, mittelund langfristig zu verbessern? zu Frage 17: Die in der Vorbemerkung genannte Arbeitsgruppe wird im Anschluss an das investigative Monitoring in einem regionalen Nährstoffreduzierungskonzept für den Rudower See mögliche Maßnahmen ableiten und beraten. Frage 18: Am Rand des Sees befanden sich zwei offizielle Badestellen (Lenzen und Leuengarten). Wann und warum wurde der Status einer offiziellen Badestelle jeweils aberkannt? zu Frage 18: Ein „Status“ als offizielle Badestelle nach der Brandenburgischen Badegewässerverordnung vom 6. Februar 2008 hat für die Badestellen Lenzen und Leuengarten zu keinem Zeitpunkt bestanden. Am 30. November 2004 hat das Gesundheitsamt des Landkreises der obersten Gesundheitsbehörde mitgeteilt, dass beide Badestellen ab 2005 nicht mehr nach der Brandenburgischen Badegewässerverordnung vom 9. Juni 1997 kontrolliert werden. Frage 19: Welchen Status hat das Gewässer in der Vergangenheit? War es als Badegewässer ausgewiesen? Wenn ja: In welchem Zeitraum? zu Frage 19: Der Rudower See wurde bis 2005 an der Badestelle Lenzen nach der Brandenburgischen Badegewässerverordnung vom 9. Juni 1997 überwacht. Seit dem Inkrafttreten der Brandenburgischen Badegewässerverordnung vom 6. Februar 2008 werden keine Badestellen am Rudower See nach der EG-Richtlinie über die Qualität der Badegewässer untersucht und der Rudower See ist nicht als EG-Badegewässer ausgewiesen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7235 - 5 - Der Landkreis Prignitz führt die Badestelle bis 2005 als Badestelle mit regionaler Bedeutung und ab 2005 von lokaler Bedeutung. Frage 20: Wurde der Rudower Sees der Status als EU-Badegewässer nicht beantragt? Wenn nein: Warum nicht? zu Frage 20: Die Listung als sogenanntes EG-Badegewässer bei der Europäischen Kommission setzt die Ausweisung nach § 1 Absatz 3 der v. g. Landesverordnung voraus. Der Landkreis Prignitz hat als zuständige Behörde den Rudower See nicht als Badegewässer nach der Brandenburgischen Badegewässerverordnung vom 6. Februar 2008 ausgewiesen. Frage 21: Ab wieviel Badegästen muss ein See als offizielles Badegewässer (bzw. EU- Badegewässer) gemeldet werden? Wann und von wem werden/wurden diese Zahlen ermittelt? zu Frage 21: Weder die europäische Badegewässerrichtlinie vom 15. Februar 2006 noch die Brandenburgische Badegewässerverordnung vom 6. Februar 2008 bestimmen, ab welcher Zahl von Badenden die Ausweisung als EG-Badegewässer zu erfolgen hat. Diese legt die zuständige Behörde nach eigenem Ermessen fest. Frage 22: Welche Fördermittel des Landes, des Bundes und der EU wurden seit 1990 für den Erhalt bzw. die Sanierung von historischen Gebäuden in Lenzen gewährt? zu Frage 22: Die Stadt Lenzen wird im Rahmen der nationalen Städtebau- und Wohnraumförderung unterstützt. Insbesondere wurden für das Sanierungsgebiet „Alter Stadtkern" folgende Mittel bewilligt: für 1991 bis 2020 • Förderprogramm Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen (Land und Bund je 2.666.000 €) sowie • Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz (Land und Bund je 3.407.000 €). Diese Mittel flossen bzw. fließen u. a. in den Erhalt bzw. die Sanierung von historischen Gebäuden. Darüber hinaus hat die Burg Lenzen folgende Förderungen erhalten: in 2002 • Förderprogramm Erhaltung national wertvoller Kulturdenkmale (Land 27.000 €, Bund 36.000 €), • Förderprogramm Dach und Fach (Land 50.000 €, Bund 50.000 €), in 2003 • Förderprogramm Erhaltung national wertvoller Kulturdenkmale (Land 5.000 €, Bund 60.000 €). Frage 23: Gibt es seitens des Landes für Kommunen Zuschüsse zur Seeunterhaltung bzw. -erhaltung und / oder die Erhaltung der touristischen Infrastruktur Zuschüsse? Wenn Ja: werden diese für den Rudower See abgerufen? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7235 - 6 - zu Frage 23: Seitens des Landes gibt es keine Zuschüsse zur Seeunterhaltung bzw. - erhaltung und/oder die Erhaltung der touristischen Infrastruktur. Über Förderprogramme können jedoch Maßnahmen zur Gewässerentwicklung sowie zur Qualitätssteigerung/Unterstützung und Weiterentwicklung touristischer Produkte gefördert werden. Aktuell werden keine Vorhaben für den Rudower See gefördert. Frage 24: Besteht für Kommunen die Möglichkeit, einen See zu verkaufen? Falls Ja: Welche Möglichkeiten haben die Bürger, den Verkauf zu verhindern bzw. zumindest den öffentlichen Zugang zum See sicherzustellen? zu Frage 24: Die Veräußerung von Seen durch Gemeinden ist unter den Voraussetzungen des § 79 Absatz 1 der Kommunalverfassung - in bestimmten Fällen mit Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörden - möglich. Davon unberührt bleibt das Nutzungsrecht der Bevölkerung an dem See, das von einer Zustimmung des Gewässereigentümers unabhängig ist. Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Gewässern haben gemäß § 4 Absatz 4 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes die Benutzung durch Dritte zu dulden, soweit für eine zulassungspflichtige Benutzung eine behördliche Zulassung erteilt worden ist oder eine behördliche Zulassung nicht erforderlich ist (sogenannter Gemeingebrauch). Das gilt nicht für den Zugang zu Seen. Außerhalb des Betretungsrechts der freien Landschaft zur Erholung gemäß § 44 Absatz 1 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes bedarf die Gewährleistung des öffentlichen Zugangs zu einem See einer besonderen rechtlichen Absicherung der Nutzung betroffener Grundstücke durch die Gemeinde. Zur freien Landschaft gehören die Gebiete außerhalb des Waldes und außerhalb von bebauten Ortslagen. Bei Seen innerhalb von bebauten Ortslagen können die Gemeinden zum Beispiel vertrags- oder satzungsrechtliche Lösungen prüfen.