Landtag Brandenburg Drucksache 6/7356 6. Wahlperiode Eingegangen: 08.09.2017 / Ausgegeben: 13.09.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2906 der Abgeordneten Andrea Johlige (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/7090 Suizide und Suizidversuche von Asylsuchenden in Brandenburg 2010 bis 2017 Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Geflüchtete sind vielfältigen psychischen Belastungen durch die Fluchterfahrungen aber bspw. auch durch die Unsicherheit im Asylverfahren, mangelnde Lebensperspektiven, die Unterbringungssituation oder drohende Abschiebungen ausgesetzt. Solche starken Belastungen können zum Wunsch, das eigene Leben zu beenden, führen. Frage 1: Wie viele Suizide und Suizidversuche von Asylsuchenden bzw. abgelehnten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in den Jahren 2010 bis 2017 sind der Landesregierung bekannt? (Bitte die einzelnen Fälle aufschlüsseln nach Datum, Ort, Unterbringungseinrichtung , Herkunftsland, Alter und Geschlecht! Bitte Fälle in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes getrennt aufführen!) Frage 2: Sind der Landesregierung die Umstände der einzelnen Fälle bekannt? Wenn ja, bitte jeweils kurz ausführen! Frage 3: Sind der Landesregierung die Motive bzw. Auslöser für die Suizide bzw. Suizidversuche der jeweiligen Asylbewerberinnen und Asylbewerber bekannt? Wenn ja, bitte jeweils kurz ausführen! Frage 4: Welche der Suizide oder Suizidversuche stehen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit ablehnenden Bescheiden des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bzw. Abschiebeanordnungen oder Abschiebeversuchen und könnten somit der Auslöser gewesen sein? zu Fragen 1 bis 4: Die Fragen 1 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es wird keine amtliche Statistik über Suizide und Suizidversuche von Asylsuchenden bzw. abgelehnten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern geführt. Auch die Zentrale Ausländerbehörde (ZABH) des Landes Brandenburg führt keine Statistik über Suizide oder Suizidversuche in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) des Landes Brandenburg. Zudem steht bei Selbstverletzungen oft nicht eindeutig fest, ob tatsächlich eine Selbsttötungsabsicht bestand. Aus dem Jahr 2013 ist ein Suizid in der EAE bekannt. Hierzu wird auf die Beantwortung der Fragen 1332 und 1333 in der Fragestunde der 78. Sitzung des Landtages Brandenburg am 6. Juni 2013 sowie auf TOP 9 der 44. Sitzung des Landtag Brandenburg Drucksache 6/7356 - 2 - Ausschusses für Inneres am 15. August 2013 (Protokoll in der Landtagsdrucksache P-AI 5/44) verwiesen. Frage 5: Wie viele Asylbewerber und Asylbewerberinnen wurden in den Jahren 2010 bis 2017 präventiv wegen Suizidgefahr psychologisch bzw. psychiatrisch behandelt? (Bitte auflisten nach Alter, Geschlecht, Herkunftsland, zuständigem Landkreis bzw. kreisfreier Stadt, ambulanter und stationärer Behandlung!) zu Frage 5: Entsprechende Daten werden statistisch nicht erfasst. Frage 6: Welche Unterstützungen können Asylsuchende, die einen Suizidversuch überlebt haben, über adäquate ärztliche Unterstützung hinaus, erhalten? zu Frage 6: Neuankommende Asylbewerberinnen und Asylbewerber werden bereits beim Zugang in der EAE darüber informiert, dass sie sich mit psychischen Problemen an den Psychosozialen Dienst (PSD) der ZABH wenden können. Dieser führt in Eisenhüttenstadt täglich offene Sprechstunden zur Abklärung der Problemlagen und kurzfristigen Vereinbarung von Explorationsgesprächen durch. Bei Anhaltspunkten für eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung ist auch aufgrund der guten Zusammenarbeit zwischen ZABH und Städtischem Krankenhaus Eisenhüttenstadt eine kurzfristige stationäre psychiatrische Versorgung möglich. Durch die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner durch Hausbetreuerinnen und Hausbetreuer, Sozialberaterinnen und Sozialberater sowie Erzieherinnen und Erzieher werden zudem auf vielfältigen Wegen Anzeichen für persönliche Problemlagen erfasst und bei Bedarf an die fachlich zuständigen Dienste – wozu auch der PSD gehört – weitergeleitet. Darüber hinaus werden sämtliche besonderen Vorkommnisse (Suchtmittelmissbrauch , körperliche und verbale Auseinandersetzungen, Vernachlässigung von Minderjährigen usw.) ausgewertet und ein ggf. vorhandener Hilfebedarf ermittelt. Schließlich wurden, beginnend am EAE-Standort Eisenhüttenstadt, in der ZABH wöchentliche Fallmanagementbesprechungen zu Bewohnerinnen und Bewohnern mit besonderen Problemlagen eingeführt, an denen neben den Sozialberaterinnen und Sozialberatern, der Ambulanz und der Objektleitung des Wohnheimbetreibers auch der PSD sowie Vertreterinnen und Vertreter aller Sachgebiete beteiligt sind. In der ambulanten und stationären Psychiatrie werden Asylsuchende genauso behandelt wie deutsche Patientinnen und Patienten nach einem Suizidversuch: Motive, Ursache, Auslöser, soziale und persönliche Situation werden in den therapeutischen Gesprächen thematisiert. Liegt eine psychiatrische Erkrankung , beispielsweise eine Depression, vor, wird diese leitliniengerecht behandelt. Frage 7: Welche präventiven Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen bzw. plant sie zu ergreifen, um Suizide bzw. Suizidversuche von Asylsuchenden in Brandenburg zu verhindern ? zu Frage 7: Professionelle soziale Arbeit leistet einen großen Beitrag dazu, den Geflüchteten Sicherheit, Stabilität und Orientierung im Alltag zu vermitteln. Dies sind wesentliche Voraussetzungen, um suizidale Absichten zu verhindern. Zu den Aufgaben der Migrationssozialarbeit nach dem Landesaufnahmegesetz in den Landkreisen und kreisfreien Städten gehören unter anderem „die Unterstützung bei der Bewältigung komplexer Problemlagen im Einzelfall in Zusammenarbeit mit den Regeldiensten“ ebenso wie „niedrigschwellige Gruppen- oder Einzelmaßnahmen und Angebote beispielsweise … zur psychosozialen Stabilisierung…“ (Anlage 4 zur Landesaufnahmegesetz-Durchführungsverordnung). Diese Landtag Brandenburg Drucksache 6/7356 - 3 - Beratungs- und Unterstützungsangebote, die in der Regel bei den Fachberatungsdiensten vorgehalten werden, wirken auch im Fall von möglicher Selbstgefährdung unterstützend. Derzeit arbeitet die ZABH gemeinsam mit dem Wohnheimbetreiber der EAE daran, die verschiedenen laufenden Prozesse und Maßnahmen der Betreuung von besonders Schutzbedürftigen in einer behördeneigenen Konzeption zusammenzufassen, zu systematisieren und zu verstetigen. In dem Konzept sollen die Tatbestände der EU- Aufnahmerichtlinie interpretiert und Tatbestandsvoraussetzungen beschrieben werden. Ebenso sollen z.B. Feststellungsmodalitäten (einschließlich Verantwortlichkeiten) und Informationswege (einschließlich Meldungen an kommunale Aufgabenträger) definiert werden . Das Konzept wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 vorliegen.